Was missfällt, muss nicht undemokratisch sein
Christian Klepej | 20. Juni 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 73
In einer der letzten Ausgaben des steirischen Nachrichtenmagazins Frontal hat sich dessen Chefredakteur Piotr Dobrowolski gefragt, einen »blödsinnigen Vorschlag« zu machen. Ich befürchte, ich kann seine Frage nicht verneinen.
Dobrowolski dachte darüber nach, Landtage, insbesondere den steirischen, auf die Klubobleute zu reduzieren. Würde doch der Klubzwang jede sinnvolle parlamentarische Diskussion verhindern und damit die – in der Steiermark sind es 56 – Abgeordneten nutzlos machen. Ja geradezu »empört« ist Dobrowolski, dass das Landesparlament zu einer »puren Abstimmungsmaschinerie verkommen sei«.
Er weist auf die diffuse Gefahr hin, dass (nicht näher definierte) »Populisten« darob unser demokratisches System infrage stellen könnten. Und merkt dabei wenig, wie sehr er selbst in der Populismusfalle sitzt. Die Arbeit eines Landesparlamentes nämlich auf die öffentlichen Sitzungen zu beschränken und die Tatsache auszusparen, dass eine Koalitionsregierung (und auf eine solche haben sich SPÖ und ÖVP mit allen Schwierigkeiten des vorhandenen Proporzsystems nun einmal geeinigt) immer dazu genötigt ist, Kompromisse zu entwickeln, ist eine zu einfache Sicht der Dinge.
Die Mandatare der beiden Regierungsparteien diskutieren in Ausschüssen, Unterausschüssen, persönlichen Gesprächen oder Runden mit Experten sehr wohl die anliegenden Themen und Problemstellungen. Und müssen sich, um regieren (sprich: gestalten) zu können, vorab einigen, um dann bei Abstimmungen geschlossen aufzutreten. Nur so ist es möglich, dem demokratischen Auftrag nachzukommen, unser Land zu regieren.
Jetzt kann man sicher drüber nachdenken, wie weit die demokratischen Strukturen verfeinert, nachjustiert, also den aktuellen Anforderungen entsprechend verbessert werden können (Stichwort Mehrheitswahlrecht); den »Klubzwang« aber ständig als »antidemokratischen Gottseibeiuns« zu outen, zeigt lediglich Grenzen des eigenen Horizonts auf. Allgemeinen Trends entsprechend – erst dieser Tage habe ich im Standard gelesen, Wissenschafter (!) hätten vorgeschlagen, man sollte in der Gesundheitsförderung auf das Wort »Verzicht« verzichten –, könnte man ja den Begriff »Klubzwang« in »Gestaltungsoption« ändern. Das würde dann weniger schlimm klingen.
Abschließend darf ich noch bitten, diesen Text nicht als eine bloße Politik(er)verteidigung zu lesen; eher als eine Nachdenkanregung: Vielleicht hat ein Volk nicht nur die Politiker, die es verdient, sondern auch eine entsprechende Medienszene.
Editorial, Fazit 73 (Juni 2011)
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