Politicks April 2011
Johannes Tandl | 5. April 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 71, Politicks
Das Sparpaket hat für jeden etwas
Es ist der mutigste Schritt seit Langem, den die steirische Politik mit ihrem Sparpaket geht. Das Wahlergebnis zweier annähernd gleich starker Parteien hat ermöglicht, dass sich SPÖ und ÖVP besinnen und auf einen Sparkurs umschalten. Vielleicht hätte Landeshauptmann Franz Voves ja bereits irgendwann in der letzten Periode auf den „Kurs der Vernunft“, wie er vom damaligen Finanzlandesrat Christian Buchmann immer gefordert wurde, eingelenkt, wenn er von der Volkspartei nicht ständig unter Druck gehalten worden wäre. Vielleicht war es aber gerade dieser Druck, der dazu geführt hat, dass sich die SPÖ dem „Kurs der Vernunft“ angeschlossen hat und heute „kein Blatt Papier“ zwischen Voves und seinem Stellvertreter Hermann Schützenhöfer passt. Anhand von „Einnahmen-Kurvendiskussionen“ versuchten die reformpartnerschaftlichen Landesräte in ihren Pressekonferenzen ein Bild zu vermitteln, in dem es die Wirtschaftskrise war, die für das steirische Budgetloch verantwortlich sei. Das stimmt, wie von Budgetlandesrätin Bettina Vollath auch eingeräumt wurde, nicht einmal ansatzweise, denn die Steiermark konnte schon lange nur mehr mithilfe von Einmalerlägen, also dem Verkauf des Familiensilbers, budgetieren; aber wenn die Krise ein gemeinsames Argument für die neue Einigkeit bietet, sollte das allen recht sein. In Wahrheit war es natürlich der Proporz, der die Prestigeprojekte der roten Seite mit ebensolchen der schwarzen Seite kompensieren ließ. Statt die Businesspläne zu hinterfragen wurde in Fohnsdorf, Maria Zell, Mautern, Rachau und Mariahof in notorische Verlustprojekte investiert.
Dazu kamen Großzügigkeiten im Sozialbereich, die sich eher in der Notwendigkeit begründeten, mächtige SPÖ-Soziallandesräte zu befrieden, als im tatsächlichen Bedarf. Nur so ist es erklärbar, dass die Steiermark fast überall im Sozialwesen – selbst nach der Budgetsanierung – immer noch die großzügigsten Regelungen aller Bundesländer bietet.
Die Sozialsparpläne im Detail
LH-Stv. Soziallandesrat Siegfried Schrittwieser will in den nächsten beiden Jahren 72 Millionen Euro einsparen. Die „Wohnbeihilfe Neu“ wird um rund 24 Millionen Euro pro Jahr, hauptsächlich dadurch, dass nur noch die Hälfte der Betriebskosten angerechnet wird, gekürzt. Außerdem geht Schrittwieser von unglaublichen sieben Millionen Euro (!) jährlich zu Unrecht bezogener Wohnbeihilfe aus, die er mithilfe von schärferen Kontrollen deutlich reduzieren will. Dafür sollen die Leistungen im Behindertenbereich weitgehend erhalten bleiben. Die Tag- und Stundensätze werden jedoch flächendeckend gekürzt, auch die Anteile für Verwaltung, Fortbildung sowie für Vor- und Nachbereitungszeit. So sollen laut Schrittwieser einzelne Behindertenorganisationen Mitarbeiter, die monatlich 1.500 Euro brutto verdienen, in der Vergangenheit mit bis zu 7.000 Euro beim Land abgerechnet haben. Damit ist nun Schluss. Außerdem werden die Zuschüsse für Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie, Logopädie und psychologische Behandlung um ein Fünftel gekürzt. Im Bereich der Jugendwohlfahrt sollen zehn Millionen Euro über die Kürzung von Tag- und Stundensätzen sowie von Zuschüssen gespart werden. Der Kostenzuschuss für Psychotherapie sowie die Sozial- und Lernbetreuung wird gestrichen, weil das Leistungen aus der Gesundheitsversicherung bzw. dem Bildungsbereich seien. Die Pendlerbeihilfe wird ersatzlos gestrichen und im Asylbereich können wahrscheinlich 3,5 Millionen Euro gespart werden, weil die Zahl der Fälle gesunken ist.
Am meisten kann bei den Spitälern geholt werden
Größter Ausgabenfaktor des Landes war und bleibt jedoch der Gesundheitsbereich. Was bis vor Kurzem als rot-schwarzer Spitalskompromiss gegolten hat, war in Wahrheit ein Verschwendungspakt. SPÖ und ÖVP hielten sich gegenseitig in Schach, wenn es darum ging, Sparmaßnahmen zu unterbinden. Und so präsentiert sich die steirische Spitalslandschaft so, als lebten wir in einer Zeit, in der es weder Autobahnen noch moderne Rettungsmittel wie etwa Hubschrauber oder Notarztsysteme gäbe.
Obwohl Landesrätin Kristina Edlinger auch bei ihrer Reform – mit Ausnahme von Hörgas-Enzenbach – an den Standorten festhält, ist es schon ein Riesenfortschritt, dass wenigstens standortübergreifend die Abteilungen zusammengefasst wurden. Mariazell soll auf eine Notfall-Ambulanz reduziert werden. „Gott sei Dank!“ kann man da nur aus Sicht der Patienten sagen. Es soll ja nichts Gefährlicheres geben, als von jemand operiert zu werden, der nicht genau weiß, was er tut, weil er in dem Krankenhaus, das ihn beschäftigt, einfach nicht mit genügend Fällen konfrontiert wird, um die notwendige Berufsroutine zu erlangen. Dennoch protestiert die lokale Politik – und die Interessenvertreter marschieren mit. Dabei ist klar, dass sich die echten Einsparungen im Spitalsbereich nur im LKH Graz, das fast 80 % der steirischen Spitalskosten verursacht, erzielen lassen. Und „Reformpartner“ wissen inzwischen hoffentlich, dass es ein politisches Kleingeldsammeln (wie beim Streit um die unnötige Chirurgie in Bad Aussee) nie mehr geben darf.
Im Bereich der Pflege will das Land die Landespflegeheime in Knittelfeld, Radkersburg, Kindberg und Mautern verkaufen. Die dadurch erzielbaren Einsparungen von 25 Millionen werden aber wohl nur auf dem Papier stehen, denn egal ob die KAGES oder die Bezirks-Sozialhilfeverbände die Heime übernehmen – die Kosten werden innerhalb des Landes verlagert. Insgesamt plant Edlinger in den nächsten beiden Jahren Einsparungen in Höhe von 250 Millionen Euro.
Buchmann will bei Wirtschaft und Kultur rund 39 Millionen sparen
Ambitioniert sind auch die Einsparungspläne von Wirtschafts- und Kulturlandesrat Christian Buchmann. In der Wirtschaft will er die Kompetenzzentren ungeschoren lassen und in erster Linie bei den Strukturen der SFG und der Cluster sowie durch die Schärfung der Förderprogramme sparen. Da neue Arbeitsplätze am Standort Steiermark vor allem durch Exportwachstum entstehen, werden Internationalisierungsprojekte künftig mit Haftungen statt Direktförderungen unterstützt. Noch deutlicher als bei der traditionell niedrig budgetierten Wirtschaft geht es im Kulturbereich zur Sache: Unter dem Motto „Die Großen retten die Kleinen“ müssen die Theaterholding und das Universalmuseum Joanneum Abstriche machen. Die Theaterholding muss rund fünf Mio. Euro einsparen, wobei das vorläufig in erster Linie durch die Auflösung von Rücklagen passiert und die richtig schmerzhaften Einschnitte somit erst nach 2012 folgen werden.
Das Joanneum wird um 4,3 Millionen Euro gekürzt. Dafür bleibt die freie Kulturszene ungeschoren. Die mehrjährigen Förderverträge der 146 regionalen Kulturinstitutionen werden nicht angetastet, was bei den Freien zu großer Erleichterung geführt hat.
Die Unterstützung des „steirischen herbst“ wird auf dem Stand des Jahres 2010 eingefroren. Bluten muss dafür „die Regionale“, das von Kurt Flecker ins Leben gerufene, aber nie richtig in Tritt gekommene regionale Kulturfestival, das die Landesausstellungen abgelöst hat. Gespart wird auch bei der Kulturservicegesellschaft KSG, was bei dieser zur Streichung der Medienpartnerschaft mit der Wochenzeitung „Der Falter“ und dort bereits zu personellen Freisetzungen geführt hat.
Erstmals wird auch im landwirtschaftlichen Bereich gekürzt
Landwirtschaftslandesrat Hans Seitinger will etwa 30 Millionen Euro, das sind 18 Prozent seines disponiblen Budgets einsparen. Zum Ressort gehören die Bereiche Agrar, Veterinär, Wasser- und Abfallwirtschaft, Wohnbau und Gemeindestraßen. Seitinger will zuerst bei der Verwaltung ansetzen. Unangetastet bleiben sollen die EU-kofinanzierte Landesförderungen für Bauern, da sich sonst auch Subventionen von Bund und EU reduzieren würden.
Bildung: Gratiskindergarten bleibt für alle Fünfjährigen
Der geringste Spielraum für Einsparungen besteht laut Landesrätin Elisabeth Großmann bei der Bildung. Dennoch sollen im Doppelbudget insgesamt rund 13 Millionen Euro gespart werden. Die Maßnahmen im Detail: Der Gratiskindergarten wird teilweise zurückgenommen. Alle Fünfjährigen können ihn zwar auch in Zukunft gratis besuchen, für die Jüngeren wird jedoch eine soziale Staffelung zwischen 1.500 und 2.500 Euro eingeführt. Bei einem Haushaltseinkommen unter 1.500 Euro bleibt der Kindergarten also auf jeden Fall gratis. Über 2.500 Euro sind die vollen Beiträge zu zahlen. Neue Standorte der „Neuen Mittelschule“ werden auf sechs der insgesamt zwölf Mehr-Betreuungsstunden je Klasse verzichten müssen. Und zwar auf jene sechs Stunden, die für die bestehenden Standorte bisher vom Land bezahlt wurden. Für die bestehenden Standorte ändert sich nichts. Weitere Einsparungsfelder sieht Großmann im Musikschulwesen und den landwirtschaftlichen Fachschulen. Bei den Pflichtschulen kommt es erst nach einer Gesamtevaluierung zu Einsparungen und möglicherweise Schließungen und Zusammenlegungen.
Verkehr: Kurzmann warnt vor Einsparungen bei der Verkehrsinfrastruktur
Die FPÖ versucht sich überraschenderweise nur teilweise als Opposition zu den rot-schwarzen Reformpartnern und ist grundsätzlich bereit, den Sparkurs mitzutragen. Das Ressort von Verkehrslandesrat Gerhard Kurzmann wird in den nächsten beiden Jahren um 18 Millionen gekürzt. Der FPÖ-Politiker kündigt daher an, Neubauprojekte dramatisch zurückfahren zu müssen. Einzig für die Feinstaubbekämpfung stünden höhere Mittel zur Verfügung. Einer Nahverkehrsabgabe, wie sie KPÖ-Klubchefin Claudia Klimt-Weithaler fordert, erteilt Kurzmann eine Absage, weil die Bürger ohnehin schon viel zu stark belastet seien.
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