Phonosophicum (März 2011)
Peter Stalder | 10. März 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 70, Phonosophicum
Weniger ist mehr Gerade in ihrer Wahl der Lautsprecher, dem gewichtigsten Glied der Hör-Kette, zeigen sich Audiophile meist kompromisslos und lassen nicht mit sich spaßen. Kleine Kompaktboxen haben im passiven Sektor keinen leichten Stand, weil ihre Membranflächen in der Regel für einen vollen Klanggenuss nicht ausreichen. Physikalisch logisch: denn für ein entsprechendes Volumen braucht es adäquate Membrandurchmesser, die entsprechend viel Luftteilchen in Schwingung versetzen.
Wenn sich aber eine bei High-Endern hoch im Kurs stehende Schmiede wie Pro-Ject (die in der Herstellung von hochwertigen Plattenspielern die weltmarktführende Position innehat) anschickt, ein kompaktes Lautsprechersystem zu entwickeln, welches allen Kriterien audiophilen Hörens gerecht wird, ist man nur noch neugierig. Klasse statt Masse – geht das hier überhaupt? Kann aus so wenig Box so viel mehr herausgeholt werden? Und dies alles noch zu einem Preis von etwas mehr als 200 Euro (pro Paar, versteht sich!)? – Ja, es kann. Und wie!
Gerade mal etwas mehr als acht Liter fasst das Brutto-Volumen dieses Schallwandlers, den Pro-Ject etwas nüchtern „Speaker Box 5“ getauft hat. Doch das Credo des in Wien ansässigen und bei Prag fertigenden Unternehmens lautet seit jeher: „Weniger ist mehr“. Eines der Erfolgsgeheimnisse der Philosophie von Pro-Ject-Gründer Heinz Lichtenegger ist, sich einerseits auf das Wesentliche – nämlich den Klang – zu beschränken und andererseits Käuferschichten anzusprechen, für die High-End unerschwinglich ist, die sich aber eine bestmögliche Performance für ihr Wohnzimmer wünschen.
An der Entwicklung der Speaker 5 legte Lichtenegger vor gut einem Jahr persönlich Hand an. Die Liebe zum Detail und die Sorgfalt für das Ganze ist hier in jedem Kubikzentimeter greifbar. Um das magnetisch abgeschirmte Gehäuse aufzuwerten, wurden die Schallwände mit MDF der höchsten Dichte gefertigt. So konnten Körperschallschwingungen im Keim erstickt und optimale Voraussetzungen für eine druckvolle Wiedergabe geschaffen werden. Den Wirkungsgrad (oder korrekter: Kennschalldruckpegel) beschreibt Lichtenegger mit exzellenten „noch durchaus konservativ gehaltenen“ 86 dB! Ein solcherart beschaffener Wandler gibt sich bekanntlich schon mit wenig Verstärkerleistung zufrieden. Die Speaker 5 eignet sich denn auch für Amp-Partner ab 10 (!) bis 150 Watt.
Ausgelegt ist das Ganze als Zwei-Weg-Bassreflex-System mit einem rückseitigen Bassreflexrohr. Man sollte der Box deshalb ein wenig Wandabstand gewähren. Im Alu-Druckguss-Chassis stecken ein 130-mm-Tiefmittelton-Treiber und ein Hochton-Treiber mit einer 25-mm-Gewebe-Kalotte – alles aus fein selektierten Bauteilen komponiert, versteht sich. Die selbstverständlich vergoldeten Anschlussklemmen zeigen sich auch gegenüber Bananensteckern wohlgesonnen.
Zur aktuellen Box-Design-Serie gehören im Übrigen auch ein CD-Spieler, ein iPod-Dock, ein Kopfhörer-Verstärker, Signalkabel, ein D/A-Wandler sowie diverse Vor- und Endstufen. Alle Gehäuse sind ganz nach dem Motto „Keep it simple!“ minimalistisch designt und mit hochwertigsten Materialien verbaut und verfügen über ein externes Netzteil. Ein Vorteil, der in den Geräten mehr Platz für Wesentliches schafft und obendrein Störungen in der Signalkette minimiert. Natürlich ist die Speaker 5 in erster Linie als kongeniale Spielpartnerin der hauseigenen Box-Design-Vertreter konzipiert. Aber nicht nur: Als schmuckes Regalbox-Duo im Wohnzimmer macht sie auch an jeder A/V-Anlage eine gute Figur.
Mit ihren drei jeweils mit edlem Klavierlack überzogenen Farbvarianten Rot, Schwarz und Weiß ist sie in jedem Fall ein absoluter Blickfang. In Räumen bis maximal 15 m2 entwickelt sie ihre volle Abbildung und spielt wirklich sensationell auf. Das tut sie mit natürlich-lebendiger Musikalität, einem knackigen Bass und fein gezeichneten Höhen.
Fazit: Die Pro-Ject Speaker Box 5 vermag das Beste aus zwei Welten zu vereinen: außergewöhnliche Klangqualität und eine überaus günstige Preisgestaltung. Mein persönliches Aha-Erlebnis dabei: Man kann sehr kompakte und günstige (nicht zu verwechseln mit „billig“!) Lautsprechersysteme bauen und dabei klanglichen Höchstansprüchen genügen. Pro-Ject feiert heuer sein zwanzigstes Firmenjubiläum. Herzliche phonosophische Glückwünsche! Man darf gespannt sein, was die Wiener Klangtüftler in den nächsten zwanzig Jahren noch alles aus dem Hut zaubern.
Phonosophicum #19, Fazit 70 (März 2011)
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