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Politicks Dezember 2011

| 19. Dezember 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 78, Politicks

Grillitsch-Rücktritt: Demontage der Steirer-VP geht weiter
Der Rücktritt von Fritz Grillitsch im Bauernbund hat zu Aufregung in der Steirischen Volkspartei geführt, denn der Bedeutungsverlust der Steiermark auf der schwarzen Bundesebene schreitet zügig voran. Die Steirer-VP sieht sich zwar gerne auf Augenhöhe mit den starken VP-Landesorganisationen aus Nieder- und Oberösterreich, doch die Fakten sprechen eine andere Sprache. Mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl ist gerade noch eine Steirerin in einer bedeutsamen Bundesfunktion aktiv. Seit der letzten Wahl haben Martin Bartenstein, Reinhold Lopatka ihre Regierungsämter und Werner Amon seine Funktion als ÖAAB-Generalsekretär verloren.
Der Rücktritt hat den als ehrgeizig bekannten Grillitsch dermaßen mitgenommen, dass er mit Herzproblemen in das Krankenhaus eingeliefert werden musste. Doch sei er, wie der steirische Bauernbund versicherte, bereits auf dem Wege der Besserung. Grillitsch behält jedenfalls sein Nationalratsmandat und bleibt – so es sein Gesundheitszustand zulässt – der Volkspartei als wichtige Personalreserve erhalten. Und das gilt sowohl für die Bundes- als auch für die Landesebene.
Der mit Grillitsch befreundete steirische ÖAAB-Obmann Christopher Drexler sprach wörtlich von „Neid, Missgunst und Intrige“ innerhalb der Bundes-ÖVP und ergänzte, dass man sich nicht wundern dürfe, wenn sich in weiterer Folge auch die beiden Koalitionsparteien der Bundesregierung gegenseitig nicht trauen und daher auch nicht viel weitergehen könne. Drexler lobte in diesem Zusammenhang einmal mehr das partnerschaftliche  Klima innerhalb der steirischen Reformpartnerschaft.

Halbherzige Schuldenbremse
Nachdem einige Wirtschaftsforscher in Erwägung zogen, dass die Ratingagenturen Moodys und Standard & Poor’s den Ausblick des österreichischen Triple-A-Ratings von positiv auf negativ stellen könnten, schossen die Risikoaufschläge für österreichische Staatsanleihen in die Höhe. Und endlich hatte auch die österreichische Bundesregierung realisiert, dass es höchst an der Zeit ist, die ausufernden Schulden einzufangen. Denn die wenig ambitionierten Sparziele der Politik ergeben gemeinsam mit der schwächelnde Konjunktur, dem Abwertungsbedarf der heimischen Banken, den Haftungen im Zuge der Euro-Rettung sowie den in Sondergesellschaften ausgelagerten Staatsschulden der ÖBB und der Asfinag, ein Bild des österreichischen Staatshaushaltes, das nur einen negativen Ausblick zulässt. Da hilft es wenig, dass die meisten anderen Euro-Staaten – mit Ausnahme Deutschlands – noch schlechter dastehen als Österreich. Der Reformstau der Bundespolitik hat dazu geführt, dass selbst im nächsten Jahr, das auf Basis der Hochkonjunktur des Jahres 2011 budgetiert wurde, unglaubliche 9,2 Milliarden oder 3,7 Prozent des BIP neue Schulden gemacht werden.
Selbst einfach zu bewerkstelligende Maßnahmen wie das Schließen des Fluchttors „Hacklerpension“ für ruhestandswillige Beamte waren Bundeskanzler Werner Faymann nicht abzuringen. Und die vor sich hin schwächelnde ÖVP mit ihrem Parteiobmann Michael Spindelegger, der trotz seines ziemlich ratlos erscheinenden SPÖ-Gegenübers nicht und nicht aus seinem Popularitätstief kommt, hatte auch nicht den Mut, die Fortführung der Schuldenpolitik zu verhindern. Dass die sogenannte verbindliche Schuldenbremse erst im Jahr 2013 zu greifen beginnen soll, versteht sich angesichts der handelnden Personen von selbst. Wer jetzt meint, das sei doch besser als nichts, hat vermutlich recht, doch eines ist klar: Was Politiker beschließen, können sie mit gleicher Mehrheit auch wieder aufheben.

Voves und Schützenhöfer: Nimmt sich die Republik die Steiermark als Vorbild?
Dem steirischen Landeshauptmann Franz Voves und seinem Vize Hermann Schützenhöfer war immer klar, dass sie mit ihrer Sparpolitik keinen Beliebtheitspreis gewinnen werden. Am Anfang wurden die beiden zwar noch als Ankündigungspolitiker belächelt, doch als die tatsächlichen Sparmaßnahmen präsentiert wurden, schlug die Stimmung um. Die Gewerkschaft trieb Tausende Menschen auf die Straßen und auch die Boulevard-Medien schlossen sich der Widerstandshaltung gegen die Sparmaßnahmen an.
Heute – nur ein halbes Jahr später – hat die Stimmung neuerlich gedreht. Angesichts der Schuldenkrise gelten Voves und Schützenhöfer inzwischen als Reformpioniere, die mit ihrem vermeintlichen Schuldenstopp bereits zu einem Zeitpunkt gegen den Strom geschwommen sind, als das sonst noch kein großes Thema war. Dennoch schafft es die Steiermark trotz großer Anstrengungen noch lange nicht, ausgeglichen zu budgetieren. In den steirischen Sparbudgets für 2011 und 2012 ist eine weitere Neuverschuldung von rund 800 Millionen Euro vorgesehen. Ohne Reformpartnerschaft würde diese jedoch auf über 1,3 Milliarden explodieren.

Gemeindereform: Massive Ablehnung in Hartberg
Nicht so glatt läuft die Reformpartnerschaft bei der Gemeindestrukturreform. Die eindeutige Ablehnung von Gemeindefusionen in der Kleinregion Kaindorf im Bezirk Hartberg hat es bis in die ZIB geschafft und bundesweit für Aufsehen gesorgt. Wer glaubt, dass sich Franz Voves und Hermann Schützenhöfer von einer Volksbefragung unter gerade einmal einem Prozent der Wahlberechtigten abbringen lassen, ihr Reformwerk fortzusetzen, wird sich täuschen. Dennoch werden die Beiden darüber nachdenken, wie es ihnen gelingen kann, die Bevölkerung besser in das Reformwerk einzubinden. Ein möglicher Königsweg liegt auf der Hand, denn der Umstand, dass teure kommunale Entwicklungsprojekte ohne enge Regionalkooperationen undenkbar geworden sind, steht gerade in der Ökoregion Kaindorf außer Streit. Im Gegenzug müsste den in Bürokratie erprobten Landesbeamten eigentlich klar sein, dass die Verwaltung durch die Schaffung größerer Einheiten mit Sicherheit teurer und nicht günstiger wird. Das Ziel der Gemeindereform sollte daher dahingehend konkretisiert werden, die strukturellen Defizitquellen in den Kommunen zu bekämpfen. Dazu muss einerseits schlecht ausgelastete Freizeitinfrastruktur geschlossen oder privatisiert werden. In einem weiteren Schritt könnten zahlreiche kommunale Aufgaben, von der Kinderbetreuung bis zur Abfallwirtschaft, von der Gemeinde hin zur Kleinregion delegiert werden.

Bildungsvolksgehrensflop: ÖVP sieht sich bestätigt
„Das nun vorliegende Endergebnis des Bildungsvolksbegehrens zeigt, dass die Mehrheit in Österreich weder die Gesamtschule noch die verpflichtende Ganztagesschule will. Damit bestätigt sich die Position der ÖVP“, so ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch in einer Presseaussendung . Jetzt kann man von den unterschiedlichen Punkten des Volksbegehrens und auch von seinem Initiator halten, was man will – dieses Triumphgeheul hat Hannes Androsch nicht verdient, denn seine Redlichkeit bei der Einbringung des Bildungsvolksbegehrens steht außer Streit.
Die Ganztagsschule ist tatsächlich überall außer bei einigen Betonköpfen in der Lehrergewerkschaft, die glauben, ihren Mitgliedern Halbtagesjobs bei Ganztagesbezahlung erhalten zu müssen, und möglichweise im ÖVP-Generalsekretariat unumstritten. Dabei haben auch die meisten Lehrer längst erkannt, dass das Bildungssystem nicht nur an den Interessen der Wirtschaft, sondern auch an der Entfaltung der persönlichen Talente vieler Jugendlichen vorbei produziert.
Solange jährlich Tausende Jugendliche mit oder ohne Migrationshintergrund, aber jedenfalls ohne Abschluss und damit ohne Chance auf eine berufliche, aber auch persönliche Entwicklung die Schulen verlassen, ist die Lage besorgniserregend. Nur weil es Eltern gibt, die entweder den Wert von Bildung nicht richtig einschätzen können oder mit den Anforderungen eines für sie fremdsprachigen Schulsystems überfordert sind, dürfen doch Tausende Jugendliche nicht aufgegeben und zu einer Karriere als Mindestsicherungsempfänger gezwungen werden.
Wenn selbst ein brennendes Thema wie das Bildungssystem die Bürger nicht aktiviert, sollte man vielleicht über das Instrument des Volksbegehrens nachdenken. Vielleicht sollte ab einer gewissen Unterschriftenzahl tatsächlich eine zwingende Volksabstimmung folgen, denn derzeit sieht es wie folgt aus: Weil es nichts nützt, werden Volksbegehren nicht unterschrieben. Weil Volksbegehren nicht unterschrieben werden, nützen sie nichts.

Wirtschaftsbund: Große Mehrheit für Buchmann
Mit Spannung war die Landesgruppenkonferenz des steirischen Wirtschaftsbundes in Bad Radkersburg erwartet worden. In den letzten Jahren hatte Landesobmann Christian Buchmann dem VP-Wirtschaftsflügel auch personell seinen Stempel aufgedrückt. Nach der WK-Wahl im Jahr 2010, bei welcher der WB nie zuvor erreichte 76 Prozent Zustimmung erringen konnte, dauerte es nicht lange bis interne Auseinandersetzungen einsetzten. Josef Herk folgte auf Ulfried Hainzl als WK-Präsident, Regina Friedrich trat aus dem WK-Präsidium zurück und auch die Industriellenvereinigung zeigte sich unzufrieden. Mit Ausnahme des WB-Obmanns von Graz Umgebung, Josef Eibinger, wagten sich Buchmanns Kritiker jedoch in Bad Radkersburg nicht aus der Deckung. Bei der Landesgruppenversammlung zerplatzte die angekündigte Revolte daher wie eine Seifenblase. Eibinger scheiterte mit seinem Versuch, einen Gegenwahlvorschlag aufzustellen. Stattdessen versuchte er Buchmann mit skurrilen Vorwürfen aus dessen Privatleben anzuschütten. Das Ergebnis der Farce waren 94,3 Prozent Zustimmung für Buchmann. Damit bleiben die schwarzen Unternehmer eine starke Stimme der Wirtschaft innerhalb der Steirischen Volkspartei.

Politicks, Fazit 78 (Dezember 2011)

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