Zum Krieg gezwungen
Michael Thurm | 19. Dezember 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 78, Fazitgespräch
Aviv Shir-On spricht mit einer Stimme, die seine Herkunft spiegelt: Deutsch, die Sprache seiner Mutter, beherrscht er fließend und akzentuiert es immer wieder mit dem Humor des Jüdischen. Doch so freundlich der Ton, so schwer wiegen die Themen über die der israelische Botschafter in Österreich spricht. Die Kritik an Israel wächst auch hierzulande und die Schwierigkeiten im Konflikt mit den Palästinensern werden nach 60 Jahren nicht weniger. Jetzt wollen die Palästinenser von der Uno als Staat anerkannt werden.
Das Gespräch führte Michael Thurm.
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Herr Botschafter, durch den Antrag des Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas auf Aufnahme in die Vereinten Nationen (Uno) ist wieder Bewegung in den Nahost-Konflikt gekommen. Ist nicht zumindest diese Bewegung auch von der israelischen Seite zu begrüßen?
Nicht in diesem Fall. Die Bewegung geht hier in die falsche Richtung, denn wir alle, die Israelis, die Uno und die gemäßigten Palästinenser sprechen von einer Zwei-Staaten-Lösung. Diese Lösung besteht aber zuerst darin, den Konflikt zu lösen, und dann soll es einen unabhängigen palästinensischen Staat geben. So wie es schon 1947 in der Resolution der Vereinten Nationen vorgesehen wurde. Die Juden haben es akzeptiert und die gesamte arabische Welt hat es abgelehnt. Das ist die Tragödie der Palästi-
nenser. Sie wurden von ihren arabischen Brüdern irregeführt, die dann versucht haben, Israel auszulöschen. Seitdem haben wir Krieg. Schon damals hat man als Lösung des Konflikts zwei Staaten vorgesehen. Jetzt versuchen die Palästinenser aber, einen Staat auszurufen und die Vorteile zu bekommen, die man als anerkannter Staat hat, ohne den Konflikt vorher zu lösen, ohne mit Israel zu verhandeln und ohne Frieden zu schließen.
Israel will erst den Frieden und dann den palästinensischen Staat, die Palästinenser wollen erst den Staat und dann Frieden?
Wir sind bereit, das auch gleichzeitig zu machen. Aber wir wollen keinen palästinensischen Staat, wenn der Konflikt noch nicht gelöst ist. Das haben wir schon im Jahr 2000 erlebt, als die Verhandlungen praktisch alle großen Fragen berührt haben, und es gab die Hoffnung, dass Frieden geschlossen wird und alle Forderungen eingestellt werden. Aber damals war Jassir Arafat, der damalige Präsident der Palästinenser, nicht bereit, das zu unterschreiben.
Ein Problem in diesem Konflikt ist, dass vor allem die Palästinenser so gespalten sind. Die Partei Fatah und ihre Dachorganisation, die PLO, erkennen Israel an, während die Hamas Israel immer noch vernichten will.
Richtig. Und bevor dieses interne Problem der Palästinenser nicht gelöst wird, werden wir keine Konzessionen machen. Wir sind bereit, einen Preis für den Frieden zu zahlen, aber wird sind nicht bereit, selber der Preis zu sein.
Warum ist es nicht besser, gemeinsam mit den Vereinten Nationen und der PLO einen palästinensischen Staat anzuerkennen und durch die Zusammenarbeit von diesem Staat und den UN gegen Terror und Hamas vorzugehen?
Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass die Sache viel komplizierter ist. Wir haben 2005 den Gazastreifen verlassen und alle Siedlungen dort abgebaut. Wir haben gedacht, wir leisten einen Beitrag für Frieden und Koexistenz und sind bereit, Siedlungen auch wieder abzubauen. Aber was haben wir bekommen? Raketen! Wir werden permanent aus dem Gazastreifen angegriffen und wollen sicher sein, dass sich das mit dem Westjordanland nicht wiederholt. Deshalb muss die Angelegenheit von Fatah und Hamas erst geregelt werden.
Sehen Sie das als eine allein innerpalästinensische Angelegenheit?
Ja, auch wenn das nur eine Seite der Medaille ist. Die andere Seite ist die: Wenn wir angegriffen werden, schlagen wir zurück. Da ist völlig wurscht, wie es um das Verhältnis von Fatah und Hamas steht. Wenn die internationale Gemeinschaft etwas tun könnte, um die Hamas von der extremistischen Linie abzubringen, wäre das gut. Aber bei Raketenangriffen gegen Israel tut die internationale Gemeinschaft überhaupt nichts. Wenn wir jedoch zurückschlagen, werden wir als Kriegsverbrecher verurteilt.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat auf die Aufnahme der Palästinenser in die Unesco reagiert, indem er den Bau von 2.000 neuen Wohnungen im Westjordanland angekündigt hat. Ist dieses reaktionäre Schaffen von Tatsachen nicht ein großes Problem?
Nein, überhaupt nicht. Die Siedlungen sind zwar ein Problem, aber sie sind nicht der Grund für den Konflikt. Es gab keinen Frieden vor den Siedlungen und es gibt jetzt keinen. Wenn jemand die Siedlungen zur Bedingung für die Verhandlungen macht, schafft er damit künstliche Hindernisse. Wir haben in der Vergangenheit auch gefordert, dass der Terror und die Bombenangriffe gestoppt werden, und das ist viel plausibler. Aber Abu Mazen (palästinensisch für Mahmud Abbas; Anm.) ist nicht in der Lage, das zu liefern. Also stellen wir diese Forderung nicht. Aber er fordert Dinge, die auch bei uns in Israel umstritten sind, und er macht das nur, um die Verhandlungen zu umgehen. Denn er weiß, dass auch die Palästinenser große Konzessionen machen müssten. Mit dem Antrag bei der Uno versuchen sie, alle diese Schwierigkeiten zu umgehen, die solche Verhandlungen mit sich bringen.
Die Aufnahme in die Uno ist noch nicht erfolgt, aber die Palästinenser wurden von der UN-Unterorganisation Unesco aufgenommen – mit der Zustimmung von Österreich. Wussten Sie von der österreichischen Haltung?
Im Standard gab es einen Kommentar, der dieses Abstimmungsverhalten als „leere Geste mit bösen Folgen“ bezeichnet hat. Wenn ein österreichischer Kommentator so schreibt, muss der israelische Botschafter nicht mehr viel hinzufügen. Das ist eine Blamage für all jene, die dafür gestimmt haben, weil es zeigt, dass sie nicht wissen, worum es geht. Gerade in Sachen der Kultur, für die die Unesco zuständig ist: In den Schulen der Palästinenser wird Hass gegen Juden und gegen Israel geschürt. Die Kinder lernen Geografie und Israel existiert nicht auf den Landkarten der Schulbücher.
Steckt hinter der Aufnahme in die Unesco nicht die Hoffnung, dass durch eine Integration der Palästinenser in internationale Organisationen der positive Einfluss steigt und gerade durch die Aktivitäten der Unesco solche Probleme, wie mit den Schulbüchern, gelöst werden können?
Diese Vermutung hatten wir und viele andere in der Vergangenheit mit vielen Organisationen. Was die arabische Welt angeht, war es leider nie der Fall. Gaddafi war Vorsitzender des Menschenrechtsrats in Genf – ist es da ein Wunder, dass dort anti-israelische Resolutionen verabschiedet wurden? Gaddafi und sein Sohn haben von der London School of Economics einen Ehrendoktor-Titel bekommen …
Ich würde gern bei der Unesco bleiben …
… das ist doch alles miteinander verbunden. Das ist die Doppelmoral der internationalen Gemeinschaft. Die wirtschaftlichen Interessen sind leider viel wichtiger als die Grundwerte, die wir alle an die große Glocke hängen.
Unterstellen Sie das auch Österreich?
In diesem Fall ja. Die OMV in Iran und Lybien … Die Gelder, die aus diesen Ländern fließen, sind wichtiger als die Grundwerte und das ist das Problem.
Haben Sie vor der Unesco-Abstimmung versucht, die österreichischen Diplomaten zu einem „Nein“ zu bewegen?
Selbstverständlich, und nicht nur einmal.
Was waren deren Argumente?
Ach, man verpackt diese Politik mit vielen schönen Schein-Argumenten. Das ist ein Teil der Diplomatie, ein Teil des Spiels. Das machen alle, wir auch. Aber das ändert nichts daran, dass die Entscheidung nicht sachlich ist, und unsere Kritik daran ist absolut legitim.
Sie waren auch Botschafter in unserem Nachbarland, der Schweiz, und kennen damit zwei Staaten, die für sich in Anspruch nehmen, „neutral“ zu sein. Wie kommt Ihnen die Neutralität Österreichs in diesem Zusammenhang vor?
In diesem Fall kann man überhaupt nicht von Neutralität sprechen. Österreich hat die politische Neutralität spätestens mit dem Beitritt in die Europäische Union aufgegeben. Aber die militärische Neutralität besteht noch immer und sie hilft, weil die Österreicher dadurch eine wichtige Rolle in den internationalen Friedenstruppen auf der ganzen Welt spielen. Die Leistung auf den Golanhöhen ist zum Beispiel ein wichtiger Beitrag, um die Stabilität in dieser Region aufrechtzuerhalten. Aber politisch ist Österreich schon seit Langem kein neutrales Land mehr.
Bedauern Sie das?
Ich bedauere nicht, dass Österreich nicht neutral ist, sondern dass die Diplomaten diese Haltung für die Aufnahme der Palästinenser in die Unesco eingenommen haben.
Ein weiteres Problem in dem Konflikt von Palästinensern und Israelis besteht darin, dass Israel sich explizit als jüdischer Staat bezeichnet. Warum ist diese religiöse Selbstdefinition so wichtig für Israel?
Man muss wissen, dass das Judentum die einzige Weltreligion ist, die sich auch als Volk versteht. Wir sprechen vom „jüdischen Volk“, und wenn die Juden ein Volk sind, dann haben sie, wie alle anderen Völker inklusive der Palästinenser, ein Recht auf Selbstbestimmung. Aber was die Palästinenser für sich selbst beanspruchen, verweigern sie den Juden, weil sie sagen, dass die Juden nur eine Religionsgemeinschaft sind, und deswegen brauchen sie angeblich kein Territorium.
Das ist die Position der radikalen Hamas?
Das ist die Position von vielen. Abbas ist nicht bereit, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen! Er ist bereit, Israel als politisches Wesen anzuerkennen, aber nicht als jüdischen Staat. Die Hamas ist überhaupt nicht bereit, irgendetwas anzuerkennen, und sagt, Israel muss verschwinden. Der Uno-Teilungsplan von 1947 hat aber schon einen unabhängigen jüdischen Staat vorgesehen. Und wenn damals diese Lösung richtig war, dann ist sie es auch heute.
Warum ist diese symbolische Deklaration des „Jüdischen“ so wichtig?
Es ist nicht symbolisch, überhaupt nicht. Es gibt nur einen einzigen jüdischen Staat, den Staat des jüdischen Volkes. Es ist das Heilige Land.
Und das ist ein zusätzliches Problem.
Das ist es, aber wer hat dieses Land zum Heiligen Land gemacht?
Erst die Juden und dann …
Verzeihung – die Juden! Ganz genau. Das Heilige Land ist das Land der Juden. Dann kamen andere Religionen hinzu und wir erkennen die Tatsache an, dass es inzwischen auch für Milliarden andere Menschen das Heilige Land ist. Das macht es umso schwieriger, vor allem weil einige das nicht anerkennen wollen. Der Konflikt ist nicht wegen eines palästinensischen Staates ausgebrochen, sondern wegen eines jüdischen Staates.
Ein Israel ohne Judentum steht nicht zur Diskussion? Es leben 77 Prozent Juden in Israel, in Polen sind es über 90 Prozent Katholiken, ohne dass Polen ein katholisches Land ist.
Sie wiederholen sich und beweisen, dass viele nicht verstehen, was hier zur Debatte steht. Auch Sie nicht, in diesem Fall. Judentum ist auch Volkstum. Der Islam und das Christentum nicht. Deshalb kann es auch nur einen einzigen jüdischen Staat geben, und das ist Israel. Und es muss als jüdischer Staat akzeptiert werden, sonst gibt es keine Lösung für den Konflikt.
Für einen Laizisten ist es schwer nachzuvollziehen, dass eine Religion aus ihrem eigenen Selbstverständnis die Legitimation für einen Staat ableitet.
Lassen Sie die Religion für einen Moment weg: Wir Juden sind ein Volk, wie es viele Völker gibt, und ich will sehen, wie die Palästinenser einen Staat des jüdischen Volkes anerkennen. Das Problem wäre das gleiche.
Sie haben sich selbst als Juden und Israeli bezeichnet, Sie haben aber auch gesagt, dass Sie nicht religiös sind. Wie passt das zusammen?
Es ist genau wie bei Christen und Muslimen: Sie müssen nicht jeden Sonntag in die Kirche und alle Sitten und Gebräuche der Religion ausüben. Viele machen keinen Unterschied zwischen religiösen und säkularen Juden. Die meisten sehen aus wie ich, tragen keine schwarzen Kleider und achten nicht so sehr auf die Gebote, aber das heißt nicht, dass wir nicht stolze Juden sind.
Sie sind nicht nur Jude und Israeli, sondern Sie waren auch Soldat und haben im Jom-Kippur-Krieg 1973 gekämpft. Warum sind Sie Soldat geworden?
Weil Israel seit der ersten Stunde seiner Entstehung angegriffen wurde und bis heute müssen Israelis kämpfen, um am Leben zu bleiben.
Gehört es zur Staatsräson der Israelis, als Soldat zu dienen?
Ja, aber wegen der Situation, in der wir uns befinden. Dieser Krieg wurde uns aufgezwungen, weil die Existenz eines jüdischen Staates nicht akzeptiert wird. Ich diente in der Armee, das war selbstverständlich und alle Israelis wissen, dass wir nur existieren, weil wir eine starke Armee aufgebaut haben.
Wie kam es, dass Sie dann Diplomat geworden sind und nicht mehr mit der Waffe gekämpft haben?
In Israel gibt es drei Jahre Wehrpflicht für Männer, zwei für Frauen. 95 Prozent dienen diese Zeit in der Armee und werden dann entlassen, um ihre persönlichen Wege zu gehen. Genauso war es bei mir: Ich diente fast vier Jahre, weil man als Offizier ein Jahr länger dienen musste. Aber mir war klar, dass ich nicht Berufssoldat werden möchte, sondern dass ich in den diplomatischen Dienst will. Und nach dem Wehrdienst bin ich auf die Universität gegangen. Für uns ist es auch ein Nachteil im globalen Wettbewerb, dass wir wegen des Wehrdienstes unser Studium und unsere berufliche Karriere erst drei Jahre später als die meisten anderen beginnen können. Es ist natürlich immer besser, ohne Kriegszustand zu leben, aber bei uns ist es ein Zwang und damit muss man sich abfinden.
Sie haben es gesagt: Der Krieg wurde Ihnen aufgezwungen und auch jetzt als Botschafter in Österreich sind Sie gezwungen, sich permanent von Sicherheitskräften bewachen zu lassen.
Ja, und der palästinensische Botschafter oder der Botschafter von Jordanien können sich ohne Leibwächter bewegen. Das ist nicht meine Wahl, sondern das ist die Entscheidung der Sicherheitsbehörden von Österreich, weil eine Bedrohung besteht, weil es immer jemanden gibt, der Israel und den israelischen Botschafter nicht akzeptiert.
Wie bleibt man in dieser Situation der ständigen Bedrohung gesprächsbereit?
Es ist möglich, auch wenn wir es schwerer als viele andere haben. Man kann ohne weiteres alle Gespräche führen, die man will, auch wenn man immer bewacht wird.
Wurden Sie schon einmal in Österreich angegriffen?
Ich nicht. Nein. Aber beim Lichterfest 2009 in Wien wurde ein Rabbi angegriffen, kurz nachdem ich mit ihm die Kerzen des Chanukka-Leuchters angezündet hatte. Ich hatte die Veranstaltung dann verlassen und habe kurz darauf erfahren, dass ein Palästinenser dem Rabbi die Hälfte der Finger abgebissen hat.
Auch Ihr Vater und Ihre drei Söhne mussten als Soldaten dienen. Haben Sie noch Hoffnung, dass Ihre Enkel es nicht mehr müssen?
Selbstverständlich. Und ich hoffe, ich habe hier nicht nur Arbeit als Diplomat geleistet, sondern auch als Vater. Trotz der schwierigen Situation habe ich versucht, meine Kinder als offene Menschen großzuziehen und andere politische Positionen zu akzeptieren. Die Tatsache, dass man als Soldat dienen muss, um sein Land zu verteidigen, heißt nicht, dass alle anderen als Feinde gesehen werden müssen. Es gibt Feinde, die darauf zielen, uns zu vernichten, aber das sind bei Weitem nicht alle Palästinenser oder Araber. Ich hoffe, es ist mir gelungen, meine Kinder von dieser Haltung zu überzeugen. Nur weil ein Muslim Terrorist ist, heißt das nicht, dass alle Muslime Terroristen sind. Aber gegen diese Terroristen werden ich und meine Kinder, hoffentlich nicht auch noch meine Enkel – aber wenn nötig auch diese –, gegen Terroristen werden wir vorgehen.
Glauben Sie nicht, dass ein Palästinenser Schwierigkeiten haben wird, seine Kinder in dem gleichen Sinn zu erziehen, wenn der Staat, auf den sein Volk seit über 60 Jahren wartet, immer noch nicht in Aussicht ist?
Es gibt viele Palästinenser, die so denken und sich so verhalten wie wir, aber leider auch viele andere. Ein Problem ist, und das verbindet uns wieder mit der Unesco, dass der Hass nicht nur in einigen Familien geschürt wird, sondern auch von offiziellen Stellen. Und das ist ein großes Problem. Ich habe die Schulbücher ja schon angesprochen. Aber das kann ich leider nicht ändern, das ist Sache der Palästinenser. Das Ergebnis ist aber, dass ich in der Armee dienen musste.
Aber verstehen Sie, dass dieser seit 1947 unerfüllte Wunsch nach einem eigenen palästinensischen Staat die Unzufriedenheit, die Frustration und die Gewaltbereitschaft eher wachsen lässt? Aus palästinensischer Sicht gibt es keine Fortschritte. Das betrifft eine ganze Generation, die bei der Entscheidung 1947 noch gar nicht auf der Welt war.
Das stimmt. Ich glaube, dass die letzten Jahre gezeigt haben, dass Krieg und Terror den Palästinensern auch nichts gebracht haben. Und jetzt, wo fast alle der Meinung sind, dass der Friede durch Verhandlungen zustande kommen muss, versuchen die Palästinenser, diesen aus dem Weg zu gehen, indem sie die Ergebnisse der Verhandlungen zur Vorbedingung machen.
Womit wir wieder bei dem für uns unlösbaren Problem sind, dass die Palästinenser einen Staat wollen, um den Konflikt zu lösen, während Israel den Konflikt lösen will, um einen palästinensischen Staat anzuerkennen.
Ja, aber es ist interessant, dass die Prinzipien, die hier in Europa nach den beiden Weltkriegen angewendet wurden, jetzt im Nahen Osten nicht mehr gelten sollen. Die Partei, die den Krieg angezettelt hat und die ihn verloren hat, die stellt jetzt Forderungen. Wir, die alle Kriege gewonnen haben, sollen Konzessionen machen. Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen! Aber wir haben unsere Interessen und Forderungen, die berücksichtigt werden müssen, sonst kann es keinen Frieden geben. Bei uns geht es um die Existenz. Wenn wir einen Fehler in den Verhandlungen machen, kommt das der Vernichtung des Staates Israel gleich.
Wäre der Rückhalt der internationalen Gemeinschaft, insbesondere durch die USA, nicht groß genug, um das zu verhindern?
Nein, überhaupt nicht. Ich sehe die Diskussionen, wenn es um den Einsatz von Soldaten in anderen Ländern geht, und das ist verständlich. Ich verlange auch nicht, dass österreichische Soldaten für mich kämpfen, ich kämpfe für mich selbst. Aber ich verlange, dass Österreich in Abstimmungen wie bei der Unesco oder der Uno die Wahrheiten sieht und nicht nur das tut, was für die eigenen Interessen gut ist.
Der Österreicher Fritz Molden hat die These vertreten, dass die Wissenschaftler eines Landes viel wichtiger für den Frieden sind als die Politiker, weil nur Wohlstand und Bildung für Frieden sorgen. Israel hat einen Bildungsetat im Haushalt, der fast so groß ist wie der Anteil fürs Militär. Der aktuelle Nobelpreisträger in Chemie ist Israeli und die Universität Tel Aviv gehört zu den besten der Welt. Warum gelingt es nicht, diese gute Ausgangslage zu nutzen?
Weil es darauf ankommt, wer die Nachbarn sind. Die Bereitschaft für Frieden muss immer auf zwei Seiten vorhanden sein. Wir sind zum Beispiel absolute Experten für Bewässerung und Integration, weil wir nach 1948 die vertriebenen Juden aus den arabischen Staaten aufgenommen haben. Damals waren 600.000 Juden in Israel und diese haben 1,5 Millionen Flüchtlinge, mehr als das Doppelte, aufgenommen und integriert. Gerade die Wasserwirtschaft wäre bei unseren Nachbarn so wichtig, aber sie wollen von uns nichts wissen. Da können wir wirtschaftlich und wissenschaftlich so erfolgreich sein, wie wir wollen. Friede ist nur möglich, wenn beide Seiten bereit sind.
Herr Botschafter, vielen Dank für das Gespräch.
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Fazitgespräch, Fazit 78 (Dezember 2011)
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