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Gezähmter Provokateur

| 21. März 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 81, Fazitgespräch

Vor der Wahl 2010 war Christopher Drexler der Scharfmacher der ÖVP-Fraktion im steirischen Landtag. Seit dem Zusammenschluss der beiden Großparteien versucht der gewiefte Rhetoriker mittels 180-Grad-Wende statt roter Vergehen das »segensreiche Wirken der Reformpartner« zu erklären. Im Fazitgespräch reden wir mit ihm über politische Rhetorik und fehlende Inhalte.

Das Gespräch führte Michael Thurm.

::: Interview als PDF: DOWNLOAD

Herr Drexler, wann haben Sie zuletzt die steirische Landeshymne gesungen?
Gesungen habe ich sie schon lange nicht mehr, aber oft andächtig zugehört. Ich bin kein so begeisterter Sänger.

Wie steht es um die Nationalhymne?
Das ist noch länger her, es sei denn man meint …

… »I am from Austria«?
Das ist auch lange her, aber nicht solange wie die Nationalhymne.

Waren Sie dabei betrunken oder wären Sie es gern gewesen?
Daran kann ich mich nicht erinnern.

Stimmt es, dass Sie Kreuzworträtsel in Rekordzeit lösen?
Das habe ich auch in der Zeitung gelesen. Es stimmt, dass ich gern und gelegentlich Kreuzworträtsel löse. Ob ich mit der Zeit im normalen Durchschnitt oder darüber liege, das kann ich nicht beurteilen.

Stimmt es, dass Sie einer der intelligentesten Abgeordneten im steirischen Landtag sind?
Das kann ich noch weniger beurteilen, aber ich wünschte, es wäre so.

Das behauptet zumindest der Standard, der Ihnen sonst nicht sehr gesonnen ist, und auch ihre grüne Kontrahentin Ingrid Lechner-Sonnek attestiert das.
Das mag schon sein. Ich bin jedenfalls gern Parlamentarier und nehme die Arbeit im Parlament ernst. Vielleicht reicht das schon für positive Kommentare.

Was ist Ihnen lieber: gutes Essen oder guter Wein?
Beides.

Am liebsten mit Freunden, Feinden oder Parteifreunden?
Also mit Freunden ist es natürlich am angenehmsten. Aber ich habe auch nichts gegen Parteifreunde. Und gegen Feinde erst recht nicht.

Wozu gehört Ihr Parteichef Michael Spindelegger?
Er gehört sicher nicht zu den Feinden.
Herr Drexler, ist es möglich, mit Ihnen ein einstündiges Interview über Politik zu führen, in dem das Wort »Reformpartnerschaft« nicht vorkommt?
Wenn wir über Nahostpolitik sprechen, ist das sicherlich möglich. Wenn wir über Politik reden, wird es sich nicht vermeiden lassen, die steirische Reformpartnerschaft zu erwähnen.

Ich werde versuchen, Sie daran zu hindern. Sie gelten ja als größtes rhetorisches Talent der Steiermark …
Ich werde hier mit Lobeshymnen umrankt …

Ach, Schmeichelei ist doch auch eine scharfe Waffe.
Als Parlamentarier sollte man die etymologische Herkunft des Wortes »Parlament« kennen und danach ist Reden und Parlament eng miteinander verbunden. Deshalb ist es fast notwendig, die gesprochene Sprache als Instrument zu erkennen. Manche meinen, dass ich da ein besonderes Talent habe, das freut mich sehr.

Was ist Ihre Lieblingsfloskel?
Da müsste man jetzt andere fragen, denn wenn man etwas besonders oft verwendet, fällt es einem selbst am allerwenigsten auf. Ein Blick in die stenografischen Protokolle des Landtages gibt da sicherlich beste Auskunft.

Ich habe zwei zur Auswahl: In der letzten Legislaturperiode war es der »derzeit amtierende Landeshauptmann«, aktuell ist es der »sozialindustrielle Komplex«. Auf welche Floskel sind Sie besonders stolz?
Der sozialindustrielle Komplex ist doch wirklich eine treffliche Beschreibung. Zum einen weist er darauf hin, dass wir im Sozialbereich einen zunehmend professionalisierten Bereich haben – das ist von vornherein noch nicht schlecht. Die meisten der dort angesiedelten Trägerorganisationen, Vereine und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) erwecken aber den Anschein, im großen Besitz allwissender Wahrheit zu sein, und das verbindet sie naturgemäß auch mit den Grünen. Und ich finde, diese Organisationen könnten auch zugeben, dass sie in diesem professionalisierten Bereich auch viel Geld verdienen – ich sage noch nicht, dass dort große Gewinne gemacht werden.

Die floskelhafte Kurzform dieser Erklärung ist wesentlich boshafter.
Eine gewisse Boshaftigkeit ist da versteckt, weil es an den militärisch-industriellen Komplex erinnern soll. Und das ist offensichtlich einigen führenden Exponenten aufgefallen. Aber es ist eine bewusste und heitere Boshaftigkeit.

Jetzt haben Sie den zweiten Begriff des »derzeit amtierenden Landeshauptmanns« ignoriert. Auch der war damals boshaft.
Im Grunde genommen ist es ja eine Tautologie …

… ohne Frage. Er ist auch jetzt der derzeit amtierende Landeshauptmann.
Wenn manche gemeint haben, dass es besonders auf das Ablaufdatum des Politikers Franz Voves hätte hinweisen sollen, werden sie damals wohl recht gehabt haben. Aber in der Demokratie ist Macht immer nur auf Zeit geliehen, daher könnte man bei jedem demokratisch legitimierten Organ diese Floskel hinzufügen.

Sie sind der derzeit amtierende Klubobmann der ÖVP, was haben Sie zuletzt aufs Schärfste zurückgewiesen?
Ich weise auch gern auf das Schärfste zurück, das ist richtig. Derzeit amtierend ist auch richtig, allerdings bin ich auch mit Abstand der am längsten dienende Klubobmann der ÖVP, daher lote ich die Floskeln auch etwas aus.
Zuletzt aufs Schärfste zurückgewiesen habe ich wohl irgendeine Kritik der Grünen, der Freiheitlichen oder der Kommunisten, mit der sie das segensreiche Wirken der Reformpartnerschaft mit untauglichen Mitteln, jedenfalls aber untauglichen Argumenten schmälern wollten.

Jetzt haben wir die Reformpartnerschaft doch nicht vermeiden können. Wechseln wir also zu schwierigen Fragen: Was haben Sie zuletzt verschwiegen?
Ich glaube, ich habe in letzter Zeit sehr viel geschwiegen, ich spreche ja kaum noch im Landtag.

Teilen Sie die These, dass Politiker neben den Journalisten die größten Verschweiger sind?
Ich würde mir gelegentlich wünschen, dass es verschwiegene Politiker gäbe. Würde es ein Seminar für Verschwiegenheit geben, würde ich es weiten Teilen der Bundesregierung und der Opposition empfehlen. Es wird viel zu viel, mit viel zu wenig Sachkenntnis und immer relativ schrill argumentiert.

Wenn Sie vom sozialindustriellen Komplex sprechen, verschweigen Sie ja auch, dass dies die Parallelentwicklung zur Freunderlwirtschaft in Politik und Wirtschaft ist. Innerhalb der eigenen sozialen Gruppe wird sich geholfen und wenn es Möglichkeiten gibt, Geld zu verdienen, wird dies gemacht. Und damit spielt in beiden Fällen der eigene Vorteil eine entscheidende Rolle. Mit dem Unterschied, dass die Freunderlwirtschaft, wenn man zumindest zum Teil dem glauben kann, was im Korruptionsausschuss diskutiert wird, weit über das hinaus geht, was im sozialindustriellen Komplex passiert.
Manches von dem, was dort gerade besprochen wird, ist unfassbar und erschütternd. Für die österreichische Innenpolitik wird die nächsten zwei Jahre eine der großen Aufgaben sein, dort Aufräumkommando zu spielen. Wie sich mediokre Persönlichkeiten hier offensichtlich bedient haben und willfährige Partner in der staatsnahen und privaten Wirtschaft gefunden haben, muss aufgeklärt werden. Hier ist ein Sittenverfall sichtbar geworden, den wir nicht hinnehmen können. Ich kann aber auch nicht hinnehmen, dass wir im Sozialbudget der Steiermark Steigerungsraten von 17 Prozent pro Jahr haben. Das kann sich niemand leisten.

Aber ist die Ursache nicht ähnlich? Finanzielle Leistungen werden von jedem Ziel und Sinn entkoppelt und jeder versucht sich und seinem sozialen Umfeld ein möglichst gutes Überleben zu sichern. Und manche haben da offensichtlich höhere Ansprüche an ein gutes Leben.
Das wäre nur menschlich, ändert aber nichts daran, dass es dort entschlossenes Handeln braucht. Der Politiker ist nichts anderes als der Treuhänder der Steuerzahler. In dieser Funktion muss ich einen hohen Sorgfaltsmaßstab anlegen können und dazu gehört es, sorgsam mit den treuhänderischen Mitteln, den Steuern, umzugehen. Das gilt für die Korruption, die eine Vernichtung von Volksvermögen ist, und das gilt für Laisser-faire-Politik. Denn nachlässiger Umgang mit öffentlichen Mitteln ist ebenfalls Vernichtung von Volksvermögen.

Sie haben gesagt, Politiker sind Treuhänder der Bürger – im Moment gilt doch wohl eher, dass sie es sein sollen. Wie groß schätzen Sie den Anteil jener Korruptionsvorwürfe, die sich durch den Untersuchungsausschuss oder die Staatsanwaltschaft bestätigen werden?
So eine Schätzung will ich gar nicht abgeben. Ich halte es für außerordentlich problematisch, dass ein notwendiges Instrument des Rechtsstaates, nämlich die Unschuldsvermutung, von selbsternannten Experten in den Dreck gezogen wird. Daher sage ich nicht: Grasser ist schuldig oder Strasser ist schuldig. Sondern es muss aufgeklärt werden. Sicher, manche erscheinen in besonders schrägem Licht, aber ein Mindestmaß an rechtsstaatlicher Sorgfalt und eine Justiz, die frei von Zurufen arbeiten kann, erwarte ich mir auch für die Republik Österreich.

Die letzte Nachricht vor diesem Gespräch bestand darin, dass die Staatsanwaltschaft gegen Ihren Parteifreund Werner Amon ermittelt. Bekommt man angesichts dieser um sich greifenden Vorkommnisse auch selbst Angst, dass man einmal auf den Radar der Justiz kommen könnte?
Da durchbreche ich jetzt meinen gerade festgelegten Grundsatz, aber ich glaube, an der Amon-Angelegenheit ist wirklich nichts dran. Natürlich sind Politiker immer in einer exponierten Position. Unser Handeln wird immer von den Medien diskutiert und kommentiert. Das weiß auch jeder, der in die Politik geht …

Aber es ist ein Unterschied, ob Medien kritisieren oder eine Staatsanwaltschaft ermittelt.
Ich gehe davon aus, dass alle, die das politische Geschäft ernst nehmen, möglichst nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten wollen. Ausschließen kann man es nie, ein Fahrlässigkeitsdelikt schon mal gar nicht.

Dann verlassen wir das Feld der Korruption und wenden uns dem normalen Geschäft zu. Was kann ein Politiker noch sagen, ohne Widerspruch hervorzurufen?
Also ich kann sagen: »Mein Name ist Christopher Drexler«, und da wird mir niemand widersprechen können. Aber natürlich, die politische Landschaft wird zunehmend heterogener, die Debatte gewinnt an Tempo und wird hitziger. Widerspruchsfreie Grundwahrheiten sind relativ schwer zu postulieren, das stört mich aber nicht weiter. Gefährlich wird es, wenn es überhaupt nicht mehr gelingt, Mehrheiten zu finden. In der Demokratie sind nicht die reine Lehre und die absolute Wahrheit entscheidend, sondern auch, ob ich für eine Position oder ein Vorhaben eine demokratische Mehrheit finde. Nur dann kann ich Politik auch tatsächlich betreiben. Das wird zunehmend schwieriger. Deswegen – und jetzt ist noch keine Stunde um – ist die steirische Reformpartnerschaft beispielsweise ein sehr gutes Modell, weil wir dort mit einer breiten Mehrheit agieren können.

Das zwingt automatisch zu Kompromissen. Ist ausbleibender Widerspruch nicht längst das Maximum an Zustimmung?
Das glaube ich nicht. Wir können für vernünftige Anliegen auch immer wieder Zustimmung aus den verschiedensten politischen Lagern gewinnen. Wir erleben in der österreichischen Innenpolitik eher einen Mangel an widerspruchsfähigen Aussagen. Anders gesagt: Wo kein Inhalt, da kein Widerspruch. Es sind ja nur Ersatzscharmützel, die irgendwo stattfinden. Das ist schrilles Geplärre, aber keine inhaltliche Debatte.

Vermissen Sie rhetorische Gegner auf Augenhöhe?
Nein, das wäre überheblich.

Was haben Sie dagegen überheblich zu sein?
Ich verwehre mich gar nicht sonderlich dagegen, wenn es passt, kann man auch überheblich sein, aber es ist keine besondere Tugend. Aber zurück zur Frage: Ich vermisse einfach eine politische Debatte jenseits von irgendwelchen tagesaktuellen Geplänkeln. Wo findet eine ernsthafte Debatte darüber statt, wie der Staatshaushalt in Zukunft ausschauen soll? Nicht nur an welchen Schräubchen gedreht wird, sondern: Was ist Aufgabe des Staates? Wie gehe ich auf den demografischen Wandel ein?

Jetzt werde ich wider Willen zum Verteidiger des Fernsehens – dort finden neben den tagesaktuellen Diskussionen auch immer wieder grundsätzliche Debatten statt. Ich kann mich nicht erinnern, Sie dort einmal gesehen zu haben.
Zum einen mangelt es mir an Einladungen, zum anderen habe ich bei den Einladungen, die kamen, immer keine Zeit gehabt. Aber ich meine ja noch gar nicht so sehr die öffentliche Diskussion. Politiker sollten erst einmal selbst wissen, wovon sie reden, und nicht nur in fernsehtauglichen Formaten diskutieren. Das ist aber in einer politischen Landschaft, in der viele außer ihrer eigenen Person keinen weiteren Inhalt haben, eher schwierig.

Welche Beleidigung eines politischen Gegners haben Sie als Auszeichnung erfahren?
Ich kann mich an gar nicht so viele Beleidigungen erinnern.

Fällt Ihnen eine ein, die Sie persönlich getroffen hat?
Ja, aber was heißt »getroffen«. Ich bekenne mich zur zugespitzten politischen Debatte und da kann man durchaus einmal ausloten, wie weit man gehen kann. Und wer austeilt, der muss beim Einstecken dann nicht kleinlich sein. In der offiziellen politischen Debatte würde mir nichts einfallen, aber ich finde manche sprachliche Bilder nicht treffend. Wenn man zum Beispiel von Kettenhunden spricht …

Als solchen hat Sie der damals und heute amtierende Landeshauptmann bezeichnet.
… dann halte ich das schon aufgrund des historischen Kontextes für kein besonders klug gewähltes sprachliches Bild. Aber selbst das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was sich in manchen Internetforen abspielt.

Lesen Sie etwa, was dort über Sie geschrieben wird?
Außerordentlich selten.

Haben Sie und Franz Voves sich jemals beieinander entschuldigt?
Nein, das war auch nicht unbedingt nötig, weil das ja keine persönlichen Beleidigungen waren. Vieles, was in den Jahren vor der letzten Wahl stattfand, gehörte auch zu gewissen Rollen und Inszenierungen. Auch wenn das für den Beobachter schwer zu glauben war.

Vermissen Sie ihre alte Rolle manchmal?
Na wirklich nicht.

Dürfen Sie mir sagen, dass Sie als Politiker nicht genug verdienen?
Ich dürfte es freilich, insbesondere wenn ich dieser Meinung wäre. Ich bin es aber leid, von den Vertretern des politischen Freilichtmuseums namens KPÖ im Landtag immer wieder die gleichen Anträge zu hören, man möge doch die Politikergehälter halbieren, dritteln oder vierteilen. Keine Ahnung, was gerade der aktuelle Forderungsstand ist.

Im Moment geht es erst einmal darum, sie nicht zu erhöhen.
Bei denen geht es schon immer ums Reduzieren. Ich sage: Ich bin mein Geld wert und darauf lege ich Wert. Ich jammere aber auch nicht wie manche, dass die Politiker ach so niedrige Gehälter bekommen. Tatsache ist, dass wir in der Steiermark den Rahmen des Bundesbezügebegrenzungs-BVG, umgangssprachlich bekannt als Bezügepyramide, nicht ausschöpfen. Das heißt, ein steirischer Landespolitiker verdient weniger als ein niederösterreichischer. Und das ist sicher nicht gerechtfertigt.

Vor dem Hintergrund der Bestechlichkeit, die wir diskutiert haben: Verdienen Politiker genug, um Angebote aus der Wirtschaft abzulehnen?
Ich denke schon. Das ist ja eher eine grundsätzliche Frage des Charakters. Ich denke nicht, dass die Gehälter so niedrig angesetzt sind, dass der durchschnittliche Politiker in den Bereich der Korruption gerückt wird. Definitiv nicht. Wir sind ausreichend gut versorgt. Man kann natürlich der Meinung sein, dass wir im Vergleich zu Spitzenpositionen in anderen Bereichen nicht über Gebühr bezahlt sind, aber ich würde nirgendwo eine existenzielle Notwendigkeit sehen, in die Korruption abzugleiten.

Worin bestand das letzte Angebot, das Sie abgelehnt haben?
Es gibt diese regelmäßigen Angebote gar nicht.

Haben Sie einmal einen Vorteil gewährt?
Jeder, der in der Politik ist, hat schon versucht jemandem zu helfen. Das ist zu einem Gutteil auch Inhalt der Politik. Schwierig wird es erst, wenn es durch Vorteilsannahme oder Ähnliches in juristische Grauzonen abgleitet.

Das heißt, die Welt ist gar nicht so kriminell, wie wir alle glauben?
Auf jeden Fall. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das überhaupt das öffentliche Bild ist, oder ob das nicht eher ein Zerrbild der veröffentlichten Meinung ist.
Ist Lügen eine rhetorische Qualität?
Lügen ist überhaupt keine Qualität, aber die Menschheit lügt.

Sie auch?
Mir soll niemand erzählen, dass er noch nie gelogen hat.

Lügen Sie aus politischem Kalkül heraus?
Also die Lüge gehört nicht zu meinen politischen Werkzeugen und ich hoffe, in meinem politischen Wirken möglichst frei von Lügen zu sein.

Ist Wahrheit zumutbar?
Das, was mit zumutbarer Wahrheit meist gemeint ist, auf jeden Fall. Ja, wir können sagen, dass wir das Pensionsalter heraufsetzen müssen, weil wir nicht jedes Jahr mehr ausgeben können. Was man hier verschweigt, wäre eine Lüge, und das hätten die Bürger nicht verdient.

Auch wenn man gewählt werden will?
Natürlich fragt man sich das manchmal, wenn Regierungen abgestraft werden, weil sie notwendige Reformen durchgesetzt haben. Da kann schon der eine oder andere daran verzweifelt sein. Unterm Strich glaube ich das aber nicht. Und die Zustimmung zu unseren Reformen liegt weitestgehend über der Zwei-Drittel-Marke.

Ihr Parteifreund Christian Buchmann meint: Mehrheit ist Wahrheit. Zumindest in der Politik. Ist die Mehrheit Voraussetzung oder Folge »richtiger Politik«?
Das will ich gar nicht so genau festlegen. Regierungen müssen den Mut haben, an Tabus zu rütteln. Das Oppositionsgeschäft, das ich immer mal gern betrieben hätte, ist ja die Luxusvariante von Politik. Man kann alles und jedes tun, hat aber nichts zu verantworten. Mut, Entschlossenheit und Mehrheit, das sind die Dinge, die man in der Politik braucht. Mir nützt die größte Mehrheit nichts, wenn ich lauter Zögerlinge an der Spitze der Regierung habe. Mir nützt der größte Mut nichts, wenn ich keine Mehrheit bekomme, und es hilft auch nichts, wenn mir dann die Entschlossenheit fehlt, das Mutige und Mehrheitsfähige umzusetzen.

Sie wären gern mal in der Opposition gewesen. Gilt das immer noch?
Das kann in einer Demokratie schon immer noch passieren, aber ich verhehle nicht, dass da auch eine gewisse Koketterie dabei ist.

Sehen Sie sich selbst gern auf Fotos?
Ja und nein. Ich könnte sagen, dass es aufs Foto ankommt. Aber man nimmt das mit der Zeit gar nicht mehr so sehr wahr, weil es zum politischen Geschäft gehört.

Wie sehen Sie sich lieber: beim Händeschütteln oder Lächeln?
Ich glaube, da gibt es bei beidem nicht allzu viele Bilder von mir.

Denker- oder Rednerpose?
Bei nicht gestellten Bildern, also während einer tatsächlichen Rede, ist die Gefahr relativ groß, dass man in einem Moment etwas blöd ausschaut. Da ist man dann dem Fotoredakteur ausgeliefert. Beim Nachdenken ist das etwas einfacher.

Herr Drexler, vielen Dank für das Gespräch.

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Fazitgespräch, Fazit 81 (April 2012)

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