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Politicks August 2024

| 14. August 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 205, Politicks

Lang glaubt in der Steiermark an Dreikampf ÖVP, SPÖ und FPÖ
Trotz des schlechten EU-Wahlergebnisses glaubt der steirische SPÖ-Chef und Landtags-Spitzenkandidat Anton Lang an die Chance, nächster steirischer Landeshauptmann zu werden. Für die Landtagswahl am 24. November gab er den ersten Platz als SPÖ-Wahlziel an. Inhaltlich strebt Lang für die Steiermark die Einführung eines Gratiskindergartens an. Er sei sich aber im Klaren, dass das Budget derzeit als Folge der Corona-Pandemie ausgereizt sei. Trotzdem sollen die Kindergartenplätze in einem ersten Schritt billiger werden. Wahlzuckerl sind finanziell derzeit einfach nicht möglich, so Lang. Am liebsten würde er nach der Wahl die Zusammenarbeit mit der ÖVP fortsetzen; allerdings mit ihm an der Spitze. Anton Lang ist ein ernsthafter Pragmatiker, von dem auch in Wahlkampfzeiten keine populistischen Versprechen, Beleidigungen oder gar Negativkampagnen zu erwarten sind. Er macht auch mitten im Wahlkampf kein Hehl daraus, dass auch das nächste Jahr aus budgetärer Sicht herausfordernd und schwierig für die Steiermark wird.

Anton Lang will mit einer für die Mitte attraktiven SPÖ Türkis-Blau verhindern
Wie weit links muss Andreas Babler die Partei ausrichten, um deutliche Stimmenverluste an die Bierpartei und die KPÖ zu verhindern? Geht es nach dem steirischen SPÖ-Vorsitzenden und Spitzenkandidat für die Landtagswahl Toni Lang, ist dieser Kampf bereits verloren. Daher sei es für die SPÖ höchst an der Zeit, den Kampf um die politische Mitte wieder aufzunehmen. Ohne Andreas Babler direkt anzusprechen, meinte Lang im APA-Sommergespräch, dass die SPÖ auf Bundesebene unbedingt wieder in die Mitte rücken müsse. Er glaubt, dass sowohl die Bierpartei als auch die KPÖ die Vier-Prozenthürde überspringen und damit dem kommenden Nationalrat angehören werden. Lang will die SPÖ mit einem Mitte-Kurs für ein größeres Wählersegment wählbar machen und so eine ÖVP-FPÖ-Koalition verhindern. Er sei davon überzeugt, dass Türkis und Blau eine Regierung bilden würden, wenn dies nach der Wahl möglich wäre. Die Erfahrung aus den Bundesländern Niederösterreich und Salzburg habe gezeigt, was von der Ablehnung der FPÖ durch die ÖVP zu halten sei, so Lang.

Wer wird Nummer eins? Schafft Nehammer den Turnaround?
Die ÖVP hat die feste Absicht, Herbert Kickl als Bundeskanzler zu verhindern. Das geht am einfachsten, wenn sie bei der Nationalratswahl am 29. September stimmenstärkste Partei wird. Geht es nach den Umfragen, ist dieses Ziel für die ÖVP völlig unerreichbar, orientiert man sich jedoch an den Wahlergebnissen, stehen die Chancen für die ÖVP gar nicht so schlecht. Denn die Meinungsforscher kriegen weder die Unterdeklaration bei der ÖVP noch die Überdeklaration bei der FPÖ und den Neos in den Griff. Und seit der EU-Wahl können die Demoskopen ihre kollektive Fehlleistung auch nicht mehr mit lokalen und regionalen Ereignissen begründen. Die ÖVP schnitt nämlich um mindestens zwei bis drei Prozentpunkte besser ab als abgefragt, während die Wahlergebnisse für FPÖ und Neos deutlich unter den Umfragewerten lagen. Oder anders: Der abgefragte Abstand zwischen der FPÖ und der ÖVP betrug vier (Spectra) bis sieben Prozentpunkte (Hajek). Tatsächlich trennten die beiden Parteien am Wahlabend nur 0,8 Prozentpunkte. Die Neos lagen in den Umfragen zwischen sieben (Market) und 13 Punkten (Hajek) hinter der ÖVP. Im Wahlergebnis waren es dann aber 15,3 Punkte. Bei der SPÖ und den Grünen lagen die Umfragen und das Ergebnis zumindest innerhalb der statistischen Schwankungsbreite.

Die heimische Demoskopie liefert schon seit einiger Zeit eher Infotainment als präzise Prognosen. Daraus lässt sich bestenfalls die eine oder andere Entwicklung in der Wählergunst ableiten.

Im APA-Wahltrend – das ist eine geglättete Zusammenfassung der aktuellen Umfragen – liegt die FPÖ mit 27,2 Prozent aktuell um 4,4 Punkte vor der ÖVP mit 22,8 Prozent. Die SPÖ ist Dritter mit 21,4 Prozent vor den Neos (10,2%), den Grünen (9,4%), der Bierpartei (5,1%) und der KPÖ (2,6%). Liegen die Institute ähnlich falsch wie schon im ganzen letzten Jahr, ist das Kanzlerduell zwischen Herbert Kickl und Karl Nehammer nicht nur vom ÖVP-Generalsekretariat herbei geredet, sondern es ist tatsächlich Realität. Die drei impfkritischen Parteien (Petrovich, DNS und MFG) wurden übrigens nicht abgefragt – wohl weil deren flächendeckendes Antreten bei der Wahl nicht sehr wahrscheinlich ist.

It’s the migration, stupid!
Natürlich rätseln alle, warum die Demoskopie solche Probleme bei der Einschätzung der ÖVP hat. Die Antwort ist womöglich viel einfacher als vermutet: It’s the migration, stupid!

Die ÖVP profitiert vom Wahlverhalten der Milieus der klassisch linksliberalen Mitte. Denn immer mehr Wähler aus diesem Segment erkennen, dass die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) richterlich durchgesetzte Migrationspolitik unser Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem extrem überlastet. Die illegale Massenmigration, der Familiennachzug sowie die Abschiebe- und Pushback-Verbote überfordern den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Spätestens wenn sich schulpflichtige Eltern in den Ballungsräumen dazu gezwungen sehen, ihre Kinder in Privatschulen einzuschreiben oder – wenn es diese Schulen nicht in ausreichender Zahl gibt – aufs Land zu ziehen, weil es dort deutlich weniger Kinder gibt, die nicht Deutsch können, ist es vorbei mit Linksliberalen oder woken Prioritäten. Die ÖVP bietet sich ganz bewusst als Partei an, die zwar glaubwürdig gegen die durchlässigen Grenzen eintritt, aber weder rechtsradikale noch impf- und wissenschaftsfeindliche Haltungen vertritt; als wählbare Alternative zur FPÖ sozusagen.

Rot-Schwarz oder Schwarz-Rot mit oder ohne pinken Juniorpartner
Natürlich würde die SPÖ gerne den nächsten Bundeskanzler stellen. Aber das geht natürlich nur, wenn sie bei der Nationalratswahl besser abschneidet als die ÖVP. Obwohl die SPÖ, die Grünen und die Neos eine Neuauflage von Türkisblau befürchten, gilt die zukünftige Regierungszusammenarbeit von SPÖ und ÖVP eigentlich als fix. Wenn es sich mandatsmäßig ausgeht, kommt Schwarz-Rot als Zweierkoalition, sonst halt als Dreierkoalition mit den Neos. Die Grünen kommen wegen der Politik ihrer Infrastrukturministerin für die ÖVP nur mehr dann als Partner in Frage, wenn sie ganz auf Gewessler verzichten. Aber das geht natürlich parteiintern nicht. Eine Chance auf eine neuerliche grüne Regierungsbeteiligung gibt es daher nur, wenn sich irgendwie eine Ampelkoalition, also eine Mehrheit von SPÖ, Neos und Grünen ausgeht. Das ist jedoch äußerst unwahrscheinlich.

Obwohl die SPÖ also mit großer Wahrscheinlichkeit wieder Regierungspartei wird, herrscht seit der Europawahl Bunkerstimmung. Der linke Kurs von Andreas Babler wird von den Bundesländern ebenso in Frage gestellt wie dessen mangelnde Konsequenz in der Migrationspolitik. Das Problem ist natürlich nicht, dass die EU-Wahl für die SPÖ genau so ausgegangen ist, wie von den Meinungsforschern prognostiziert. Das Problem ist, dass die ÖVP klar Zweiter geworden ist und beinahe sogar die FPÖ eingeholt hat. Ein roter Bundeskanzler ist im Augenblick außer Sichtweite und Juniorpartner in einer ÖVP-geführten Regierung war die SPÖ das letzte Mal in den frühen 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Erbschafts- und Vermögenssteuer ante portas?
Aus heutiger Sicht ist es durchaus möglich, dass die SPÖ ihre zentrale – parteiintern unumstrittene – Forderung nach einer Erbschafts- und Vermögenssteuer durchsetzen wird. Und zwar unabhängig davon, ob sie bei der Nationalratswahl vor oder hinter der ÖVP liegt. Die ÖVP wird natürlich sowohl bei der Erbschafts- als auch bei der Vermögenssteuer auf umfassenden Ausnahmen für Betriebsvermögen und Betriebsanteile bestehen. Außerdem wird sie die Aufkommensneutralität sämtlicher neuen Steuerideen einfordern. Dafür anbieten würden sich die steuerliche Entlastung von Überstunden und von Einkommen aus Vollzeitarbeitsverhältnissen.

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Politicks, Fazit 204 (Juli 2024)

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