Thurm macht Schluss!
Michael Thurm | 18. Dezember 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 78, Schlusspunkt
Es liegt schon im Namen: Übergangsregierungen übergehen. Sie bilden nicht nur den Übergang zwischen der einen gescheiterten und der folgenden, noch zu wählenden Regierung. Sie übergehen auch den verfassungsmäßig gesetzten Souverän: das Volk. Sie werden von Staatspräsidenten eingesetzt und von einem, meist handlungsunfähigen, Parlament gebilligt.
In Griechenland gibt es seit wenigen Wochen eine solche Übergangsregierung. Sie ist der Ersatz für die abgesagte Volksabstimmung. In Italien wird mit Mario Monti der Wunschkandidat des Staatspräsidenten eingesetzt, der sich dann recht flott eine Regierung zusammenstellt, die vor allem deswegen gefeiert wird, weil darin kein einziger Politiker vertreten ist. Und in Belgien zeigt sich seit Juli 2010, dass Übergangsregierungen durchaus reibungslos die Geschäfte eines Staates führen können. Vor allem wenn der abgewählte Premierminister Yves Leterme einfach den Vorsitz dieser Interims-Regierung übernimmt. Mit Ende des Jahres wechselt er nun an die Spitze der OECD. Nicht, weil Volk oder Gesetz ihn dazu zwingen, sondern weil er es so entschieden hat.
Diese Übergangsregierungen haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Normalfall einer gewählten Regierung: Sie wollen nicht wiedergewählt werden. Bisher zumindest hat keiner der Übergangsregierer Ambitionen erkennen lassen, sich einer Wahl zu stellen und sein Amt über die Krise hinaus zu bekleiden. Die Ersatz-Staatschefs sind daher nicht auf das unbedingte Wohlwollen des Volkes angewiesen und dadurch freier in ihren politischen Entscheidungen. Gerade deshalb werden sie auch vom eigenen, obwohl um das Wahlrecht betrogenen, Volk akzeptiert.
Aber was heißt das? Wenn halbdemokratisch eingesetzte Regierungen eine bessere Regierungsarbeit leisten als gewählte, sollte dann nicht die Übergangsregierung zum Normalfall, und die Macht der Staatspräsidenten, die eine solche Regierung einsetzen können, gestärkt werden? Damit haben vor allem die Deutschen Erfahrung, die ihre Wirtschaftskrise von 1929 (die auch damals von einer massiven politischen Krise begleitet war) nach vier Jahren nur noch lösen konnten, indem der damalige Präsident Paul von Hindenburg eine neue Regierung einsetzte. Den wirtschaftlichen Aufschwung, den Deutschland anschließend erlebte, verdankte es allerdings vor allem den Kriegsvorbereitungen, die der so an die Macht gekommene Kanzler Adolf Hitler begonnen hatte. Nun muss man nicht den schlimmsten anzunehmenden Fall einer Übergangsregierung ins 21. Jahrhundert transportieren, aber über die Legitimation einer wachsenden Zahl von sogenannten Expertenregierungen muss zumindest debattiert werden. Auch ich bin mir keinesfalls sicher, ob ich lieber eine gute Regierung ohne Legitimation, oder eine schlechte Regierung nach Volkes Willen haben will.
Und Österreich ist vor dieser Entscheidung keineswegs gefeit. Das Verhältnis der Bundes-Koalition ist bei weitem nicht so gut, dass ihre Zusammenarbeit bis 2013 gesichert ist. Und trotz der feierlich verkündeten „Schuldenbremse“ wurde anschließend gegen österreichische Staatsanleihen spekuliert. Wie lange würde sich wohl eine Regierung Faymann im Amt halten können, wenn aus dem symbolischen Rating AAA ein Buchstabe verändert werden würde? Nur weil es um Frankreich noch schlimmer steht und dort mehr zu holen ist, konzentriert sich die Mehrheit der Anleger derzeit lieber auf die Grande Nation.
Halten sich die Deutschen weiter an ihr Paradigma „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, dann können wir uns schon jetzt überlegen, welche Experten in Österreich und auf europäischer Ebene eine Übergangsregierung bilden sollten. Und ob deren Absegnung durch das österreichische Parlament eine ausreichende Legitimation wäre. Denn diese Regierung hätte dann ihren einzigen Zweck darin, jene notwendigen Schritte umzusetzen (Renten-, Verfassungs- und Steuerreform), die längst überfällig sind. Denn nur wenn dies getan wird, kann der Übergang in eine Post-Schulden-Ära gelingen.
Thurm macht Schluss, Fazit 78 (Dezember 2011)
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