Thurm macht Schluss
Michael Thurm | 26. November 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 88, Schlusspunkt
Sie könnten doch mal was anderes wählen. Ja, Sie. Denn der aktuelle Bürgermeister Siegfried Nagl ist im Moment auch ohne Ihre treue Unterstützung der einzig denkbare Bürgermeister für Graz. Das bestätigen nicht nur die letzten Sonntagsfragen, sondern auch der Blick auf die alternativen Kandidaten. So falsch können die Umfragen nicht sein, dass es einen anderen Wahlsieger als die ÖVP gibt, so gut können die Talente der anderen Kandidaten nicht versteckt sein, als dass Sie oder ich ernsthaft einen anderen Bürgermeister als Nagl erwarten könnten. Müssen wir also unbedingt ÖVP wählen?
Wer keine Lust hat die 50-Prozent-Hybris der VP-Strategen zu unterstützen, könnte ja mit der Gewissheit des Naglschen Wahlsieges einer anderen Partei die Stimme geben. Die zu Ende gehende Legislaturperiode hat schließlich auch gezeigt, dass es weder dem Bürgermeister noch der Stadt schadet, wenn er mit einem Koalitionspartner zusammenarbeitet. Allein die inhaltliche Schnittmenge zwischen Grün und Schwarz war in Graz erschöpft. Das spricht zwar für die Arbeit der vier Jahre währenden Koalition, aber nicht sofort für einen neuen Versuch.
Wie wäre es denn diesmal mit der KPÖ? Die Kommunisten sind und bleiben in Graz ein Kuriosum und eine wohltuende Ausnahme in der alltäglichen Aufregung des Politbetriebes. Mit Elke Kahr steht eine Frau an der Spitze, die zur Selbstdarstellung und zum politischen Kleinkrieg weder willens noch in der Lage ist. Und mit dem sozialen Wohnungsbau besetzen sie ein Thema, dass die ÖVP auf diese Art und Weise niemals abdecken könnte. Eine linke Klientelpartei, bei der zwar ein paar Geschichtsbücher zu viel übrig geblieben sind, die aber auf der lokalen Ebene sehr viel unaufgeregte Sacharbeit betreibt. Es ist kurios, aber die KPÖ ist in Graz auch für Liberale und Konservative wählbar.
Niemand muss Angst vor der Rückkehr zum Kommunismus haben, keiner muss einen Euroaustritt befürchten, den die KPÖ auf ihrer Agenda hat. Solche Entscheidungen fallen nicht wirklich in die umfangreiche Kompetenz des Grazer Gemeinderates. Zum Glück. Außerdem war es ausgerechnet die KPÖ, die dort unlängst gegen die »Verstaatlichung« argumentierte. Ausgerechnet die KPÖ! Anlässlich des damals noch geplanten Ankaufs der Reininghausgründe durch die Übernahme der verschuldeten Asset One hielt einer der KPÖ-Gemeinderäte einen Vortrag gegen politische Einmischung, wie ihn kein Liberaler an diesem Tag zustande brachte.
Natürlich, die Auswahl an alternativen Parteien ist auch sonst groß. Um Platz zwei und damit eine mögliche Koalition mit der ÖVP rittern aber nur FPÖ, SPÖ, Grüne und eben die KPÖ. Mit den Grünen wird sich eine neue Koalition kaum erzwingen lassen, die SPÖ ist ein Jahr nach ihrem Selbstfindungs-trip noch immer nicht als stabiler Partner zu erwarten und würde spätestens vor der 2018er-Wahl anfangen, die Koalition zu sprengen – aktiv oder passiv. Und mit der FPÖ wäre nur ein Mitte-Rechts-Bündnis möglich. Das will – laut letzten Interviews – weder Siegfried Nagl noch meine konkordanzverliebte Wenigkeit. Ich hätte schon gern etwas von beiden Ufern der »gesellschaftlichen Mitte«. Und weil man in Graz zwar die KPÖ, aber sicher nicht den Kommunismus wählen kann, ist das doch eine gute Gelegenheit etwas Neues zu probieren – Nagl wird auch ohne meine Unterstützung Bürgermeister. Und wenn schon links, dann doch gleich richtig.
Thurm macht Schluss! Fazit 88, (Dezember 2012)
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