Verhetzen tun immer die Anderen
Christian Klepej | 26. Juni 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 84
Robert Misik, deutlich links verorteter österreichischer Publizist, hat dieser Tage das ZDF gescholten, es würde »die Deutschen verhetzen«. Ausreichender Grund dafür war ihm ein Bericht über die Wahlen in Griechenland, in dem davon die Rede war, »das Schlimmste sei verhindert worden«. Dies empfindet Misik als zu einseitig und eben verhetzend. »Das Schlimmste« wäre in diesem Zusammenhang übrigens ein Wahlsieg von Alexis Tsipras linksextremen Parteienbündnisses »Syriza« gewesen.
Schau ich mir nur das Program von Syriza etwas genauer an, kann ich mich dieser Ansicht Misiks natürlich beim besten Willen nicht anschließen. All die Versprechungen, auf denen dieses fußt, erscheinen schlicht unmöglich. Gut, da kann man geteilter Meinung sein; man kann ja erhobenen Hauptes in eine sozialistische Planwirtschaft steuern wollen. Ein Blick auf die Kandidatenliste läßt mich dann aber ebenfalls dazu kommen, dass ein Sieg Syrizas »dem Schlimmsten« mehr als nahe gekommen wäre. Dort findet sich etwa Manolis Glezos. (Als »legendärer Widerstandskämpfer« im Standard bezeichnet. Was ihn auszeichnet, aber offenbar hat er dem Wolfgang Ambros gleich die Überfuhr verpasst und sollte keine öffentlichen Statesments mehr abgeben.)
Glezos radebricht über ausstehende Reparationszahlungen der Bundesrepublik für die Jahre der Nazi-Besetzung und Ausplünderung Griechenlands. Darüber kann man diskutieren, aber man darf es nicht junktimieren, wenn es um eine zukunftsorientierte und konstruktive Diskussion über die Europäische Union und ihre aktuellen Probleme geht. Dem Faß den Boden aus schlägt dieser alte Mann aber, wenn er Kanzlerin Merkel bezichtigt, sie wolle sich bei den Griechen für den Widerstand gegen das Dritte Reich rächen. Was soll es denn bitte noch Schlimmeres geben, als eine Partei, deren Spitzenproponenten solchen abstrusen Gedanken nachhängen? Wer ist es, der hier verhetzt?
Die EU steht am Scheideweg. Fängt man Stimmungen innerhalb der Europäischen Kommission auf, sind diese mit »pessimistisch« nicht annähernd negativ genug beschrieben. Die Regierungsbüros und Außenministerien (zumindest Kerneuropas) wollen ihre Versäumnisse um die Jahrhundertwende – da hätte ein europäischer Bundesstaat auf Schiene gelegt werden müssen (und können) – ungeschehen machen, und sich in eine Fiskalunion retten. Ob das der richtige Weg ist, vermag ich natürlich nicht abschließen zu beurteilen. Aber es erscheint derzeit der Einzige. Und wenn man den wichtigsten Nettozahler BRD weiterhin mit Nazivorwürfen verunglimpft, wird die EU zerbrechen.
Editorial, Fazit 84 (Juli 2012)
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