Politicks Jänner 2013
Johannes Tandl | 20. Dezember 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 89, Politicks
Doppelbudget und Reformfrust!
Mit dem Doppelbudget für 2013 und 2014 haben die Reformpartner von ÖVP und SPÖ die nächste Hürde genommen. Da die beiden Generalredner, Alexandra Pichler-Jessenko für die ÖVP und Johannes Schwarz für die SPÖ, ihre Sache gut gemacht haben, rücken sie automatisch in jenen erlauchten Kreis der Hoffnungsträger auf, der für höhere politische Aufgaben in Frage kommt. Trotz oder besser gesagt wegen dieses Budgeterfolgs werden die Zeiten für die Reformpartner nicht einfacher. Denn knapp vor Halbzeit der Legislaturperiode beginnen die Parteien bereits damit, an die nächsten Wahlen zu denken. Und sowohl bei Rot als auch bei Schwarz gibt es zahlreiche Baustellen, die abgeschlossen werden müssen. So gibt es im Landesdienst viele Beamte, die ihre Karrierechancen durch die Verwaltungsreform verbaut sehen. Die Verantwortung dafür, dass sich die Zahl der Spitzenverdiener in der Verwaltung auf lange Sicht deutlich reduzieren wird, tragen natürlich die Reformpartner Landeshauptmann Franz Voves und LH-Vize Hermann Schützenhöfer. Entsprechend groß ist der Ärger bei Betroffenen auf die Partei, der man irgendwann – nicht ganz uneigennützig – beigetreten ist.
Reformfrust in den Spitälern
Im Spitalsbereich entwickelt sich die Kosteneindämmung zu einer Dauerbaustelle. Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder kämpft zwar beherzt, aber vielleicht manchmal mit wenig Fingerspitzengefühl gegen die Lobbys der selbsternannten Reformverlierer. Doch gerade die Spitalsbediensteten sind eine für den ÖVP-Arbeitnehmerflügel viel zu wichtige Zielgruppe, um sich deren Unmut leisten zu können. Und so wurde Edlinger-Ploder Anfang Dezember von ihrem Parteichef Hermann Schützenhöfer in einen Spitalsgipfel gezwungen, der dem Vernehmen nach eine Annäherung zwischen Betriebsräten und Ärztevertretern auf der einen und dem Land Steiermark auf der anderen Seite gebracht hat. Dabei war die Position von Edlinger-Ploder ohnedies eine äußerst dienstnehmerfreundliche: So gibt es im Falle einer Übernahme durch die Barmherzigen Brüder für sämtliche LKH West-Mitarbeiter eine Beschäftigungsgarantie in einem anderen KAGES-Spital in der Region Graz. Sämtliche Mitarbeiter, die am LKH West bleiben wollen, werden samt Dienstvertrag, sämtlichen Sonderschutzbestimmungen und dem für sie bisher geltenden Vertragsbediensteten-Recht in den Personalstand der Barmherzigen Brüder übernommen. Damit bleibt ihnen der raue Wind des ASVG, das an sich für alle Arbeitnehmer im nichtöffentlichen Bereich Anwendung findet, auch in Zukunft erspart. Unter solchen Umständen gegen einen Dienstgeberwechsel auf die Barrikaden zu klettern, kann man daher getrost als Reformverweigerung einstufen.
Wie teuer diese Annäherung die Steirischen Steuerzahler kommen wird, wurde freilich noch nicht bekanntgegeben. Ob Kristina Edlinger-Ploder die Spitalsreform politisch unbeschadet überstehen kann, werden die nächsten Wochen weisen, denn der vermeintliche Erfolg der Reformverweigerer beim LKH West wird dem Abwehrkampf der Kirchturmpolitiker aller anderen steirischen Regionen von Bad Aussee bis Bad Radkersburg neues Leben einhauchen.
Reformskurrilität um die Bezirkspolizeikommanden
Im Zuge der Zusammenfassung der Bezirke Bruck und Mürzzuschlag nach massiver SPÖ-Intervention ist etwas völlig Unsinniges geschehen: Das Bezirkspolizeikommando wird räumlich von der Bezirkshauptmannschaft in Bruck getrennt und in Mürzzuschlag eingerichtet. Dabei kann die eine Behörde viele Amtshandlungen nur gemeinsam mit einem Beamten der anderen erledigen. Die rund 40 Kilometer zwischen Bruck und Mürzzuschlag werden die hoheitliche Verwaltung ganz sicher nicht verbilligen. Ähnliches gilt übrigens für die fusionierten Bezirke Feldbach und Radkersburg. Während die Bezirkshauptmannschaft in Feldbach bleibt, erhält Bad Radkersburg das Polizeikommando.
SPÖ-Baustelle Kapfenberg
Die Situation für die SPÖ in der zweitgrößten obersteirischen Stadt Kapfenberg bereitete der LH-Partei zunehmend Sorgen. Nachdem der parteiinterne Druck zu groß geworden war, trat die glücklose Bürgermeisterin Brigitte Schwarz gemeinsam mit ihrem Vizebürgermeister und der Sozialstadträtin zurück, um ihrer offenbar von Graz aus initiierten Ablöse durch ihren Vorgänger Landtagspräsident Manfred Wegscheider zuvorzukommen. Für den Brucker Bürgermeister Bernd Rosenberger wiederum bot dieser Streit einen willkommenen Anlass, um die ins Stocken geratenen Fusionsgespräche zwischen Bruck und Kapfenberg auf Eis zu legen. Entgegen ursprünglichen Vereinbarungen, die ein Verhandeln auf Augenhöhe vorsahen, will die Kapfenberger SPÖ den Gemeindesitz in Kapfenberg fixiert wissen. Außerdem will sie eine Festlegung auf einen Kapfenberger als Bürgermeister. Dass die Kapfenberger Sozialdemokraten dann auch noch „Kapfenberg-Bruck“ als Gemeindenamen vorschlugen, veranlasste den enttäuschten Rosenberger dazu, die Gespräche platzen zu lassen. In Bruck gehen die Wogen aber auch deshalb hoch, weil man hinter dem Positionspapier den neuen alten Bürgermeister Manfred Wegscheider vermutet. Rosenberger sieht im Rücktritt von Schwarz eine Bestätigung für diesen Verdacht.
Reformpartner: Ohne »quid« kein »pro quo«
Dass die Reformpartner nur erfolgreich sein können, wenn die Lasten der Reform gleich verteilt sind, haben sowohl Franz Voves als auch Hermann Schützenhöfer wiederholt klargestellt. Bei der Gemeindereform scheint dieses „Gleichgewicht des Schreckens“ nun durcheinanderzugeraten. Die Pläne des Landes stoßen vor allem bei finanziell gesunden Gemeinden, die nun zusammengelegt werden sollen, auf erbitterten Widerstand. So verweigern etwa die schwarzen Umlandgemeinden rund um Weiz eine Fusion mit der erzroten ELIN-Stadt. In Feldbach hat sich SPÖ-Bürgermeister Kurt Deutschmann aus dem Fusionsprozess ausgeklinkt – wohl auch, weil er bei der Schaffung eines Groß-Feldbach mit dem Verlust des Bürgermeisters rechnen müsste. Und in Graz wagt kein Rathauspolitiker am sensiblen Fusionsthema anzustreifen. Landeshauptmann Franz Voves kann die roten Bürgermeister im Grazer Speckgürtel ebenso wenig vom Sinn einer Fusion zu überzeugen wie LH-Vize Hermann Schützenhöfer die schwarzen Umlandbürgermeister der wohlhabenden Kleinregion Gleisdorf.
Graz: Die Reformpartner als Sündenböcke
Die Grazer Wahl hat für die SPÖ das – zumindest von Fazit – erwartete desaströse Ergebnis gebracht. Dass auch Bürgermeister Siegfried Nagl entzaubert wird, war im Gegensatz zur relativ schwachen Performance der FPÖ ebenso abzusehen. Während SPÖ-Chefin Martina Schröck noch am Wahlabend die Chuzpe hatte, ihre beschämenden 15 Prozent als Erfolg zu verkaufen – schließlich sei sie ja bei Umfragewerten von nur neun Prozent gestartet – jubelte Siegfried Nagl zwar über die Position der klaren „Nummer eins“, er gab aber zumindest zu, dass man sich ein Ergebnis gewünscht hätte, das klarere Mehrheiten zulässt.
Im Umfeld von Nagl wurde die Enttäuschung deutlicher artikuliert. Mit der rot-schwarzen Reformpartnerschaft war auch rasch ein Sündenbock gefunden, mit dem von der eigenen Verantwortung für das Minus von knapp fünf Prozent abgelenkt werden konnte. Nach der ÖVP-Niederlage bei der Landtagswahl 2010, bei der die ÖVP in der Landeshauptstadt besonders schwach abgeschnitten hatte, gab übrigens manch ÖVP-Politiker der Grazer Volkspartei die Schuld am knappen Verfehlen des Wahlzieles.
Mit Elke Kahr gibt es auch eine klare Wahlgewinnerin. Ihr fehlt nun jedoch der Mut zu einer Koalition. Denn dann müsste die KPÖ den Wahrheitsbeweis für ihre abenteuerlichen linkspopulistischen Positionen antreten.
Reformnachfolger?
Es gilt als offenes Geheimnis, dass VP-Chef Hermann Schützenhöfer beim VP-Parteitag im Frühjahr noch einmal antreten wird. Wie groß der Frust der VP-Funktionäre wegen der Gemeindestrukturreform sein wird, hängt davon ab, wie viele Gemeinden entgegen dem Willen der Bürgermeister zusammengelegt werden.
Die Frage, für wie lange Schützenhöfer Parteichef bleiben wird und ob sich er nicht vielleicht doch noch einmal zum Spitzenkandidaten aufstellen lässt, wird sich wohl erst frühestens nach der Nationalratswahl im Herbst entscheiden. Obwohl mit dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl und Spitalslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder zwei der meistgenannten potenziellen Schützenhöfer-Nachfolger zuletzt Federn lassen mussten, ist doch davon auszugehen, dass sie keinen nachhaltigen Schaden genommen haben. Je länger Schützenhöfer im Amt bleibt, desto besser stehen daher ihre Chancen.
Dass Landeshauptmann Franz Voves den Parteivorsitz vor Schützenhöfer ablegen wird, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Voves ist parteiintern völlig unumstritten. Nicht jedoch sein Plan, Finanzlandesrätin Bettina Vollath für die Nachfolge aufzubauen. So werden Soziallandesrat Siegfried Schrittwieser – er ist um ein halbes Jahres Jahr älter als Franz Voves – ebenfalls Ambitionen nachgesagt. Schrittwieser weiß jedoch genau, dass er kaum Chancen hat, wenn Voves sich für Vollath als Kandidatin ausspricht. Deshalb wird der Ball im Nachfolgespiel um den Parteivorsitz in der SPÖ ebenso flach gehalten wie in der ÖVP.
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Politicks, Fazit 89 (Jänner 2013)
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