Zum Thema (Fazit 86)
Johannes Tandl | 26. September 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 86, Fazitthema
Karriere mit Lehre. Geht das noch? Die Wirtschaft klagt lauthals darüber, dass immer weniger Jugendliche die Voraussetzungen für qualifizierte Facharbeiterberufe erfüllen. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass sich immer mehr Betriebe als Ausbildner verabschieden und darauf hoffen, ihren Personalnachwuchs von „irgendwoher“ decken zu können.
Klagten die Unternehmen früher nur in der Hochkonjunktur – immer dann, wenn der Arbeitsmarkt überhitzt war – über das schlechte Niveau der Lehrstellensuchenden, so hat die demographische Situation inzwischen dazu geführt, dass die offenen Stellen selbst in wirtschaftlichen angespannten Zeiten nicht besetzt werden können. So bleiben inzwischen tausende Lehrplätze unbesetzt, weil es an geeigneten Bewerbern mangelt.
Dass es in Österreich nach wie vor dennoch 300.000 Menschen gibt, die keine Arbeit finden, hängt mit einer anderen Entwicklung zusammen: Beim klassischen Hilfsarbeiter handelt es sich um eine aussterbende Spezies. Früher machten die klügsten zehn Prozent eines Jahrganges die Matura oder schafften es sogar auf die Uni. 40 Prozent der Pflichtschulabgänger rauften sich um die Lehrstellen und weitere 30 Prozent verdingten sich als ungelernte Arbeiter in Fabriken und auf Baustellen. Der Rest suchte oft gar nicht erst den Weg auf den Arbeitsmarkt.
Inzwischen klagen nicht nur die Lehrlingsausbildner über das Niveau der Schulabgänger. Denn als Folge der sinkenden Zahl an Jugendlichen haben auch die weiterführenden Schulen immer größere Probleme, die Klassen aufzufüllen. Die logische Folge: Es werden Jugendliche aufgenommen, die früher keinen Platz an einer weiterführenden Schule gefunden hätten. Damit wird das Potenzial für die Ausbildungsbetriebe weiter geschwächt. Und mit dem Niveau des Lehrstellensuchenden sinkt auch das Image der Lehre. Wo sind die Zeiten geblieben, in denen es gelernte Bankkaufleute ganz selbstverständlich bis zum Bankdirektor bringen konnten?
Die Wirtschaft versucht alles, um gegen die schleichende Entwertung der dualen Berufsausbildung anzukämpfen. Schließlich gilt sie als wichtigster Garant dafür, dass es in Österreich kaum jugendliche Arbeitslose gibt. Vor allem in den Handwerksberufen sind Fleiß, Geschick und Fingerfertigkeit für den beruflichen Erfolg immer noch gleich wichtig wie die schulischen Leistungen. Dennoch zeigten die meisten Eltern wenig Interesse, ihre Kinder mit einer Lehrausbildung in das Berufsleben starten zu lassen. Karriere mit Lehre ist heutzutage nur mehr mit zahlreichen Zusatzqualifikationen möglich und im Vergleich zu einer BHS-Matura ganz sicher der mühevollere Weg.
Zum Thema, Fazit 86 (Oktober 2012)
Kommentare
Antworten