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Politicks Mai 2011

| 25. Mai 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 72, Politicks

Zeit für Gerechtigkeit: noch zwei Jahre bis zur Nationalratswahl
„Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass auch jene, die diese Krise mit verursacht haben, einen gerechten Beitrag zur Beseitigung der Folgen leisten.“ Dieses Zitat von Bundeskanzler Werner Faymann könnte man jederzeit unterschreiben, wenn dahinter nicht das Kalkül stecken würde, die SPÖ mit populistischen Parolen auf Nationalratswahlkurs zu bringen.
Denn weder die österreichischen Banken noch unsere Wirtschaft haben die Krise ausgelöst oder auch nur mit verursacht. Trotzdem werden die einen mit einer Bankenabgabe und die anderen mit einem standortgefährdenden Budgetdefizit gestraft. Am wenigsten können wohl jene für die Krise, die heute noch gar nicht geboren sind. Trotzdem werden sie es sein, die die Hauptlast ihrer Bewältigung zu tragen haben werden. Anstatt den Weg für zukunftsorientierte Politik zu ebnen, macht sich Faymann lieber mit einer  „Tour d’Europe“ lächerlich, um den Ausstieg der EU-Staaten aus der Kernkraft zu fordern. Die monatelange Lähmung der ÖVP kam dem Kanzler dabei ganz zupass. So hatte er eine bequeme Ausrede für den Stillstand. Doch damit ist es nun wohl vorbei. Noch hat die Bundesregierung zwei Jahre Zeit, um zu beweisen, dass Stabilität nicht Stillstand bedeuten muss. Die Themen liegen auf der Hand: Zeit für Gerechtigkeit und zwar für Pensionsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und für Chancengerechtigkeit der Jugend. Was es dazu braucht, sind Reformen wie die Abschaffung der Hacklerregelung, ein neues Lehrerdienstrecht, finanziell gut ausgestattete Universitäten und eine echte Verwaltungsreform

ÖVP-Regierungsteam: Lopatka zurück in Nationalrat
Mit Justizministerin Beatrix Karl wird die Steiermark nur mehr mit einem Mitglied in der Bundesregierung vertreten sein. Der ehemalige Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka kehrt in den Nationalrat zurück und beerbt dort den Regionalabgeordneten Jochen Pack. Beruflich wird der Sozialrechtler Lopatka wohl ebenfalls in den Landesdienst zurückkehren. Den Weg nach Wien verweigert hat ÖVP-Klubobmann Christopher Drexler. VP-Chef Michael Spindelegger hätte seinem steirischen Freund gerne das ÖVP-Generalsekretariat und die inhaltliche Neupositionierung der ÖVP anvertraut. Doch Drexler sieht seine familiäre wie politische Zukunft in der Steiermark, um hier an der Umsetzung der „Reformpartnerschaft“ mitzuwirken.

Finanzlandesrätin Bettina Vollath: Bewährungsprobe bestanden
Zum Auftakt der Budgetverhandlungen im Landtag hat die Finanzlandesrätin mit einer fulminanten Budgetrede überrascht. Dabei hat sie die Ursachen für die finanziellen Kalamitäten der Steiermark nicht nur in der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Steuerpolitik des Bundes gesucht, sondern auch in den völlig aus den Fugen geratenen Ausgaben des Landes  – also von Rot und Schwarz – gefunden. In knapp 40 kurzweiligen Minuten lieferte die SPÖ-Politikerin klare Argumente, warum in allen Bereichen inklusive des für die SPÖ besonders schmerzlichen Sozialbereichs gespart werden muss. Gleichzeitig ließ Bettina Vollath keinen Zweifel daran, dass das, was jetzt geschieht, erst ein kleines Stück des Sanierungspfades abdeckt. In den nächsten Jahren müsse es den „Reformpartnern“ gelingen, die strukturellen Ursachen der Überschuldung zu beseitigen. Dabei erscheint es als immer wahrscheinlicher, dass es SPÖ und ÖVP in dieser Periode möglicherweise nicht mehr schaffen werden, die Neuverschuldung zu stoppen. Doch obwohl die Gesamtverschuldung auch 2011 und 2012 weiter steigen wird, ist deutlich geworden, dass eine Trendumkehr eingeläutet wurde.

Überdauert die Reformpartnerschaft die nächste Landtagswahl?
Landeshauptmann Franz Voves scheint sich in seiner momentanen politischen Rolle als Anführer der Sanierungspartnerschaft äußerst wohl zu fühlen, denn in einem Interview mit der Kronen Zeitung antwortete er auf die  Frage, ob er noch einmal als Spitzenkandidat zur Verfügung stehen werde mit „Sag niemals nie!“.  „Warum denn nicht“, lautete die Antwort von LH-Stv. Hermann Schützenhöfer auf die gleiche Frage. Vielleicht wäre es tatsächlich klug, schon heute über eine Verlängerung der Reformpartnerschaft, über 2015 hinaus, nachzudenken, denn die letzten Wochen haben eindeutig gezeigt, dass nur die beiden Großparteien in der Lage sind, den „Kurs der Vernunft“, wie er von Christian Buchmann schon in der letzten Periode unermüdlich eingefordert wurde, zu halten.

Grüne: Die volkswirtschaftlichen Kosten der Einsparungen werden ignoriert.
Ingrid Lechner-Sonnek, die Klubobfrau der Grünen im steirischen Landtag gilt als echte Expertin für das Behindertenwesen. In einer Pressekonferenz wies sie darauf hin, dass Finanzlandesrätin Vollath offenbar die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Einsparungen im Sozial- und Behindertenbereich völlig außer Acht gelassen habe, als sie ihre Einsparungspotenziale berechnete. Vollath habe ihr auf die Frage nach den volkswirtschaftlichen Kosten geantwortet, dass es unmöglich sei, diese zu berechnen. Daraufhin habe sie sich selbst die Mühe gemacht, ein paar einfache Rechnungen aufzustellen. Dabei sei sie zum Schluss gekommen, dass für den Behindertenbereich das Gleiche gelte wie für den Pflegebereich: Die Aufwendungen in der mobilen Behindertenbetreuung wirken wie ein Multiplikator auf Einsparungen in der stationären Behindertenunterbringung. Das nun vorliegende Sparpaket werde dazu führen, dass zahlreiche mobil betreute Behinderte in den einschlägigen Einrichtungen untergebracht werden müssen. Und zwar zu wesentlich höheren Kosten für die Steuerzahler.

Jagd auf die Lobbyisten (*)
Ausgelöst durch den Fall Strasser, der trotz geltender Unschuldsvermutung tatsächlich ziemlich nach Korruption und damit nach einem Fall für das Kriminal riecht, ist es mit Hannes Jarolim ein zur SPÖ gehörender Freiberufler, der als Zweiter in Verdacht geraten ist, seine parlamentarische Tätigkeit für moralisch verwerfliche Lobbying-Agenden zu missbrauchen. Jarolim hat es nämlich gewagt, das Monopol der mittlerweile privatisierten Staatsdruckerei anzugreifen. Doch was ist daran verwerflich, wenn ein Abgeordneter ein durch nichts begründbares Privileg eines Privatunternehmens bekämpft und als Anwalt gleichzeitig – mit oder ohne Bezahlung – ein Unternehmen vertritt, das ein wirtschaftliches Interesse an der Aufhebung eben dieses Privilegs hat?
Noch verzwickter ist der Fall Kasic: In der Steiermark ist der für die ÖVP im Landtag sitzende Wolfgang Kasic in das Visier von Grünen und Kommunisten geraten, weil der Automatenbetreiber Novomatic um 60.000 bis 78.000 Euro in einem von Kasic herausgegebenen Regionalmedium inseriert haben soll.
Grüne und KPÖ meinen nun, dass sich Novomatic mit diesen Inseraten den nachhaltigen Widerstand gegen die Novelle des Glückspielgesetzes erkauft hat. Dabei ist allgemein bekannt, dass Kasic als Fachgruppenvorsitzender der Automatenbetreiber in der Wirtschaftskammer Steiermark schon allein aufgrund dieser Funktion alles unternehmen muss, um möglichst jeglichen Unbill von dieser Branche fernzuhalten. Was den Fall noch undurchsichtiger macht: Kasic hat im Landtag eine Regelung durchgedrückt, mit der die Automatenbetreiber alles andere als glücklich sind. In Wahrheit also ein sogenannter gut ausgewogener Kompromiss, mit dem sowohl die Gegner als auch die Befürworter des „kleinen Glückspiels“ leben können. Die Existenz eines Vorteils, den Novomatic durch Kasic Tätigkeit im Unterausschuss gehabt haben könnte, ist demnach höchst umstritten.
Während der Fall Strasser „eindeutig“ scheint, ist der Fall Jarolim wahrscheinlich harmlos. Bei Kasic ist das diffiziler, denn er ist immerhin bezahlter Funktionär einer Interessenvertretung und sitzt eigentlich nur deshalb im Landesparlament, weil er neben den Interessen seines Wahlkreises auch jene der Wirtschaft vertritt. Das Gleiche gilt für sämtliche Arbeiterkämmerer und ÖGB-Funktionäre in unseren Parlamenten. Denen pauschal Korruption zu unterstellen, weil sie im Parlament das tun, warum sie dort sitzen – nämlich die Interessen ihrer Arbeitgeber zu vertreten –, ist doch deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Schließlich behauptet auch kein Mensch von der grünen Klubobfrau Ingrid Lechner-Sonnek, korrupt zu sein, nur weil sich ihr Abstimmungsverhalten in Sozial-, Behinderten- und Budgetfragen ziemlich genau mit den Interessen ihres Arbeitgebers „Chance B“ decken dürfte*.

* Erratum! Hier ist uns leider ein Fehler unterlaufen. Johannes Tandl ist irrtümlich davon ausgegangen, dass die grüne Klubchefin Ingrid Lechner-Sonnek bei der Behindertenorganisation „Chance B“ in Gleisdorf beschäftigt ist.  Das stimmt nicht, denn Frau Lechner-Sonnek steht seit 2000 in keinem Arbeitsverhältnis zur „Chance B“. Wir bitten um Entschuldigung. Da der Text in der Printausgabe unseres Magazins so erschienen ist, haben wir dies hier auch so angeführt.

Red-Bull-Ring geht in Betrieb
Nach jahrelangen Bauarbeiten steht das Projekt „Spielberg NEU“ endlich vor der Fertigstellung. Herausgekommen sind eine Formel-1-taugliche Rennstrecke, eine Offroadstrecke sowie eine sensationelle Hotelinfrastruktur für die gesamte Region Aichfeld-Murboden. Nachdem sich Dietrich Mateschitz aufgrund des „Njet“ des Umweltsenats bereits von dem Projekt verabschiedet hatte, war es Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann, der nicht aufgegeben hat, um den verärgerten Bullen wieder  ins Boot zu holen und bei der Umsetzung des Projektes zu begleiten. Selbst als schon niemand mehr etwas über die Dauerbaustelle Spielberg hören konnte, hat Buchmann nicht nachgelassen. Und wenn Dietrich Mateschitz seine 140-Millionen-Investition Mitte Mai feierlich mit 80 Vollarbeitsplätzen und insgesamt 6 Hotels eröffnet, wird das noch nicht den Abschluss des Red-Bull-Engagements bilden. So sind drei weitere Hotels geplant. Das Recht auf die Mitbenützung des Militärflughafens öffnet die Chance auf die Errichtung einer Red-Bull-Air-and-Flight-Academy. Auch die Verlagerung des Red-Bull-Formel-1- Rennstalls nach Spielberg ist in Diskussion.

Politicks, Fazit 72 (Mai 2011)

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