Das Gen des Unternehmers
Michael Thurm | 27. März 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 91, Fazitgespräch
Allzu viel Schmuck darf man sich bei einem Industrie-Präsidenten nicht erwarten. Ein schlichter und funktionaler Bau im Grazer Industriegebiet ist der Firmensitz des Grazer Armaturen-Werk (GAW) und Hauptquartier der gesamten GAW Holding. Ihr Chef Jochen Pildner-Steinburg scheint sich hier zwischen Lagerhallen, Baustelle und dem nahen Sturzplatz wohlzufühlen. Auch in den Besprechungsräumen gibt es keine Spur von Prunk. Nur ein paar Malereien bringen Farbe in den Raum. Einzige Auffälligkeit: Eine alte Karte der Steiermark, auf der die Industriebetriebe verzeichnet sind – offensichtlich aus einer Zeit, zu der die Steiermark noch stolz darauf war, ein Industrieland zu sein.
Das Gespräch führten Johannes Tandl und Michael Thurm.
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Herr Pildner-Steinburg, als Präsident der steirischen Industriellenvereinigung (IV) veröffentlichen Sie regelmäßig eine Konjunkturumfrage, bei der Sie die Erwartungen der steirischen Unternehmen abbilden. Einige Fragen davon hätten wir gern von Ihnen beantwortet, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie gut es Ihrem Unternehmen, der GAW Technologies, geht. Die erste Frage ist immer: Wie beurteilen Sie derzeit die Geschäftslage?
Gut.
Und in sechs Monaten?
Gleichbleibend.
Wie steht es um die Ertragslage?
Durchschnittlich.
Damit gehören Sie offensichtlich zu den zwei Dritteln, die trotz der »Krise« sagen: Es ist alles in Ordnung und wird mittelfristig so bleiben, wie es ist. Trotzdem haben wir den Eindruck, dass diese Konjunkturumfrage, die von der IV jedes Quartal veröffentlicht wird, ein beliebtes Druckmittel gegenüber der Politik ist.
Nein, nein, nein. Sie ist kein Druckmittel, sondern eine sehr klare Form, um das Geschäftsklima darzustellen. Es besteht immer ein Unterschied zwischen der tatsächlichen Situation und dem subjektiven Gefühl der Unternehmer. Viele Umfragen beschreiben eine allgemeine Lage – wir versuchen zumindest die Unterschiede zwischen den Branchen zu berücksichtigen. Sie können heute einen industriellen Anlagenbauer wie die Andritz AG oder uns nehmen, die sagen: Uns geht es gut, wir haben keine Probleme. Wenn Sie die gleiche Frage in der Bau- oder Elektroindustrie stellen, werden Sie merken, denen geht es nicht gut. Die Automobilindustrie wird sagen: Im Moment alles gut, aber auf sechs Monate gesehen wissen wir überhaupt nicht, wie wir planen sollen. Solche Unterschiede abzubilden ist wichtig, um die Wirtschaftslage zu verstehen.
Zum Glück der Kaufleute gehört schon auch das Jammern. Der Drei-Monats-Ausblick stimmt sehr genau, über sechs Monate wird die Entwicklung meist zu pessimistisch prognostiziert.
Das bezweifle ich. Wir waren bei der Krise 2008 diejenigen, die aufgrund des Gefühls der Unternehmer wesentlich früher gemerkt haben, was mittel- und langfristig passiert. Und im Hinblick darauf wollen wir natürlich das Umfeld für die steirische Wirtschaft verbessern.
Wenn wir uns die Probleme anschauen, über die gejammert wurde, von der Wirtschaftskrise über die Staatsschuldenkrise bis zur Eurokrise: Alle haben den großen Kollaps an die Wand gemalt, aber bis auf zwei deutliche konjunkturelle Dellen ist dieser in Zentraleuropa ausgeblieben. Die Aktienindizes steuern wieder munter auf neue Höhen zu.
Also die Korrelation zwischen Aktienmarkt und Realwirtschaft lasse ich nicht mehr gelten. Das hat sich in den letzten Jahren auseinanderentwickelt. Wir haben von Beginn an eine Strukturkrise vorausgesagt. Und nur weil die momentanen Konjunkturdaten und Voraussagen etwas besser sind, dürfen wir nicht vergessen, dass die Strukturkrise noch lange nicht hinter uns liegt.
Welches von all den Problemen, die als »Krise« zusammengefasst werden, ist das drängendste?
Die Staatsschulden in Europa sind sicher ein riesiges Problem …
Auch für Unternehmen?
Selbstverständlich. Viele, die im Bereich der Infrastruktur tätig sind, und alle, die von öffentlichen Investitionen abhängig sind, hängen da mit drinnen. Und wir sehen auch, dass diese Unternehmen im Moment die größten Probleme haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir eine Art Krise in der Krise haben – einen Wandel in der Weltwirtschaft. Da verschiebt sich vieles gerade in Richtung Asien und Südamerika.
Ich habe den Eindruck, dass auch Krisen ihre Konjunkturzyklen haben. Vor zwei Jahren war es vor allem die Bildungskrise, die für alle Probleme verantwortlich gemacht wurde.
Die besteht noch immer. Daran hat sich nichts geändert. Leider.
Ist die Bildungskrise strukturell bedeutender als die monetären Krisen?
Ich würde da kein Ranking veranstalten. Wir haben eine Vielzahl von Problemen: Wir haben eine Krise im Bildungssystem, wir haben eine kritische Entwicklung bei der Demografie. Wir zeugen in Zentraleuropa zu wenig Nachwuchs und der Mangel in der Bildung verschärft natürlich das Nachwuchsproblem für die Industrie. Wir bekommen keine Facharbeiter mehr und dieses Problem gehört für mich auch zu der Strukturkrise, die ich angesprochen habe.
Welche Rolle spielt noch klassische Wirtschaftspolitik? Es scheint sich ja vor allem um Krisenbewältigungspolitik, Bildungspolitik und sogar Familienpolitik zu drehen.
Also vor allem im klein- und mittelständischen Bereich spielt Wirtschaftspolitik, die auch immer Steuerungspolitik ist, noch eine wichtige Rolle. Auch wenn es da regional große Unterschiede gibt. Als die chinesische Regierung 2008 rund 500 Milliarden Euro auf kurzem Weg in ihre Wirtschaft investiert hat, war das ein enormer Impuls für viele Länder wie Deutschland, für die wir Zulieferer sind.
Hilft oder schadet der Euro als gemeinsame Währung unserem Wirtschaftsraum?
Wenn Sie mich als exportierenden Unternehmer fragen, brauchen wir ihn in jedem Fall, weil er uns im Vergleich zu den internationalen Mitbewerbern Stabilität bringt. Inzwischen akzeptieren die Wachstumsländer in Ostasien den Euro und bestellen auch darüber. Das ist ganz klar eine Erleichterung und vor allem bringt uns das Sicherheit. Wenn wir uns die Kaufkraft anschauen, muss ich Folgendes sagen: Wir leben in Europa großteils in einem gesättigten Markt. Auch wenn das manchmal anders dargestellt wird: Die Menschen haben bereits sehr hohe Einkommen in Zentraleuropa.
In Südeuropa sieht das inzwischen wieder anders aus.
Das ist richtig. Was wir aber durch erhöhte Einkommen an Konsum generieren können, das fließt in Importprodukte. Welche Konsumgüter werden denn hierzulande noch für den Normalbürger produziert? Die ganze Unterhaltungselektronik kommt aus Asien, viele Grundstoffe werden importiert.
Wir haben aber immer noch einen Exportüberschuss.
Das ist schon richtig. Und zwar dank der Wachstumsmärkte, die unsere Produktionsgüter nachfragen.
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Europa als Kunde ausfällt und wir uns die Produkte aus Asien nicht mehr leisten können?
EU-Kommissar Antonio Tajani hat vor Weihnachten ganz richtig gesagt: Wir brauchen mehr Industrie in Europa. Wenn wir von Griechenland sprechen, dann müssen wir wissen, dass dort weniger als 10 Prozent Industrie sind. Wo sind die Probleme in Italien? Im Süden, wo keine Industrie zu Hause ist. Großbritannien hat eine Deindustrialisierung durchgeführt, die jetzt mit Müh und Not zurückgedreht wird. Warum ist Österreich denn mit verhältnismäßig hohen Wachstumsraten aus der Krise gekommen? Weil wir einen hohen Industrieanteil haben. Das müssen all die ewigen Zweifler mal kapieren, die immer denken, der Tourismus sei so wichtig. Der ist schon wichtig, weil nur alle gemeinsam Wirtschaft sind. Aber wir werden es nicht schaffen, mit nicht wertschöpfenden Bereichen unseren Wohlstand zu halten. Da kannst du Turnübungen machen, wie du willst.
Sie betonen gern die Bedeutung der Industrie – etwa 37 Prozent der Wertschöpfung werden dort geschaffen, nur vier Prozent im Tourismus. Trotzdem glauben immer noch viele, dass wir vom Tourismus leben – was machen Sie in Ihrer Kommnikation falsch?
Wir machen da nichts falsch. Wir versuchen seit Jahrzehnten zu propagieren, dass die Steiermark nicht nur über das grüne Herz vermarktet wird. In diesem Land herrschen doch vernünftige Synergien zwischen allen. Heute sind wir endlich so weit. Mit einer Ausnahme: dem Schladming-Wahn der letzten Weltmeisterschaft.
Ich dachte, bei dem Thema haben Sie sich inzwischen beruhigt.
Nana, da bleibe ich dabei. Dort kann man einen Kongress mit 300 Leuten veranstalten und es bleiben noch immer 1.800 Plätze frei. Aber das ist ein anderes Thema. In den letzten Jahren hat es schon besser geklappt, die Gemeinsamkeiten hervorzuheben.
In den internationalen Standortrankings rutscht Österreich trotzdem überall ab. Was passiert da?
Das hat schon auch etwas mit der politischen Einflussnahme zu tun, damit, dass die politische Qualität in diese Rankings einfließt. Dort geht es nicht nur um Wirtschaft, sondern auch um Bildung und Korruption.
Ist Korruption tatsächlich ein Problem für ein international aufgestelltes Unternehmen wie Ihres?
Also wir merken es überhaupt nicht. Wir machen aber auch kaum kommunale Aufträge.
Verlieren Sie Aufträge, weil Österreich latent unter Korruptionsverdacht steht?
Wir selbst nicht, aber ich kenne Unternehmen, die sich deswegen schwertun. In manchen Bereichen wirst du deshalb gar nicht zur Ausschreibung zugelassen oder zumindest schräg angeschaut. Wir hatten mal einen Kunden in Indonesien, wo auch wir drei Monate Stillstand hatten, weil wir nachweisen mussten, dass wir mit Korruption nichts am Hut haben. Das wurde sehr genau genommen. Was jetzt mit dieser Compliance-Entwicklung passiert, also der ständigen Selbst- und Fremdüberwachung, dass alle Regeln und Gesetze eingehalten werden, das hindert uns am meisten. Aber gut, auch eine typisch österreichische Entwicklung. Zuerst lassen wir alles zu und dann geht die Pendelbewegung in die andere Richtung.
Davon hat man bis jetzt wenig erfahren. Ihre letzten Wortmeldungen im lokalen Leitmedium befassten sich alle mit den Graz 99ers und Ihrer Funktion als Präsident des Eishockeyvereins. Lag das am Saisonende oder ist Ihnen Eishockey manchmal wichtiger als die Industrie?
Das ergibt sich ganz einfach. Ich kann Ihnen versichern: Mein Leben besteht aus mehr als den 99ers. Ich verbinde mit Sport aber einen großen und wichtigen Teil meiner Lebensgeschichte. Ich habe ihm, insbesondere dem Eishockey, viel zu verdanken. Ich habe daraus viel gelernt und davon will ich etwas weitergeben, daher kommt mein Engagement. In meinem Interessenranking ist es schon recht weit oben, aber es ist nicht alles.
Laut der letzten Schlagzeile, die Sie geliefert haben, wollen Sie gewisse Spieler nicht mehr sehen.
Das war eine klare Stellungnahme zu den sportlichen Geschehnissen der letzten Wochen. So ist das im Sport. Und natürlich wird das dann etwas aufgebauscht, weil die Damen und Herren halt eine Headline brauchen. Ich hänge im operativen Geschäft der 99ers nicht drin, aber wenn der eine oder andere, um den man sich bemüht und kümmert, das nicht wertschätzt, dann ist das für mich der Auslöser für solche Aussagen.
Würden Sie mit Mitarbeitern im eigenen Haus auch so umgehen?
Selbstverständlich. Wobei ich diese große Geduld hier im Hause nicht habe. Ich kaufe mir im Unternehmen aber auch keine Mitarbeiter ein. Wir sind ein Familienunternehmen …
Wie hoch ist die Mitarbeiterfluktuation bei einem so strengen Chef?
Ganz gering. Auch wenn wir inzwischen schon recht groß geworden sind, ist die GAW immer noch als Familienunternehmen geführt und wir legen Wert darauf, dass sich unsere Mitarbeiter wohlfühlen und langfristig bleiben. Also hier im Haus haben wir vielleicht im Jahr drei oder vier Leute, die gehen. Und das bei 120 Mitarbeitern.
Stimmt die häufige Darstellung, dass es für Unternehmer so schwierig ist, Lehrlinge zu finden?
Ja, das ist wirklich schwierig. Natürlich hängt das von der Position und dem Ansehen des Unternehmens ab. Auch der Standort spielt eine Rolle. In Graz tun wir uns etwas leichter als die Betriebe im ländlichen Bereich. Aber die Hauptgründe sind die demografische Entwicklung und die Ausbildung.
Reden wir dabei von Lehrlingen oder auch von studierten Ingenieuren?
Das ist genau das Thema. Wir wollen vor allem klarmachen, dass zwischen diesen beiden keine sozialen Unterschiede bestehen. Lehrling ist für mich eine Standortbestimmung – wir haben inzwischen den Begriff des Industrietechnikers entwickelt, weil wir weg von der abwertenden und falschen Haltung gegenüber Lehrlingen müssen. Wir haben eine Lehre mit Matura, damit eine Berufsausbildung auch noch eine Perspektive nach oben hat. Wer heute einen ernsthaften Lehrberuf im Maschinenbau hat und dort einen Abschluss macht, der sitzt am Ende seiner Lehre in der Steuerwarte einer sündteuren Maschine, die zwei oder drei Millionen Euro kostet. Damit ist er für mich ein Manager. Das ist kein »einfacher Arbeiter«, wie man so gern sagt. Wir haben natürlich auch das Problem, dass viele junge Leute zu uns kommen, die bildungsfern sind.
Können Sie da noch ansetzen oder winken Sie da ab?
Also die Firma Böhler in Kapfenberg nimmt jährlich etwa 60 Lehrlinge auf, die dann durch eigene Lehrer in den Grundtechniken unterrichtet werden.
Das heißt Lesen, Rechnen, Schreiben?
Richtig. Obwohl wir übers Rechnen ja kaum noch reden. Aber die Arbeit, die eigentlich die Schule zu tun hätte, die machen zunehmend die Unternehmen. Wir machen das hier auch schon immer. Unsere Ausbilder, unsere Meister setzen sich mit den Lehrlingen am Nachmittag hin und machen Aufgaben.
Trotz allem, was Sie angeführt haben, gab es unlängst die Meldung, dass es die höchste Lehrlings-Durchfallquote seit 1970 gibt. Jeder sechste Lehrling schafft die Schlussprüfung nicht.
Diese Zahlen sind eine vollkommen undifferenzierte Darstellung. In vielen Bereichen des Gewerbes, Handwerks und Handels stimmt das durchaus. Aber in der Industrie haben wir eine 92-prozentige Erfolgsquote. Wir sind uns nämlich dessen bewusst, dass die Ausbildung eines Lehrlings irrsinnig viel Geld kostet – eine Lehrzeit etwa 80.000 Euro für drei Jahre. Es wäre ein Wahnsinn, wenn wir jemanden schlecht ausbilden und derjenige dann durchfällt. Und ich werfe es einigen Ausbildungsbetrieben vor, dass sie die Lehrlinge als billige Arbeitskräfte missbrauchen. Und das ist der falsche Weg.
Trotzdem werden auch in der Produktion viele Plätze nicht besetzt. Müsste die Industrie nicht stärker darauf setzen, auch Studenten für sich zu gewinnen?
Wenn wir von den MINT-Berufen sprechen, brauchen wir sowohl Facharbeiter, Maturanten mit Lehre und Abgänger der technischen Studiengänge. Und der am besten ausgebildete Mitarbeiter ist nicht der mit dem höchsten Abschluss, sondern derjenige, den wir brauchen. Natürlich gibt es da Konkurrenz. Wenn wir einem Facharbeiter die Möglichkeit geben, sich mit einer Ausbildung zum Industrietechniker höher zu qualifizieren, fehlt der Facharbeiter an anderer Stelle. Das ist ein schwieriger Spagat.
Ich dachte zum Beispiel auch an die tausenden VWL-Studenten, die im Normalfall alle lesen, rechnen und schreiben können, mit einem Bachelor und einem Notenschnitt von 3,5 aber eher schlechtere Berufschancen im akademischen Bereich haben. Warum wird für Akademiker keine Berufsausbildung angeboten?
Das ist schwierig. Aus einem reinen Volks- oder Betriebswirt – ich bin selber einer – kann man keinen Vollbluttechniker mehr machen. Das geht schon in der Jugend los. Aber es gibt im mittleren Management durchaus Bereiche, wo das geht. Ein Betriebswirt kann mit einigen Schulungen in den technischen Verkauf gehen. Aber das ist nicht die entscheidende Größenordnung.
Könnten Sie einem 22-jährigen Germanisten eine Perspektive in der Industrie bieten?
Ich bin da recht unkonventionell. Ich habe mal ein Buch gelesen, da hieß es: »Stelle den Mitarbeiter ein, den du nicht gebrauchen kannst.« Thomas Krautzer, mein Geschäftsführer in der Industriellenvereinigung, ist ein studierter Historiker. Ein hervorragender Mann, der in jedem Bereich zu gebrauchen ist. Alles geht, wenn ich es schaffe, das unternehmerische Gen zu wecken.
Wenn wir uns die steirische IV anschauen, scheint es dieses »unternehmerische Gen« tatsächlich zu geben: Sie sind als Präsident indirekt auf Werner Tessmar-Pfohl gefolgt. Ihre Tochter, die auch bei Ihnen im Unternehmen arbeitet, folgte Alexander Tessmar-Pfohl als Präsidentin der Jungen Industrie. Gibt es in der Grazer Industriepolitik nur diese zwei Familien?
Nein, nein. Das ist der falsche Ansatz. Die Familie Knill hat verantwortungsvolle Positionen inne. Es mutet vielleicht in Ihrer Darstellung so an …
Ich gebe zu, das war etwas überzeichnet. Die Familien Schinko und Kresch gibt es ja auch noch.
Und vor meiner Zeit hat es in der IV keinen Pildner-Steinburg gegeben. Und ich glaube, es ist eher positiv, dass ich meine Tochter für industrielle Interessenvertretung gewinnen konnte.
Wie schwierig war das?
Das war nicht schwer. Aus der Vorbildwirkung heraus hat sie gesehen, dass das eine lobenswerte und wichtige Aufgabe ist. Anderen gelingt das nicht. In der Jungen Industrie haben wir viele hoffnungsvolle Unternehmerinnen und Unternehmer, die zwar alle noch recht jung sind, aber irgendwann einmal kommen werden.
Wie sehr mussten Sie Ihre Tochter nötigen, dass sie im eigenen Unternehmen bleibt?
Überhaupt nicht. Ich habe eine Tochter und einen drei Jahre jüngeren Sohn und meine Tochter hat in der Maturazeitung als Berufswunsch angegeben: »Die Firma übernehm ich.« Obwohl sie einen Bruder und drei Cousins hat. Dazu kommt, dass sie einen Mann hat, der meine indirekte Nachfolge im Unternehmen bereits übernimmt. Und das ist eine sehr gute Situation, die es nicht überall gibt.
In der IV mussten Sie aber sogar die Statuten ändern lassen, damit Sie noch eine dritte Amtszeit anhängen können, weil es keinen aussichtsreichen Nachfolger gab.
Das wurde mir ja auch von einigen vorgeworfen – allerdings nicht von der IV. Die Satzungsänderung wurde mit 99 Prozent von der Vollversammlung beschlossen und ich wurde im Amt bestätigt. Das war zu diesem Zeitpunkt die einfachste Lösung. Als ich die IV übernommen habe, hat sie einen wesentlichen Schritt gemacht und an Aufmerksamkeit und Einflussnahme gewonnen. Das gab es vorher so nicht und das war ganz wichtig. Was aber nicht gemacht wurde, war die Nachwuchsvorsorge.
Es standen immer mal ein paar Namen im Raum.
Der eine ist leider ins Ausland gegangen und der andere wurde im Zuge einer unguten Geschichte von den Eigentümern entlassen. Und der dritte, den ich im Auge hatte, ist Georg Knill. Aber einem so jungen Menschen mit Familie und einem großen Unternehmen kannst du das nicht zumuten. Das ist fast ein Fulltime-Job. Als man mich geworben hat, hat man gesagt, dass es zwei, drei Stunden in der Woche sein werden. Inzwischen bin ich manchmal drei Tage in der Woche für die IV aktiv. Und wenn du selbst eine Firma führen musst, ist das schon heftig.
Das heißt, Sie machen in der eigenen Firma kein operatives Geschäft mehr?
Nein. Und dieses Pensum für die IV war sogar ganz positiv für den Nachfolgeprozess im Unternehmen, weil hier alles etwas beschleunigt wurde.
Eine vierte Periode als IV-Präsident wird nicht kommen?
Nein, Sie können davon ausgehen, dass ich nach dieser Zeit nicht noch einmal kandidieren werde.
Wenn wir schon über Nachfolge reden: Wenn Franz Voves und Hermann Schützenhöfer einmal nicht mehr zur Verfügung stehen – wen wünschen Sie sich als Nachfolger?
Da habe ich keinen Wunsch zu äußern.
Das ist Ihnen normalerweise völlig egal.
Ich habe nur insofern einen Wunsch, dass ich auf die Vernunft hoffe, dass Nachfolger kommen, die den eingeschlagenen Weg konstruktiv fortführen. Auch das Klima, das im Moment zwischen den beiden herrscht, gilt es zu bewahren. Wir müssen uns ja nichts vormachen: Sie haben vorher fünf Jahre versäumt.
Wir wissen, dass politisches Lob von Ihnen selten ist. Der letzte chronische Polit-Kritiker, der die steirische Reformpartnerschaft gelobt hat, war Frank Stronach. Der hat inzwischen trotzdem seine eigene Partei gegründet. Sie haben vor längerer Zeit einmal gesagt, dass Sie nicht zum Politiker geeignet sind. Gilt das nach wie vor?
Ja, daran ändert sich nichts. Man wirft mir vor, dass ich gewisse Züge eines Patriarchen habe – die hat der Stronach auch, aber ich weiß darum. Und ich mute mir auch nicht zu, dieses politische Geschäft zu beherrschen. Ich bin halt keiner, der immer den Weg des Machbaren und des kleinsten Kompromisses gehen will. Die Gemeindereform und dieses ganze Theater hätte ich zum Beispiel ganz anders gemacht. Ich werfe der Landesspitze aber nicht vor, dass sie es so gemacht haben, wie es jetzt läuft. Das ist eben der Unterschied.
Herr Pildner-Steinburg, vielen Dank für das Gespräch.
Jochen Pildner-Steinburg wurde 1947 in Graz geboren und studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Im Familienunternehmen, dem Grazer Amaturen-Werk (GAW), das sein Vater 1951 gegründet hat, ist er seit 1972 tätig. Bereits 1974 übernahm er die Geschäftsführung. Das Unternehmen gehört heute zu gleichen Teilen ihm und seinem Bruder. Seit 1998 ist Pildner-Steinburg im Vorstand der Industriellenvereinigung Steiermark (IV) und seit 2004 ihr Präsident. Dieses Amt hat er außerdem beim Eishockeyverein »Moser Medical Graz 99ers« inne.
Fazitgespräch, Fazit 91 (April 2013) – Foto © J.J.Kucek
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