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Der Hofnarr des Managers

| 26. November 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 88, Managementserie

Die Fazit-Managementserie Der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Lachens widmet sich die 1964 von William F. Fry gegründete Gelotologie. So wird eine Reihe positiver Einflüsse ausgemacht, wie die Steigerung des Immunsystems, die unterstützende Wirkung bei Therapien und die Reduktion von Stress. Außerdem werden Perspektivenwechsel erleichtert, Konflikte lassen sich leichter bearbeiten und die Teamarbeit wird verbessert. Lachen tut gut. Das haben auch Seminaranbieter entdeckt, die an Wochenenden das „Business Lächeln“ trainieren. Doch so geradlinig ist der Einsatz des Lachens nicht immer.

Über den Humor
Humor ist, so schreibt der niederländische Professor Manfred Kets de Vries, eine Art Metakommunikation. Mit anderen Worten, durch die Tatsache, dass Humor – welcher Art auch immer – mitschwingt, bekommen die Inhalte eine eigene Färbung. Humor kommuniziert uns, wie die Kommunikation zu verstehen ist. Humor ist also durchaus komplex und lässt sich nicht auf Formeln wie „Lachen = glücklich sein“ und auf Spaß reduzieren. Humor hat neben den offensichtlichen noch weitere Funktionen; er hilft uns, Hochmut ins rechte Licht zu rücken und uns selbst weniger ernst zu nehmen. Vor allem aber fällt es uns durch den – zum Teil vorgeschobenen – Humor leichter, Inhalte zu transportieren, die weniger akzeptabel sind. Und gar nicht so selten kommunizieren wir Witzloses unter dem Deckmantel des Humors. Seien wir doch ehrlich, wer hat noch nie etwas gesagt und aufgrund der Reaktion des Gegenübers das gerade Gesagte relativiert oder wieder zurückgenommen mit den Worten „das war ja nur ein Witz“. Im Nachhinein war es gar nicht so gemeint, denn es war nur Spaß und unser Gegenüber darf in der Situation zeigen, dass er Spaß versteht und kein Spielverderber ist.
Bei Freud ist nachzulesen, dass Humor eine gesellschaftlich akzeptierte Methode ist, angsterregende Gefühle zu äußern, wie beispielsweise Aggression. Immer wieder spannend ist der Versuch, bei Witzen über anderen Kulturen, Religionen, über Frauen oder Menschen mit Behinderung genauer hinzuhören, das Element des Witzes zu streichen und sich anzusehen, was nach dem Filter übrig bleibt: Abwertung. Eine Abwertung anderer Menschen, die durch den sogenannten Humor akzeptabel wird. Das gemeinsame Lachen über, bleiben wir gleich bei dem Beispiel Frauen, schweißt Männer zusammen. Es schafft Gemeinsamkeit, eine Gruppenzugehörigkeit, ein Männerbündnis, ein Wir. Man bildet Zusammengehörigkeit durch die Bildung, vor allem aber Abgrenzung zu einer „anderen Gruppe“ über die man lacht, ist sich einig, versteht sich, besiegelt das Gemeinsame mit einem Schenkelklopfer. Bekommen die Inhalte das Label „Humor“, so braucht man sich nicht den Vorwurf anzuhören, man sei sexistisch, die Feindseligkeit ist gut getarnt. Das gleiche Schema lässt sich am Beispiel „andere Kultur“ durchspielen.

Der klassische Hofnarr
Humor hat ein weiteres Charakteristikum, das ihn interessant macht: Er ist trotzig gegenüber Autoritätspersonen. Die Verletzung von Regeln und Normen wird durch ihn weniger angreifbar, die Botschaft kommt dennoch an. So zeigte beispielsweise der ehemalige italienische Ministerpräsident Berlusconi immer wieder sein Problem mit Karikaturisten, die ihn als Zwerg abbildeten. Unermüdlich wies er darauf hin, dass er doch einige stolze Zentimeter größer sei als Putin oder Sarkozy, so die italienische Nachrichtenagentur ANSA.
Humor lässt uns offen, zu entscheiden, welche Inhalte wir für gegeben nehmen und welche wir als Scherz abtun. Das schafft einen bequemen Freiraum, man sucht sich aus, welche Informationen ankommen und welche nicht. Dieser Spielraum ist auf beiden Seiten gegeben, auf der Seite des Empfängers aber auch des Senders. Somit hat auch der Sender mehr Möglichkeiten, eventuell Brisantes zu kommunizieren. Diese Freiheit auf beiden Seiten machten sich Fürsten und Könige zu Nutze, indem sie Hofnarren engagierten. Hofnarren dienten der Belustigung, dem Amusement, der Unterhaltung. Aber nur zum Teil. Eine ganz wesentliche Aufgabe, die sie inne hatten, war der Transport von Inhalten, die sonst nicht an die adelige Spitze gelangten. Kritik wurde durch sie zulässig, institutionalisiert und blieb (meist) ungestraft. Sie hielten den Regenten den Spiegel vor das Gesicht, dienten als Regulativ. Der sogenannte Narrenspiegel wurde ab dem 15. Jahrhundert zum Symbol des Hofnarren, der beobachtete Unzulänglichkeiten öffentlich ansprach und als notwendig erachtete Kritik anbrachte.

Der moderne Hofnarr
In seinem Buch „Führer, Narren und Hochstapler. Die Psychologie der Führung.“ münzt Kets de Vries die mittelalterliche Notwendigkeit zu Hofe auf das moderne Management um und plädiert dafür, sich als Spitzenmanager einen Hofnarren zu halten. Denn auch im Management zeigt sich zahlreichen Untersuchungen zufolge, dass der Informationsfluss hinauf immer dünner wird. Wer an der Spitze steht zahlt den Preis, wenig und selektiv informiert zu werden. Das kann durch mehrere Umstände bedingt werden, sei es, dass der direkte Kontakt und Zugang zu Informationen fehlt, sei es, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Angst haben, offen zu sprechen oder, dass sich die Spitze mit angenehmen Zeitgenossen umsäumt, die nicht anecken möchten. Zu groß wäre da die Gefahr, man könne sich unbeliebt machen, der eigenen Karriere schaden und müsse auf den neuesten Dienstwagen, den prestigereicheren Parkplatz oder das größere Büro verzichten. Hofnarren hingegen können mitunter unbequem sein. Und sie gehen ob ihrer Offenheit stets ein Risiko ein, dass ihr Kopf – nach Manier der Herzkönigin in Lewis Carrolls Alice im Wunderland – jeden Augenblick rollen könnte. Langfristig sorgen sie als loyale Narren dafür, dass sich der König nicht zum Narren macht – den Part übernehmen sie lieber selbst.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

#Über die Autorin
Mag. Maryam Laura Moazedi ist Universitätslektorin am Institut für Wirtschaftspädagogik der Grazer Karl-Franzens-Universität und Lehrbeauftragte an der FH Campus02. Ihr Arbeits- und Interessensschwerpunkt ist Diversity Management.

Fazit 88 (Dezember 2012) © Illustration: Paperwalker

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