Politicks Mai 2013
Johannes Tandl | 24. April 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 92, Politicks
Halbzeit für die Reformpartner
Was die steirische Reformpartnerschaft so besonders macht, ist der Wandel der politischen Kultur, der mit ihr einhergegangen ist. Denn in der Vergangenheit war es so, dass sich SPÖ und ÖVP die Zustimmung zu den Lieblings-Projekten des jeweils anderen mit nicht vorhandenem Steuergeld – also mit Schulden – abkaufen ließen. Besonders teuer wurde es, als die SPÖ im Jahr 2005 den LH-Sessel errang. Sie revanchierte sich ausgiebig dafür, dass sie zuvor von der ÖVP unter Waltraud Klasnic abmontiert worden war, und ergoss entgegen heftigen, aber zwecklosen Widerstand der ÖVP das schuldenfinanzierte Füllhorn über ihre Klientel. Seit 2010 zeigen mit Landeshauptmann Franz Voves und seinem Vize Hermann Schützenhöfer nun dieselben Politiker, die zuvor kein gutes Haar am jeweils anderen gelassen hatten, dass ein Umdenken möglich ist. Mit Mut zum Unpopulären wurden sogenannte „wohl erworbene Rechte“ der eigenen Zielgruppen beschnitten, Auswüchse im Sozialbereich eingedämmt und einige ambitionierte Modernisierungsprojekte in die Wege geleitet. Selbst wenn im Spitalsbereich zuletzt der Mut fehlte und Spitalsreferentin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) von der eigenen Partei zurückgepfiffen wurde, scheint der Weg, den die Steiermark beschritten hat, unumkehrbar.
Reformpartner – Wird die Nachfolge zum Problem?
Doch was passiert eigentlich, wenn Franz Voves und Hermann Schützenhöfer – wie allgemein erwartet – in gut einem Jahr abtreten sollten? In beiden Parteien ist die Nachfolge ungeklärt. Auf Seiten der ÖVP gab es zuletzt Spekulationen, ob nicht der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl in das Land wechseln werde, nachdem er das in einem Interview mit der Kleinen Zeitung nicht mehr gänzlich ausgeschlossen hatte. Auch den VP-Regierungsmitgliedern Christian Buchmann, Christina Edlinger-Ploder und Hans Seitinger sowie Klubobmann Christopher Drexler werden Ambitionen nachgesagt. In der SPÖ galt bis vor Kurzem Finanzlandesrätin Bettina Vollath als Favoritin für die Nachfolge von Franz Voves und auch LH-Stv. Siegfried Schrittwieser – er dürfte die Basis eher hinter sich haben als Vollath – sieht dem Vernehmen nach Chancen, Voves beerben zu können. Und viele oststeirische Sozialdemokraten wollen in Regierungsneuling Michael Schickhofer den nächsten Landeshauptmann erkennen, nachdem dieser ziemlich überschwänglich von Franz Voves präsentiert worden ist. Tatsache ist, dass für jeden der potenziellen Nachfolger derzeit nur wenig Platz bleibt, sich mit positiven Äußerungen bei den Wählern zu positionieren, denn sämtliche sensiblen Bereiche der Reformpartnerschaft sind Chefsache. Und so bleibt auch der Ruhm für die Reformerfolge vor allem an Voves und Schützenhöfer hängen, während alle anderen im Hintergrund wirken und sich im Tagesgeschäft aufzureiben drohen. Sowohl Franz Voves als auch Hermann Schützenhöfer deuteten zuletzt an, dass sie noch einmal antreten könnten, doch solange es nur bei vagen Andeutungen bleibt, ist nicht davon auszugehen, dass sie das wirklich ernst meinen, sondern nur , dass es ihnen noch nicht gelungen ist, die entscheidenden Weichenstellungen für die eigene Nachfolge vorzunehmen. Dass beide einen Nachfolger wollen, dem oder der sie es zutrauen, die Reformpartnerschaft in einer SP-VP-Koalition fortzuführen, liegt auf der Hand.
Pflegeregress nur mehr in der Steiermark
Nachdem die neue Kärntner Landtagskoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen nun den Pflegeregeress abgeschafft hat, kommt auch die Steiermark unter Druck. Dabei hat der Pflegeregress, so die zuständige Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder, tatsächlich zu Steuerungseffekten geführt und den Zustrom zur Heimpflege abgeschwächt. In der Steiermark zahlen Kinder ab einem Nettoeinkommen von 1.500 Euro für die Heimunterbringung der Eltern einen Zuschuss von vier bis zehn Prozent ihres Einkommens. Vor allem die Grünen kritisieren den Regress als unsozial und unfair. Die Frage, ob die erzielbaren Einsparungseffekte in einem Verhältnis zu den Belastungen für die Betroffenen stehen, beschäftigt aber auch den Verfassungsgerichthof. Der Senatsvorsitzender Gerhard Gödl hat einen Prüfungsantrag zum steirischen Sozialhilfegesetz gestellt, um feststellen zu lassen, ob bei der Berechnungsbasis für Vorschreibung des Pflegeregresses auch die sonstigen Unterhaltszahlungen berücksichtigt werden müssen. Aktuell ist ein Drittel der Angehörigen von Pflegepatienten vom Regress betroffen. Das Land hebt bei ihnen durchschnittlich 160 Euro pro Monat ein. Bei der Einführung des Pflegeregresses sind die Reformpartner noch davon ausgegangen, dass ihre Regelung beispielgebend für andere Bundesländer sein werde. Inzwischen steht man mit dieser Belastung für die Bürger bundesweit alleine da und vor allem die SPÖ hat Schwierigkeiten, diesen Kurs vor ihrem Klientel zu rechtfertigen.
Kräuter wird Volksanwalt
Günther Kräuter wird neuer Volksanwalt für die SPÖ. Der Steirer ersetzt den mittlerweile 67-jährigen Peter Kostelka. Zuständig für die Bestellung der Volksanwälte ist der Nationalrat, wobei das Nominierungsrecht den drei stimmenstärksten Parteien zusteht. Gertrude Brinek bleibt Volksanwältin für die ÖVP und mit Peter Fichtenbauer wird auch die FPÖ wieder einen Volksanwalt stellen. Da die Grünen bei der Nationalratswahl 2008 auf den fünften Platz zurückgefallen sind, verliert Terezija Stoisits ihren Sitz in der Volksanwaltschaft. Die Funktionsperiode der neuen Volksanwälte beginnt am 1. Juli und dauert sechs Jahre.
Bankgeheimnis – Nur die Finanzministerin bleibt noch standhaft
Europa macht wieder einmal Druck wegen des österreichischen Bankgeheimnisses. Bundeskanzler Werner Faymann will es für ausländische Bankkunden abschaffen und für österreichische beibehalten. Dabei sollte ihm eigentlich klar sein, dass unterschiedliche Regelungen für EU-Ausländer und Österreicher unhaltbar sind. Vizekanzler Michael Spindelegger argumentierte zu Beginn der Debatte noch für das Bankgeheimnis, hat aber in der Zwischenzeit auf die Faymann-Linie eingeschwenkt. Nur Finanzministerin Maria Fekter macht den automatischen Informationsaustausch mit ausländischen Steuerbehörden über die Einlagen von EU-Bürgern bei heimischen Banken weiterhin von einheitlichen Regeln für die gesamte EU abhängig.
Unser strenges Bankgeheimnis wurde ohnehin bereits im Zuge unseres EU-Beitritts abgeschafft, als sämtliche Konten und Sparbücher personalisiert werden mussten. Damit ist es nicht mehr möglich, bei österreichischen Banken anonym Geld zu parken. Echte Steueroasen, wie etwa die britischen Kanalinseln, ermöglichen hingegen eine vollständige Verschleierung der Konteninhaber. Und auch Zypern muss erst seit Kurzem – seit Fekter die Bankenrettung von der Offenlegung der Konteninhaber abhängig gemacht hatte – angeben, wer hinter den von Strohmännern geleiteten Briefkastenfirmen steht, denen die Konten der meist ausländischen Anleger gehören. Weder Deutschland noch Frankreich hatten das zuvor zur Bedingung für die Zypern-Rettung gemacht. Was bei uns vom Bankgeheimnis übrig blieb, ist, dass österreichische Banken ihre Kundendaten nur dann an den Fiskus weitergeben dürfen, wenn ein begründeter Verdacht auf Steuerhinterziehung vorliegt. Aus Sicht der meisten Datenschützer ist das eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die bis dato auch von der EU so akzeptiert wurde.
Doch nun drohen große EU-Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien, ihre Ziele bei der Eindämmung der Staatsverschuldung zu verfehlen. Da ist ein Sündenbock gefragt. Außerdem wird im deutschen Wahlkampf wieder eine Neiddebatte geführt und der französische Präsident François Hollande ärgert sich damit herum, dass er mit seinen Steuerplänen bisher nur erreicht hat, dass selbst die Menschen in seinem unmittelbaren Umfeld ihr Geld ins Ausland zu retten versuchen. Dazu kommt, dass einige Journalisten herausgefunden haben wollen, dass weltweit an die 260.000.000.000.000.000 Euro (also 260 Billionen) in Steueroasen geparkt sein sollen. So geriet auch Österreich in Verdacht, der Steuerhinterziehung Vorschub zu leisten. Und das, obwohl die österreichischen Banken etwa 35 Prozent der Zinserträge ausländischer Anleger als Quellensteuern an den Fiskus ihrer Heimatländer abführen.
Das wirtschaftliche Interesse Österreichs an der Erhaltung des Status quo müsste eigentlich enorm sein. Schließlich bringt er viele Milliarden an Einlagen für die österreichischen Banken, die über Kredite wiederum in die österreichische Wirtschaft fließen und so für viele Steuermillionen sorgen.
Feiertage: Industrie will Verlegung
Österreichs Arbeitnehmer kommen auf insgesamt 38 bezahlte freie Tage. Die Industrie stößt sich nun an den Donnerstag-Feiertagen, weil diese gemeinsam mit den Fenstertagen zu verlängerten Wochenenden führen, an denen das Land fast gänzlich zum Stillstand kommt. IV-Generalsekretär Christoph Neumayr thematisierte die negativen Auswirkungen dieser Feiertage auf die Produktivität gegenüber dem Kurier: „Wir sind eine Freizeitgesellschaft. Radiomoderatoren rufen das Wochenende praktisch schon am Mittwoch aus.“ Naturgemäß anders sieht das die Gewerkschaft. Der ÖGB schlägt im Gegenzug vor, Feiertage, um welche die Arbeitnehmer umfallen, weil diese auf einen Samstag oder Sonntag fallen, im Sinne der Erholung von Arbeitnehmern an den darauffolgenden Montagen nachzuholen.
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Politicks, Fazit 92 (Mai 2013)
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