Politicks Jänner 2012
Johannes Tandl | 22. Dezember 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 79, Politicks
Bundesbudget: Zeit des Erwachens
„Wir sind sparsam, steigern die Effizienz in der Verwaltung und investieren gleichzeitig in die Zukunft“, behauptete Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am 19. Oktober nach der Budgetpräsentation im Ministerrat und versuchte so darüber hinwegzutäuschen, dass die Regierung angesichts der Schuldenkrise im Euroland, den Kopf in den Sand steckt.
Wer sich damals über das für 2012 geplante Defizit von unglaublichen 9,2 Milliarden Euro wunderte, wurde vom Bundeskanzler mit folgender Aussage vertröstet: „Wir wollen weder Sozialabbau noch Reduktion im Bildungswesen. Hauptthema ist, wie man die Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig die Haushalte sanieren kann. Damit können wir ein Vorbild in Europa sein.“ Eine Antwort darauf, was eine Defizitausweitung um 3,2 Prozent nach einem Hochkonjunkturjahr mit Haushaltssanierung zu tun haben soll, blieb der Bundeskanzler freilich schuldig und auch seinem, wie meist unglücklich agierenden, VP-Gegenüber, Vizekanzler Michael Spindelegger, fiel nichts Besseres ein, als das vorbildliche Klima, das bei den Budgetverhandlungen geherrscht habe, zu loben.
Was da wohl im Vorfeld des letzten EU-Gipfels Anfang Dezember passiert sein mag? Jedenfalls war unser dauerlächelnder Bundeskanzler nach seinem Gespräch mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nicht wiederzuerkennen. Auf einmal trat er als Befürworter der Fiskalunion auf den Plan und nach dem Gipfel war auf einmal klar, dass das österreichische Budget für 2012 aufgeschnürt werden muss, um weitere eineinhalb Milliarden zu suchen– sowohl auf der Ausgabe- als auch auf der Einnahmeseite.
Und auch die Finanzministerin will auf einmal neuen Mut zum Sparen gefunden haben: „1,5 Milliarden Einsparungen sind zu wenig. Wir werden weit über zwei Milliarden brauchen“, sagte Maria Fekter (ÖVP) am 13. Dezember beim ersten Ministerrat nach dem EU-Gipfel und verwies auf den Beamtengehaltsabschluss sowie auf Kyoto-Strafzahlungen, die auf uns zukommen würden. Dabei sind zumindest die Kyoto-Strafen längst bekannt. Und wenn Fekter wirklich mutig wäre, würde sie angesichts der steigenden Zinsen für österreichische Schuldtitel den Beamtenabschluss wegen Unfinanzierbarkeit wohl noch einmal aufschnüren.
Nulllohnrunde auch für Gemeindebedienstete
Wenigstens in der Steiermark gehen die Uhren anders. Da kam eigens aus Wien der Vorsitzende der mächtigen Gemeindebediensteten-Gewerkschaft Alexander Meidlinger angereist, um seinen steirischen Funktionären beim Kampf um die Übernahme des Bundesbeamtenabschlusses zur Seite zu stehen, um dann jedoch eine vollständige Pleite zu erleben. Statt einer Gehaltserhöhung kündigten Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und sein Vize Hermann Schützenhöfer (ÖVP) eine Besoldungsreform für Gemeindebedienstete an. Im Zuge dieser Besoldungsreform, in die – ähnlich wie bei jener für die Landesbediensteten – die Arbeitnehmervertretung voll eingebunden werden soll, werden den Gemeindebediensteten vermutlich höhere Einstiegsgehälter und schnellere Vorrückungen in Aussicht gestellt. Im Gegenzug werden sie jedoch ihre vielfach vom Rechnungshof kritisierten Pensionsprivilegien (Ruhestand ab 60, sehr kurze Durchrechnungszeiträume) aufgeben müssen.
Voves und Schützenhöfer hatten, was die Gemeindebediensteten angeht, keine Spielräume, denn zuvor hatten die Landes-, aber auch KAGES-Personalvertreter der Nulllohnrunde nur zugestimmt, wenn sie für Land, Gemeinden und Krankenanstalten gelten würde. Allein bei der KAGES bringt der Verzicht auf Gehaltserhöhungen jährlich Einsparungen von 15 Millionen Euro.
Dass die Gewerkschaft nun klagen will, weil formal weder Voves noch Schützenhöfer und auch nicht der Landtag für die Gehälter der Gemeindebediensteten zuständig sind, ist zwar verständlich, wird jedoch nichts ändern. Denn Politikern, die Handlungsfähigkeit beweisen, steht auch die berühmte „normative Kraft des Faktischen“ zur Seite.
Fast-Food-Verbot: Edlinger-Ploder provoziert
Mit ihrer Initiative, Fast Food aus Schulbuffets und -kantinen zu verbannen, erntet Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) breiten Applaus bei Eltern, Ärzten, Ernährungswissenschaftlern und Lehrern: „Wir haben genug Wissen und Papiere zum Thema ,gesunde Ernährung‘ angehäuft, es ist Zeit, zu handeln, wo wir selbst Verantwortung tragen“, begründet Edlinger-Ploder ihren Vorstoß, wobei sie klarstellt, dass richtige Ernährung primär eine Aufgabe der Erziehungsberechtigten bleiben müsse. Es sei ihr aber nicht unrecht, dass die derzeitige Diskussion unter dem reißerischen Titel „Fast-Food-Verbot“ an Schulen laufe, weil dadurch erst die breite Aufmerksamkeit erregt wurde. Edlinger-Ploder geht es aber nicht um ein Produktverbot, sondern um eine Angebotssteuerung auf Basis von Nahrungsmittelqualität und Inhaltsstoffen. Widerspruch kommt hingegen vom Kärntner Bildungsreferenten LH-Stv. Uwe Scheuch (FPÖ): „Von einem generellen Fast-Food-Verbot an Schulen halte ich nichts. Viel gescheiter wären bewusstseinsbildende Maßnahmen.“ Allein schon die Qualifizierung von Nahrungsmitteln als Fast Food sei in seinen Augen schwierig. Er könne sich jedoch vorstellen, dass man in den Schulkantinen mehr Wert auf gesunde, heimische Lebensmittel legt.
Grazer SPÖ: Grossmann folgt Müller als Stadtrat nach
Michael Grossmann (SPÖ) beerbt den glücklosen Edmund Müller (SPÖ) als Grazer Kultur- und Gesundheitsstadtrat. ÖVP, SPÖ, Grüne und KPÖ stimmten im Gemeinderat für Grossmann, FPÖ und BZÖ waren dagegen. Der 45-Jährige will als erste Arbeitsschritte den Dialog mit den Kulturschaffenden aufnehmen sowie Schwerpunkte im Bereich der Gesundheitsprävention setzen. Grossmann ist gebürtiger Obersteirer und war Bundesvorsitzender der Jungen Generation. Er war von 2004 bis 2010 Büroleiter des EU-Abgeordneten Jörg Leichtfried (SPÖ). Zuletzt war er als Unternehmensberater selbstständig tätig und Leiter des Renner-Institutes der Steiermark sowie Landesgeschäftsführer der Bildungsorganisation der SPÖ. Gemeinsam mit der Grazer SPÖ-Vorsitzenden, Stadträtin Martina Schröck, hat Grossman nun ein Jahr Zeit, die ehemalige Bürgermeisterpartei auf die Gemeinderatswahl vorzubereiten und nach zahlreichen Personalwechseln vor dem Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu bewahren. So ist Michael Grossmann nach Wolfgang Riedler, Karl-Heinz Herper und Edmund Müller bereits der vierte Kultur- und Gesundheitsstadtrat, den die SPÖ in dieser Periode auf diese Funktion setzt.
Globalbudgets: Vollath will mehr Transparenz bei Mittelverwendung
Die Mitglieder der steirischen Landesregierung sollen künftig nachweisen, wie sinnvoll sie ihre Ressortbudgets eingesetzt haben. SPÖ und ÖVP vereinbarten eine Budgetreform, die nach der nächsten Landtagswahl im Jahr 2015 in Kraft treten soll.
Geht es nach Finanzlandesrätin Bettina Vollath (SPÖ), wird sich die Budgetierung des Landeshaushaltes in den nächsten Jahren dramatisch ändern. In Zukunft soll es sogenannte Globalbudgets für die einzelnen Ressorts geben. Vollath strebt damit mehr Eigenverantwortung auf der Regierungsbank an: „Man kann es vielleicht ganz salopp so umreißen, dass jedes Regierungsmitglied ein bisschen sein eigener Finanzlandesrat, seine eigene Finanzlandesrätin sein wird.“
Statt in einem kameralistischen Budgetentwurf einzelne Haushaltsstellen zu bedecken und die Zahlungsströme in einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung als Zu- und Abströme einzelner Haushaltstitel zu erfassen, soll auf ein Doppik-System umgestellt werden. Vereinfacht gesagt wird das Land dadurch zum Bilanzierer. In den Voranschlägen werden daher nicht mehr nur die Zahlungsströme abgebildet, sondern erstmals auch das bewertete Vermögen. Erstmals werden also auch Abschreibungen und Wertminderungen abgebildet, was insgesamt für eine bessere Transparenz der Haushaltsentwürfe und Abschlüsse sorgen soll. Während in Österreich die Kameralistik vorherrscht, wird etwa der Schweizer Bundeshaushalt bereits als Doppik geführt.
Anstelle des in Unternehmen vorherrschenden Profitzieles, das im Bereich der öffentlichen Hand klarerweise keine Rolle spielt, sollen die ressortverantwortlichen Landesräte in der Steiermark angewiesen werden, fünf Ziele zu definieren, die sie mit den ihnen zugewiesenen Mitteln erreichen wollen. Innerhalb ihres Ressorts können die Landesregierungsmitglieder in Zukunft selbst bestimmen, wie viel Geld wofür ausgegeben werden soll.
Reichensteuer: ÖVP auf dem Weg zur zweiten sozialdemokratischen Partei
Wie die Tageszeitung „Die Presse“ berichtet, ist die ÖVP in Bezug auf vermögensbezogene Steuern umgefallen. So soll ein neuer Spitzensteuersatz von 55 Prozent für Jahreseinkommen über 300.000 Euro bereits ausgemachte Sache sein. Außerdem denkt die Koalition an eine Erhöhung der Kapitalertragssteuer auf 27,5 Prozent und der Widerstand gegen eine Umwidmungsabgabe schwindet. Dass diese Abgaben dem Wirtschaftsstandort schaden, scheint den Schwarzen nicht bewusst zu sein. Seltsamerweise weigert sich die ÖVP ausgerechnet der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer zuzustimmen – einer Abgabe, die aus Gründen der Einkommensgerechtigkeit unter Experten eigentlich unumstritten ist. Ob die Grünen, von denen die Erbschaftssteuer zur expliziten Bedingung für die Schuldenbremse erhoben wurde, die Regierung bei der Umsetzung der EU-Gipfelbeschlüsse unterstützen werden, ist dennoch fraglich.
Dabei liegt Österreich mit einer Abgabenquote von 43 Prozent schon jetzt deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone mit 39 Prozent.
Politicks, Fazit 79 (Jänner 2012)
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