Politicks Juli 2010
Johannes Tandl | 27. Juli 2010 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 64, Politicks
Landtagswahl-Barometer
Es sind nur noch 90 Tage bis zur steirischen Landtagswahl am 26. September. Und da nach den Sommerferien kaum mehr Zeit bleibt, um neue Themen zu platzieren, bemühen sich die Parteien schon jetzt intensiv, jenen Inhalten, mit denen sie den Wahlkampf beherrschen wollen, den entsprechenden „Spin“ zu geben. Bei der ÖVP sind das die SPÖ-Skandale rund um die Therme Fohnsdorf und die SPÖ-Stiftung „Zukunft Steiermark“ sowie der „Weiß-Grüne Weg“ als Wahlprogramm, bei der SPÖ ist das Positivthema wohl die Vergabe des nächsten Loses der Koralmbahn, die offensichtlich, von langer Hand vorbereitet, noch vor dem Wahltermin erfolgen wird. Darüber hinaus versucht die SPÖ natürlich, die letzten fünf Jahre in möglichst hellem Licht erstrahlen zu lassen, und vereinnahmt dabei auch Erfolge der ÖVP-Regierungsressorts. Die Volkspartei tut sich natürlich schwer, dagegen aufzutreten, denn ein Urheberstreit wird vom Wähler als kleinlich aufgenommen. Sonst sind Voves und Co. um Schadensbegrenzung bemüht. Die Angriffe der Volkspartei rund um Fohnsdorf und Stiftung tragen naturgemäß nicht gerade zur Motivation des nach zahlreichen Serienniederlagen gedemütigten SP-Parteivolkes bei. Skandale, die der VP zuzuordnen sind, hat man bis dato vergeblich gesucht. Bleibt noch der Schönwetteraktionismus wie die „Podium-Zukunft“-Diskussionen zuletzt mit US-Senator Howard Dean und Ex-CDU-Minister Norbert Blüm.
Schwächelnde FP hält Wahlausgang offen
Dass die Voves-SPÖ dennoch immer noch Chancen hat, bei der Landtagswahl als Erste durchs Ziel zu gehen, liegt weniger an ihrer eigenen Performance als an einer anhaltenden Schwäche der FPÖ. Anstatt einen jungen dynamischen Spitzenkandidaten zu positionieren – im Vorfeld wurden der Grazer Stadtrat Mario Eustacchio und FP-Landessekretär Georg Mayer genannt –, setzen die Blauen nämlich auf den bestenfalls als bieder wahrgenommenen Gerhard Kurzmann. Auch bei der Themenwahl dürfte sich der Schweizer „Wunderwuzzi“ Alexander Segart – er hatte ja die politisch erfolgreiche Schweizer Anti-Minarett-Kampagne konzipiert – vergriffen haben. Wer wie die steirische FPÖ auf Plakaten gegen Griechenland emotionalisiert, steht in Graz auf verlorenem Posten. Die griechischen Lokale sind trotz der Milliardenhilfen für Athen gut gefüllt und die Griechen gelten nach wie vor als sympathischer, munterer Menschenschlag und sind bei den Österreichern das beliebteste unter den levantinischen Völkern. Stimmen, die die FPÖ nicht auf sich vereinen kann, bleiben bekanntlich bei der SPÖ. Aus heutiger Sicht scheint ein Regierungssitz für die FPÖ jedenfalls in weiter Ferne. Und dadurch büßt die ÖVP unter Hermann Schützenhöfer die Option ein, sich als Zweiter mit Hilfe der FPÖ zur LH-Partei wählen zu lassen. Das würde nämlich nur funktionieren, wenn ÖVP und FPÖ eine Mehrheit in der Landesregierung hinter sich hätten, und die erscheint aus heutiger Sicht nur realistisch, wenn die ÖVP stärkste Partei wird und fünf Regierungssitze auf sich vereinen kann.
Die Mindestsicherung wackelt
Je näher der geplante Einführungszeitpunkt für die Mindestsicherung rückt, desto höher werden die Hürden, die ihr von ÖVP und zuletzt ungewollt auch von der SPÖ errichtet werden. Der geplante Einführungstermin 1. September wird wohl nicht zu halten sein. Während die ÖVP nie ein Hehl daraus gemacht hat, dass sie Bauchweh mit der Harmonisierung der Sozialhilfe über das Mindestsicherungsgesetz und eine Bund-Länder-Gemeinden-Vereinbarung hat, weil dadurch große Anreize für sozialen Missbrauch geschaffen werden, hat sich die Steirische SPÖ sogar dafür stark gemacht, die 744 Euro monatliche Mindestsicherung 14 Mal statt, wie auf Bundesebene vereinbart, zwölf Mal jährlich auszubezahlen.
Um den Koalitionsbeschluss der Mindestsicherung einhalten zu können, wurde bei einer Klausur der Bundesregierung Mitte März in Graz beschlossen, eine Transparenzdatenbank – das ist nichts anderes als das von der VP zuvor thematisierte „Transferkonto“ – einzuführen. Darin sollten alle monetären Transfers, denen keine konkrete Gegenleistung der Anspruchsberechtigten gegenübersteht, abgebildet werden. Als sich nun abzeichnete, dass die SPÖ keine besondere Eile mit der Einführung der Transparenzdatenbank hat, erinnerte ÖVP-Parlamentsklubobmann Karlheinz Kopf an den Beschluss der Regierungsklausur. Mit seinem Sager, die Volkspartei werde diese „Krot“ (gemeint war die Mindestsicherung) nur schlucken, wenn gleichzeitig die Transferdatenbank käme, lieferte er der SPÖ die von dieser gewünschte Munition, um den Regierungspartner in das Eck der sozialen Kälte zu drängen.
Dort fühlt sich die Volkspartei aber anscheinend sehr wohl, gibt es ihr doch die Gelegenheit, ihr Profil als Verteidiger der Leistungsträger in der Mittelschicht zu schärfen. Während also auf Bundesebene noch über die „Ausgestaltung der Transferdatenbank“ gestritten wird, tun sich vor der Mindestsicherung bereits die nächsten Klippen auf. So musste der steirische Soziallandesrat LHStv. Siegfried Schrittwieser (SPÖ) vor wenigen Tagen bekannt geben, dass die Sozialabteilung sich bei der Schätzung der erwarteten Kosten vertan hat und die Umsetzung dem Land nicht, wie bisher angenommen, 20 Millionen Euro, sondern wahrscheinlich knapp 40 Millionen Euro kosten werde.
Schrittwieser machte zwar noch das Beste aus dem verhängnisvollen Rechenfehler seiner Beamten, indem er ihn im Stile eines echten Krisen-PR-Profis selbst kommunizierte und entsprechend kalmierte. Dass das dennoch Wasser auf die „Wahlkampfmühlen“ von VP-Klubobmann Christopher Drexler war, liegt auf der Hand. Dieser nützte den Landestag des Steirischen ÖAAB, um innerhalb der VP-Arbeitnehmerschaft genüsslich gegen die SPÖ Stimmung zu machen. Die Erhöhung der Kostenschätzung der Mindestsicherung um 100 Prozent dokumentiere einmal mehr, wie sorglos die SPÖ mit dem Geld der steirischen Steuerzahler umgehe, so Drexler. Vor diesem Hintergrund sei es unmöglich, die Mindestsicherung in der vorliegenden Form im Landtag zu unterstützen.
Graz – die gesprengte Partei!
Das war schon heftig, was sich in den letzten beiden Wochen in der Grazer SPÖ abgespielt hat. Da lässt sich die eine Stadträtin von einigen Parteifreunden und Medien dazu anstacheln, gegen den anderen Stadtrat und amtierenden Parteichef um das Amt des Parteivorsitzes zu kandidieren, und dann passiert die totale Katastrophe.
Landeshauptmann Franz Voves hat es verabsäumt, das Heft von Anfang an in die Hand zu nehmen und in der für die Landtagswahl extrem wichtigen Grazer Parteiorganisation rechtzeitig für Ordnung zu sorgen. Er hat offensichtlich nicht den Mut aufgebracht, am „Spaltungsparteitag“ teilzunehmen, um den dort angerichteten Schaden zu minimieren. Erst als die Grazer SPÖ einige Tage danach in die völlige Handlungsfähigkeit glitt, weil der Vorstand den von Kurzzeit-Parteichefin Elke Edlinger vorgeschlagenen Stadtratskandidaten nicht akzeptierte, fühlte sich Voves dazu gezwungen die Zuschauergalerie zu verlassen und beide Hauptakteure zum Rücktritt zu zwingen. Als er vor die Presse trat, konnte Voves aber wieder nur eine halbe Lösung präsentieren. Das bewährte Grazer SPÖ-Urgestein Karlheinz Herper wurde als interimistischer Stadtrat eingesetzt, muss aber im Herbst das Feld wieder räumen. Aber ganz egal, welche Zwischenlösungen jetzt gesucht und gefunden werden. Wie diese kaputte Partei das Rückgrat der Wählermotivierung für die Landtagswahl bilden soll, steht völlig in den Sternen.
Fohnsdorf – Voves unter Beschuss?
Mit schweren Geschützen nahm ÖVP-Klubobmann Christopher Drexler kürzlich Landeshauptmann Franz Voves unter Beschuss. Dieser hatte die Gemeindeaufsicht sehr nachdrücklich ersucht, im Zusammenhang mit dem Bau der „Aqua-Lux-Therme“ einer Haftungsgarantie der Gemeinde Fohnsdorf für die Thermenbetreiber zuzustimmen. Diese Zustimmung hätte jedoch aus wirtschaftlichen Überlegungen wohl nie gegeben werden dürfen, schließlich war bereits 2006 für alle außer dem Landeshauptmann abzusehen, dass das Thermalprojekt in einem wirtschaftlichen Desaster enden würde. Chef der Gemeindebehörde war damals der noch von einem ÖVP-Landeshauptmann bestellte Hofrat Heinz Schille. Und dieser hatte sowohl den Verlauf des Genehmigungsverfahrens als auch die dringenden Interventionen des Landeshauptmannes und eines seiner Büromitarbeiter genau mit Aktenvermerken und Briefen dokumentiert.
Sollte das Gericht, dem nun die Unterlagen von der ÖVP übergeben worden sind, tatsächlich zur Ansicht kommen, dass Weisungen des Landeshauptmannes an die Gemeindeabteilung vorliegen, die zu Verlusten für den Steuerzahler geführt haben, könnte es auch strafrechtlich eng werden für den Landeshauptmann, denn für Amtsmissbrauch sind mehrjährige Haftstrafen vorgesehen. Da das Verfahren jedoch nicht von der Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien, sondern von der Grazer Justiz betrieben wird, wäre eine tatsächliche Anklageerhebung wohl eine Sensation. Bis zur Landtagswahl wird sich die Causa jedenfalls nicht klären lassen, und ein weiteres, für die SPÖ unangenehmes Thema wirft seinen Schatten auf die Landtagswahl.
Politicks, Fazit 64 (Juli 2010)
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