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Zur Lage (20)

| 25. Juli 2009 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 55, Zur Lage

Über eine österreichische Mehlspeise, über ein Wort, wenig über Landespolitik und über das Denken.

Eigentlich ist es ja viel zu heiß dafür, ein Magazin zu lesen. Aber glauben Sie mir, noch viel heißer ist es in diesen Tagen für eines zu schreiben. Noch dazu, wo sowieso alle weg sind. Da muss man sich die Themen, die das Land bewegen, schon aus den Fingern saugen. Einen Haupttreffer dabei hat wohl Unilevertocher Eskimo gelandet. Mit dem Spruch »I will mohr« auf Großplakaten wurde die neue Eissorte »Cremissimo à la Mohr im Hemd« angepriesen.

Jetzt hat es sich – spätestens seit es nicht mehr ganz so unstylisch ist, die durchnumerierte Familie Meinl (ich erinnere nur: 100 Millionen Kaution!) – doch bald ins vorletzte Winkerl herumgesprochen, dass der »Mohr« (und Meinl hat einen solchen als Logo) in der Sprache der »Political Correctness« nicht gut angeschrieben ist. (Dass kein gesunder Geist nach 1999 auf die Idee kommen kann, Menschen anderer Hautfarbe als »Mohren« an- oder auch nur zu- besprechen, versteht sich unter uns der Aufklärung Verpflichteten, von selbst!)

Dass die Bezeichnung für eine Mehlspeise negativ konnotiert ist, darf zumindest einer Diskussion unterzogen werden. Dies lehnen aber zahlreiche heimische Journalisten durchwegs ab. Allen voran Claudia Unterweger, die auf der Webseite von FM4 schreibt: »Simon Inou, von M Media, dem Verein zur Förderung interkultureller Medienarbeit, ist schockiert, dass Rassismus in Österreich immer frecher und öffentlicher dargestellt werde. Es sei beschämend, dass Eskimo so eine Kampagne startet, ohne mit Betroffenen vorher darüber zu diskutieren.« Also sind wir mit dem »Mohr im Hemd« schon beim Rassismus angelangt. Das erschien mir etwas überzogen und deutliche Reaktionen auf diesen Artikel, die sich gegen eine solche Rassismus-Definition aussprachen, bestätigten mich.
Damit wir uns nicht falsch verstehen; ich bin jedenfalls der Überzeugung, dass ein sensibler Umgang mit Sprache notwendig ist. (Da fallt mir was ganz anderes ein, und das muss ich Ihnen gleich erzählen, sonst vergesse ich es wieder: Dass etwa Kroneschreiber Michael Jeannée einen führenden Landespolitiker als »gesichtslosen Waschlappen« bezeichnet, ist eher öd! Das ist – neben der Krone-Partei des Hanspeter Martin, der sich im Übrigen schon wieder zerstritten hat mit seinen »Parteifreunden« – ein wenig zufriedenstellender Zustand mangelhaftester Medienvielfalt! Zurück zum Thema.)

Und, dass das »Empfinden« einer sprachlichen Diskriminierung alleine schon ausreicht, besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. In diesem Empfinden aber überhaupt nicht auf die Intention des Aussprechenden  einzugehen, ist – zumindest – fragwürdig. Die Diskussionen und gegenseitigen Vorhaltungen (mittlerweile auch im Standard und in zahlreichen Weblogs) wurden aber  intensiver. So erteilte etwa der weit links verortete Publizist Klaus Werner-Lobo einen Lesebefehl für eine »Anleitung zum Vermeiden des Verfassens rassistischer Artikel«. Ich habe mir angetan, das zu lesen und wurde bald von allen Illusionen befreit. Dort heißt es: »Wer weiß und damit rassistisch erzogen wird, auf dem ist das Betriebssystem bereits fest installiert.« Aha. Leider bin ich dieser Rede nach wohl so erzogen. Und damit Rassist. Oder der gute Martin Blumenau, der gleich in der Einleitung seiner Antischoko-Kampfschrift alles klar macht: »Über das ertappte Staunen derer, die das Prinzip der Herabwürdigung so verinnerlicht haben, dass ihnen jede Kritik daran zum Vorwurf an sich selber gefriert.« Also bin ich nicht nur Rassist, sondern habe die Herabwürdigung per Blumenau verinnerlicht. So werden wir nicht weiter kommen. Mich hat einmal jemand ob meiner Brille beleidigen wollen. Ich habe ihn schlicht nicht verstanden. Und als es mir dämmerte, worauf er hinauswollte, hat mich das nur amüsiert.

Natürlich gibt es in Österreich (siehe beamtshandelter schwarzer Turnprofessor) wie allen Ortens (siehe scharzen Harvard-Professor, der dieser Tage auf seiner Veranda verhaftet wurde weil er seine Hausschlüssel vergessen hatte) noch immer viel zu viele Vorurteile. Und es gibt besonderen Handlungsbedarf hierzulande was etwa »Vorbilder« betrifft: Wo ist der erste schwarze Polizist in Graz, wo der farbige Spitzenbeamte im Landesdienst, wo die Richterin mit Migrationshintergrund?

Aber solange wir uns zu sehr damit beschäftigen, wegen eines Küchleins »Rassisten« oder keine zu sein, werden wir nie diese einzige Reaktion einem Menschen, der einen anderen Menschen ob seiner Hautfarbe diskriminiert, entgegenschmettern können: ihn schlicht auszulachen! Eines muss gelten: Schlimm, wer Schlimmes denkt. Und dumm, wer Dummes denkt. Danke. Schönen Sommer. Im Herbst wirds wieder lustiger. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage, Fazit 55 (August 2009)

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