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Zur Lage (34)

| 3. Januar 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 69, Zur Lage

Eigentlich viel zu viel über eine fragwürdige wie anonyme Organisation. Dafür ausreichend über Norbert Darabos.

Nein, das ist nicht der Schlusspunkt. Das ist die Lage. Ausnahmsweise auf der letzten Seite. Also wundern Sie sich bitte nicht, wenn Ihnen hier Geschriebenes nicht bekannt vorkommt. Wobei, von Gewohnheiten abzurücken, das bereitet mir ja zeitlebens schon größtes Ungemach, und Sie können sich vorstellen, wie schwer ich mit diesen Zeilen ringe, wo ich nicht einmal noch weiß, wie der Layouter die denn dann gestalten wird.

Im Grunde ist es ja egal, an die 30 Prozent von Ihnen können diesen Text ja eh nicht lesen. Sagt zumindest Pisa. (Manch einer schreibt ja gerne PISA, darf man auch, aber den Unterschied einer Nato zu einem ABS etwa, den lass ich mir hier auf der Zunge zergehen.) So gesehen wäre auch die ganze Aufregung um dieses Wikileakwerch ziemlich übertrieben. Wird, zumindest in Österreich, ja eh bald niemanden mehr geben, der die ganzen illegal beschafften und dann – ganz der Pressefreiheit verpflichtet – im Internet veröffentlichten Dokumente lesen kann. Wobei, das gilt es auch zu beachten, sogar Sie und ich, die wir beide leidlich lesen können, auch unsere Probleme mit den jüngst wikileakisierten Zigmillionen Depeschen aller amerikanischen Botschaften weltweit haben würden. Angekündigt wurden ja 250.000 solcher Nachrichten – im Standard gerne als »Cables« bezeichnet, weil im Standard sich niemand mehr an das gute deutsche Wort »Kabel« erinnern kann oder darf –, oder auch 150.000, ich habe das vergessen und aufs Internet als einzige Recherchequelle mag ich mich gerade in Zeiten wie diesen nicht verlassen.

Es ist aber auch vollkommen egal, weil selbst wenn es nur 50.000 wären, würde ich etwa zwei Jahre brauchen, diese (sinnerfassend! – darauf legt nicht nur die OECD Wert) zu lesen; und natürlich sonst überhaupt nichts anderes mehr zu machen. Es wird also, es sei denn, er würde dafür bezahlt (und da findet sich sicher die eine oder andere österreichische, öffentlich finanzierte Institution), niemand wirklich lesen. Geschweige denn interessieren; mit Ausnahme der einen oder anderen wenig subtilen Kritik an dem einen oder anderen regierenden oder wenigstens konservativen Politiker. Trotzdem ist dieser Julian Assange, so was wie ein Chef der durch die Bank anonym agierenden Truppe (Unternehmen?, Verein?) von Wikileaks, der neue Popstar dieses ausgehenden Dezembers 2010. Und wie es sich für einen Popstar gehört, umgibt ihn auch die notwendig verruchte Aura. Das, wir erinnern uns dunkel an die sogenannten »Schwedenfilme«, in allen Statistiken aller internationalen Organisationen immer im Spitzenfeld rangierende Musterland Schweden hat sich doch allen Ernstes erdreistet, einen internationalen Haftbefehl gegen Herrn Assange auszustellen. Und, was jetzt lustig ist, dieses Superland der Statistiken, mit denen vor allem Positivaktivisten der Grünen gerne den Österreichern um alle Ohren wacheln, wird jetzt gerade vom Superaufdecker der Nation, Peter Pilz, etwas relativiert. Verlangt doch dieser, dass Julian Assange in Österreich Asyl erhalten solle. Offenbar traut Pilz der schwedischen Justiz nicht zu, ihren Angeklagten einen auch nur annähernd fairen Prozess zu garantieren.

Wobei in grüner Manier nicht Schweden Schuld anzulasten sei, sondern der Ausgeburt des Bösen diese Rolle zukommt, der Schreckensdiktatur des dritten Jahrtausends, den Vereinigten Staaten von Amerika. Die würden – wohl unter noch nicht an Wikileaks weitergeleiteter und daher geheimer Androhung atomarer Vergeltung – Druck auf die ansonsten dem Freien und Guten verpflichteten Schweden ausüben. Deswegen muss Assange nach Österreich; und sein ganzes Wikileaks gleich mit. Pilz kündigte an, allen grünen Serverplatz für die brisanten Dokumente freizuschaufeln.

Gut, das kann man verstehen, weil sonst irgendeiner das Dokument, einen Notariatsakt, finden könnte, in dem sich die Grünen in Wien gemeinsam mit ÖVP und FPÖ verpflichtet hatten, wie immer die Wiener Wahl ausgehen würde, bei einer rechnerischen Mehrheit ein neues Wahlrecht zu beschließen. Die Wahl ist ausgegangen, die rechnerische Mehrheit (FPÖ, ÖVP und Grün) ist da. Neues Wahlrecht noch keines. Gut, das wird seine guten Gründe haben. Alles muss ich ja nicht verstehen können. Ich verstehe ja auch nicht, warum die weltweite Bloggerszene und mit ihr die coolen linksliberalen Zeitungen so sehr von dieser Wikileaks-Truppe (Sekte?, Spielgemeinschaft?) überzeugt sind. Dieses eben absolut anonym agierende »Kollektiv«, intransparenter kann es gar nicht gehen, soll nach denen der neue Hort der Wahrheit und Wirklichkeit sein? Auch das ist mir unverständlich. Vielleicht aber sehe ich das ja bald auch ganz anders. Vielleicht frage ich meinen Arzt nach den Tabletten, die eine »persönliche Dynamisierung« möglich machen.

Und mit einem wunderbaren Satz von Norbert Darabos möchte ich die heutige und damit letzte Lage des Jahres 2010 beenden. Für mich der Satz des Jahres, wenn nicht Jahrzehnts: »Es muss akzeptiert werden, was am Ende rauskommt.« Meine Lieben, da möchte man einmal in der Ukraine Parlamentarier sein. Ein gesegnetes Weihnachtsfest darf ich Ihnen und Ihrer Familie wünschen, kommen Sie gut ins neue Jahr und bleiben Sie mir treu! Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage #34, Fazit 69 (Jänner 2011)

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