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»Allah lässt den Zins dahinschwinden …«

| 25. Mai 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 72, Managementserie

Management-Serie: Ethnic Business

„Allah lässt den Zins dahinschwinden: Verzinsen wird Er aber die Almosen.“ Dieses Zitat aus dem Koran steht für die allgemeinen Werte sowie den Stellenwert der Religion im islamischen Wirtschaftsverständnis, die religiösen, ethischen Verhaltensnormen und deren Einfluss auf den Finanzsektor. Neben dadurch bedingten Einschränkungen bieten sie gleichzeitig Chancen, wenn der kreative Umgang mit den Regeln, eine kundenspezifische Segmentierung und die erforderliche Individualisierung gelingen. Und die Beschäftigung mit dieser Thematik wird immer attraktiver, handelt es sich doch um eine lukrative Nische. Laut einer Studie der Unternehmensberatung AT Kearny verdienen manche muslimische Gruppen in Österreich zwar weniger als Österreicher, ihre Sparquote ist allerdings mehr als doppelt so hoch. Im Großen und Ganzen besteht noch ein Auf- und Nachholbedarf bei Banken hinsichtlich der Abstimmung ihrer Spar- und Anlageprodukte auf muslimische Zielgruppen. Gleichzeitig reagieren immer mehr Banken und bieten maßgeschneiderte Produkte an.

Ethno-Banking Als eine Vorstufe zu Islamic Banking wird manchmal Ethno Banking bzw. Minority Banking bezeichnet, das auf kulturell bedingte Unterschiede im Kaufverhalten fokussiert. Ethno Banking wächst zurzeit in vielen Ländern und liefert nicht wenige Erfolgsgeschichten. Die amerikanische Wells Fargo Bank, zum Beispiel, spezialisiert sich auf die Ansprüche der spanischsprachigen Minderheiten und sichert sich so ihr Wachstum und ihren Wettbewerbsvorteil im US-Bankensektor. Die Deutsche-Bank-Tochter Bankamiz bietet Produkte speziell für Türkisch sprechende Kundinnen und Kunden mittlerweile an fünfzig Standorten in Deutschland an. Das Geschäftsprinzip der Western Union Bank lautet, dass sie jeden willkommen heißt, aus allen Teilen der Welt. Die Bank versteht sich als Teil der kulturellen Diversität und bietet Beratungen in den Sprachen vieler Migrantinnen und Migranten unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Lebensverhältnisse und Ansprüche an.

Von Zinsen und Verboten Die Scharia umfasst das gesamte islamische Recht, inklusive der auf wirtschaftliche Aktivitäten bezogenen Vorgaben. Sie prägt somit auch den Umgang mit finanziellen Angelegenheiten und bildet die Basis für Ver- aber auch Gebote. Zu den am häufigsten in Theorie und Praxis behandelten Charakteristika zählt das Verbot der „Riba“, das Zinsverbot, denn Zinsgeschäfte gelten als moralisch verwerflich. Beispielsweise bei Michael Mahlknecht ist nachzulesen, dass der Islam auf diese Weise der Entstehung von zwei Klassen vorbeugen möchte, die durch Zinswirtschaft begünstigt werden könnte: Reiche ohne realwirtschaftliche Aktivitäten und Arme mit Schulden. Dazu finden sich auch direkt im Koran Verse. Diese und ähnliche Praktiken mögen dem einen oder anderen befremdlich erscheinen. Sie verlieren allerdings an „Exotik“, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass auch das Christentum eine lange Tradition des Zinsverbots hatte. Der Dominikaner, Theologe und Philosoph Thomas von Aquin, beispielsweise, meinte im 13. Jahrhundert, Geld könne kein Geld gebären. Das Christentum fand kreative Lösungen, um das Zinsverbot zu umgehen, übrigens ein Merkmal, das es mit Islamic Banking gemeinsam hat. Christen sahen etwa eine zinsfreie Rückzahlungsfrist für Darlehen vor, die so kurz war, dass es schier unmöglich war, sie einzuhalten. War die Frist – nicht gerade zur Überraschung der Beteiligten – abgelaufen und das Darlehen noch immer nicht zurückgezahlt, wurden die sogenannten Verzugszinsen verlangt. Im Rahmen von Islamic Banking werden ebenso kreativ-pragmatische Lösungen für das „Problem“ des Zinsverbotes gefunden. Banken verlangen in diesen Fällen keine Zinsen, sondern erlauben sich einen eleganten Preisaufschlag.

Weitere Verbote Von vergleichsweise geringerer Bedeutung ist das Verbot von „Gharar“, das heißt von Unsicherheiten, Risiken, Spekulationen. Das inkludiert auch das bewusste Unterschlagen von wesentlichen Informationen zum eigenen Vorteil und soll so zu einem ehrlichen und vertrauenswürdigen Abschluss von Geschäften beitragen. Im Weiteren findet in Islamic Banking auch die Liste der verbotenen bzw. unreinen Güter Berücksichtigung, zu denen Alkohol, Schweinefleisch, Waffen, illegale Drogen und pornografisches Material gehören. Neben den Zinsen wird das Glücksspielverbot an einigen Stellen im Koran erwähnt. Durch dieses Verbot soll schnellem Reichtum auf Kosten anderer vorgebeugt werden, bedeutet doch im Glücksspiel in aller Regel der Gewinn des einen den Verlust des anderen.

Brückenschlag Islamic Banking zeigt im Grunde genommen in der Ausrichtung der Werte viele Gemeinsamkeiten mit anderen Religionen. Die Nähe drückte zum Beispiel der Vatikan dadurch aus, dass der Papst das islamische Finanzsystem aufgrund seiner ethischen Prinzipien lobte. Die Raiffeisenzentralbank hat ihre Wurzeln im Protestantismus und bietet heute den „RZB Islamic Account“ an. Laut Michael Klein war der christliche Glauben das zentrale Motiv der sozialreformerischen Tätigkeiten von Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Das Handeln des „Bankiers der Barmherzigkeit“ basierte auf der Bibel. Er gründete seinen ersten Verein als Reaktion auf die durch die Bauernbefreiung und die beginnende Industrialisierung entstehende Not. Die Landbevölkerung, die bis dato keinerlei Erfahrung mit wirtschaftlicher Eigenständigkeit gemacht hatte, geriet in Abhängigkeit von Wucherern, verschuldete sich zunehmend und verarmte letzten Endes. Parallel dazu wird das Zinsverbot im Koran oft als Wucherverbot ausgelegt.

Banking-Trends 1971 gilt als das Jahr, in dem eine Bank in Ägypten weltweit als erste das Zinsverbot berücksichtigte. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Banken mit Angeboten, die speziell auf die Bedürfnisse ethnischer oder religiöser Zielgruppen zugeschnitten sind, wie beispielsweise die Zveza Bank, die Vakifbank oder Denizbank. Nahm Großbritannien schon früh eine Vorreiterrolle ein, ist heute von insgesamt etwa 300 islamischen Banken in über 40 Ländern die Rede. Der Trend soll in den nächsten Jahren fortgesetzt werden. Die Marktgröße der Islamic-Finance- Industrie wird zwischen 200 und 500 Milliarden US-Dollar geschätzt – Zahlen, die das Angebot sicherlich attraktiver machen.

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Managementserie Ethnic Business, Fazit 72 (Mai 2011)

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