Tandl macht Schluss!
Johannes Tandl | 23. November 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 77, Schlusspunkt
Die New Yorker „Occupy-Wall-Street-Bewegung“ hat inzwischen weltweit Hunderttausende Nachahmer gefunden. Und möglicherweise sind Proteste gegen die Allmacht der Finanzindustrie tatsächlich der einzige Weg, um dem Druck, den die Lobbys des Bankensektors auf die politischen Entscheidungsträger ausüben, etwas entgegenzusetzen. Die Finanzindustrie konnte in der Vergangenheit nämlich sämtliche Initiativen zur wirksamen Kontrolle und zur Verkleinerung der Finanzkonzerne wirkungsvoll unterbinden. Und so hält sie nun nach 2009 die Steuerzahler bereits zum zweiten Mal in Geiselhaft, nur weil unternehmerische Risiken falsch eingeschätzt wurden.
Wenn die Proteste also einen Sinn haben, dann jenen, dass sie mithelfen, die von den Finanzlobbys eingeschüchterten oder angefütterten politischen Entscheidungsträger auf den richtigen Weg zu führen, damit sie sich endlich trauen, Maßnahmen wie einer Finanztransaktionssteuer, der Zerschlagung systemrelevanter Banken oder einem internationalen Finanzstrafrecht zuzustimmen.
Und so begrüßten nicht nur eventhungrige Jugendliche das Überschwappen der „Occupy-Bewegung“ nach Europa, sondern auch zahlreiche namhafte Wirtschaftswissenschaftler, die sich von der Straße Rückenwind bei der Einführung wirkungsvoller Marktregelungen erhofften.
Doch die europäische Version der Proteste hat anscheinend anderes im Sinn, als den zerstörerischen Gier-Kapitalismus einzudämmen. Auf der Straße sind dieselben altbekannten linken Demonstrierer, die immer da sind, wenn es darum geht, denen da oben etwas wegzunehmen. Und sie werden von den gleichen linken Institutionen unterstützt, die schon bisher keine Ahnung hatten, wie faire Marktbedingungen geschaffen werden können..
In Österreich wurde statt gegen die Reformverweigerung der Regierung für die Einführung von Vermögenssteuern demonstriert. Statt sich gegen die mangelnde Effizienz des Bildungsbereichs und der öffentlichen Verwaltung oder gegen eine populistische Politik, die dazu führen wird, dass unser Pensionssystem in wenigen Jahrzehnten gegen die Wand fahren wird, aufzulehnen, erliegen die „Occupy-Bewegten“ wie schon so oft unerfüllbaren linken Heilsbotschaften, die den Leuten vorzugaukeln versuchen, dass Wohlstand für alle – noch dazu auf Pump – machbar sei. Die europäischen „Occupy-Demonstrationen“ werden bisher schlicht und einfach von der Angst getragen, die eigenen vermeintlich wohlerworbenen Ansprüche des fremdfinanzierten Wohlfahrtsstaates zu verlieren – und das ist kein wirkungsvoller Beitrag, um auch nur irgendeines der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Probleme demokratisch zu lösen.
Die Proteste zeigen vor allem eines: Der gesellschaftliche Dissens schreitet fort; die Ansprüche an die Solidarität der Leistungsträger werden größer und die Anzahl derjenigen, die sich zu den Verlierern des Systems zählen, steigt in gleichem Ausmaß wie die Zahl jener sinkt, die auch nur den Schimmer einer Idee davon haben, wie gesellschaftlicher Wohlstand entsteht – nämlich durch harte Arbeit und Gewinne in den Unternehmen. Österreichisches Zentrum der Proteste am sogenannten „Globalen Aktionstag“ war übrigens die steirische Landeshauptstadt Graz. Und so, wie fast überall in Europa, waren es Kommunisten und Grüne, die auf die Straße gingen, um sich über die soziale Kälte zu empören. Natürlich war auch die sogenannte „Plattform 25“ dabei, die sich im heurigen Frühjahr einen Namen gemacht hat, als sie gegen die steirische Landesregierung protestierte, weil diese nach Jahrzehnten, in denen mehr Geld ausgegeben als eingenommen wurde, endlich einige erste Schritte unternahm, um weitere Kostensteigerungen des Landesbudgets einzudämmen. Und natürlich nutzten auch in Wien sämtliche „übliche Verdächtige“ den Aktionstag, um ihre trotzkistischen, antifaschistischen, propalästinensischen oder maoistischen Fahnen zu schwingen. Auch wenn folgende Botschaft von jenen, für die sie bestimmt ist, aufgrund ihrer Verhetzung nie verstanden werden wird: Wer gegen die Gier protestiert, sollte eigentlich wissen, dass sämtliche sozialistische Experimente, die die Welt bisher gesehen hat, an der Gier der Beteiligten gescheitert sind, und er sollte daher begreifen, dass es keine demokratische Alternative zu einer Marktwirtschaft unter kontrollierten Bedingungen gibt.
Es würde sich lohnen, ähnlich kontrollierten Marktbedingungen, wie sie für die Realwirtschaft gelten, auch in der internationalen Finanzwirtschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Eine „soziale Finanzwirtschaft“ – ohne mörderische Lebensmittelspekulation, Leerverkäufe, Steuerschlupflöcher und Ähnliches – das wär doch was!
Tandl macht Schluss, Fazit 77 (November 2011)
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