Tandl macht Schluss!
Johannes Tandl | 10. Mai 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 82, Schlusspunkt
Der Zuspruch für die steirischen Reformpartner Franz Voves und Hermann Schützenhöfer überdauert auch die Bezirksreform. Zu Recht! Denn, ob der Beamte, der etwa einen Strafbescheid, einen Führerschein oder ein gewerberechtliches Verfahren bearbeitet, in Bad Radkersburg, Graz oder Eisenerz sitzt, tut in Zeiten moderner IT und Bürokommunikation nichts zur Sache – außer dass jeder Beamtenjob, der im boomenden Graz aufrechterhalten wird, einen weiteren Beitrag dazu leistet, die Situation auf dem dort ohnedies ausgedünnten Arbeitsmarkt zu verschärfen.
Im Gegensatz dazu wird es für die Bewohner der Randlagen immer schwieriger, einen Arbeitsplatz in Wohnortnähe zu finden. Vor allem besser bezahlte qualifizierte Jobs fehlen. Und wer etwa in Feldbach das Beste für seinen Nachwuchs will und ihn studieren lässt, muss damit rechnen, ohne seine Kinder alt zu werden, weil diese irgendwann dorthin ziehen werden, wo sie Arbeit gefunden haben – also in Wien oder Graz.
Traurig, aber wahr! Mit jedem gut gebildeten Jugendlichen wird die Landflucht zementiert. Die Frage, die die Landespolitik daher mindestens so antreiben müsste wie der von ihr selbst verursachte Konsolidierungszwang, ist, ob es Rezepte gegen die Abwanderung der Gebildeten gibt. Selbst wenn die Kosten sonst aus dem Ruder zu laufen drohen, ist das Verlagern von Infrastruktur in die Ballungsräume jedenfalls keines. Denn jeder Euro, der auf dem Land eingespart wird, verschärft die Situation wie ein negativer Multiplikator. Allein der Wertverlust der privaten Immobilien beträgt in den Abwanderungsregionen jedes Jahr Hunderte Millionen.
Der Vorwurf, den sich die Reformpartner daher gefallen lassen müssen, ist, dass sie das wahre Ausmaß der Entvölkerung völlig verkennen oder – noch schlimmer – bewusst verdrängen. Denn Haushaltskonsolidierung und Abwanderung hängen untrennbar miteinander zusammen. Jeder Bewohner, den die Peripherie an einen Ballungsraum verliert, verteuert die kommunale Infrastruktur der Abwanderungsgemeinde und löst in der Zuzugsgemeinde einen zusätzlichen Investitionsdruck aus. Das Heil etwa in der Zusammenlegung zweier Gemeinden zu suchen, weil sich dadurch langfristig vermeintlich zwei Sekretärinnen und ein Amtsleiter einsparen lassen, ist daher auch keine Lösung. Aber da die Zentralplaner ohnehin ignorieren, dass es inzwischen eine empirische Wissenschaft gibt, die sich mit den Problemen der Organisationsentwicklung beschäftigt und die längst herausgefunden hat, dass Verwaltung ihrerseits verwaltet werden muss, sind Gemeindefusionen wahrscheinlich gar kein schlechter Ansatz um zusätzliche Jobs zu schaffen. Denn zwei Gemeindeämter mit jeweils vier Mitarbeitern lassen sich unmöglich zu einem mit fünf oder sechs Mitarbeitern zusammensparen – daraus wird viel eher eines mit 10 bis 12 Mitarbeitern.
Die Steiermark braucht endlich eine Offensive gegen die Ausdünnung der Peripherie. Dazu sind außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich. Etwa die Verlagerung der Landesverwaltung in die Randregionen – die Landesbuchhaltung würde in Mariazell oder Mureck gleich gute Arbeit leisten wie in der Grazer Salzamtsgasse.
Die Verbesserung der Infrastruktur muss aus den Sparmaßnahmen herausgenommen werden. Denn selbst wenn etwa eine vierspurige Verbindung zwischen dem Großraum Graz und der Bezirksstadt Deutschlandsberg aus heutiger Sicht völlig unfinanzierbar erscheint, weil das Geld etwa für den sozialen Ausgleich benötigt wird – mittelfristig sind die sozialen Kosten der Abwanderung, die eine solche Investitionsverschleppung auslöst, wesentlich höher als der Preis für eine Straße, die der Industrie den Verbleib in Deutschlandsberg ermöglicht.
Tandl macht Schluss, Fazit 82 (Mai 2012)
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