Politicks Juni 2013
Johannes Tandl | 29. Mai 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 93, Politicks
Spindelegger eröffnet den Wahlkampf
Orientiert man sich an der Wirtschaftskammerwahl, ist die ÖVP mit ihren 70 Prozent für den VP-Wirtschaftsbund eindeutig »die« Unternehmerpartei. Doch bei der letzten Nationalratswahl machten nicht einmal 30 Prozent der Selbstständigen bei der Volkspartei ihr Kreuzerl. Während der Wirtschaftsbund von den Unternehmern eindeutig als Interessenvertretung akzeptiert wird, gilt das für die ÖVP schon lange nicht mehr. Denn aus Unternehmersicht ist sie längst zur Klientel-Partei für Beamte und Bauern verkommen und mitverantwortlich, dass es zu keiner Verwaltungsreform kommt und dass die Abgabenquote inzwischen auf unglaubliche 44 Prozent zusteuert. Entsprechend überraschend kam daher die Wahlkampfauftakt-Rede von ÖVP-Chef Michael Spindelegger vor wenigen Tagen in der Wiener Hofburg. Dieser redete auf einmal einer dringend notwendigen Reindustrialisierung das Wort. Gleichzeitig forderte der VP-Chef eine Deregulierung und Entbürokratisierung und kritisierte etwa die Hunderten Beitragsgruppen bei Löhnen und Gehältern. Spindelegger sprach von 420.000 neuen Arbeitsplätzen, die er in absehbarer Zeit als Bundeskanzler schaffen wolle.
Inhaltliche ÖVP-Angebote an Selbstständige zur Stronach-Abwehr?
Die Wahlkampfrede des Vizekanzlers darf natürlich nicht überinterpretiert werden. Es ging dabei einerseits darum, die eigene, in Bussen herbeigekarrte Basis auf einen heißen Wahlkampf einzuschwören. Andererseits weiß die Volkspartei, dass sie es sich nicht leisten kann, dass ihr die Unternehmer noch weiter wegbrechen und sich bei der Nationalratswahl etwa für das Team Stronach entscheiden. Aber allein die Tatsache, dass sich Spindelegger in seiner Rede nicht darauf beschränkte, die von ihm als »Faymann-Steuern« bezeichneten SPÖ-Pläne zu einer Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer abzuwehren, machte Hoffnung, denn erstmals setzt sich der ÖVP-Chef mit der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes auseinander. Doch ob die ÖVP die Notwendigkeit einer Neuorientierung ihrer Politik tatsächlich erkannt hat, bleibt offen: Tritt Michael Spindelegger auch dann für die ökonomischen Chancen unseres Landes ein, wenn es nicht um seine Wahlchancen, sondern gegen Ineffizienz in der Verwaltung und um die Zurückdrängung des öffentlichen Sektors geht?
Ein weiterer »Lackmustest« für die Politik der ÖVP wird die Bildungsdiskussion sein: Sorgt sich die Volkspartei endlich um die Lese- und Rechenkenntnisse der Kinder oder drehen sich ihre Positionen weiterhin fast ausschließlich um die Erhaltung der »wohlerworbenen Rechte« beamteter Lehrer? Spindeleggers Rede signalisiert zumindest die Möglichkeit eines Umdenkens. Seine Ideen zu einer Bedingung für die Teilnahme der ÖVP an der nächsten Regierung zu machen, war ihm aber anscheinend doch zu heiß.
SPÖ-Darabos: Spindelegger greift in neoliberalen Fundus
Die SPÖ nützte Spindeleggers Auftritt, um die eigenen Positionen zu schärfen. So sprach der neue alte Bundesgeschäftsführer – und dazwischen eher glücklose Verteidigungsminister – Norbert Darabos von einem »Wahlkampfauftritt mit Ideen aus dem neoliberalen Fundus und Feindbildern aus der VP-Mottenkiste«. Unter Michael Spindelegger habe sich die ÖVP als Lobby für Millionäre und Konzerne positioniert, mit einer Rede, die von der Industriellenvereinigung diktiert worden sein könnte. Es sei zudem unglaubwürdig, sich gegen neue Schulden auszusprechen und gleichzeitig teure VP-Pläne wie den Kinderfreibetrag oder die Mitarbeiterbeteiligung vorzustellen, ohne einen Finanzierungsvorschlag vorzulegen.
Bankgeheimnis – »Ja, aber!« statt »Nein, aber!«
Finanzministerin Maria Fekter sieht es als ihren Erfolg, dass es gelungen sei, im Streit um das Bankgeheimnis die bilateralen Quellenbesteuerungsverträge Österreichs mit der Schweiz und mit Liechtenstein beizubehalten. »Nachdem das Mandat für die Verhandlungen der EU-Kommission mit den Drittstaaten Schweiz, Liechtenstein, Andorra, San Marino und Monaco in unserem Sinn genauer präzisiert wurde«, war eine Zustimmung möglich, so Fekter. Vereinbart wurde demnach, dass der OECD-Standard für den automatischen Informationsaustausch gemäß den Entwicklungen bei den G-20 zu verhandeln sei. Auch die Eigentümertransparenz anonymer Trusts – das sind nicht personalisierte Konten etwa bei Banken auf den Kanalinseln – wird verhandelt. Damit haben Luxemburg und Österreich ihre Positionen wieder angeglichen. Die Finanzministerin sieht sich selbst damit im Rahmen der österreichischen Regierungserklärung. In Wahrheit hat sie ihre Haltung jedoch nicht aufgegeben, denn ihre neue »Ja, aber!«- ist ziemlich identisch mit ihrer ehemaligen »Nein, aber!«-Linie.
Verteidigungsminister Gerald Klug startet durch!
Dass ein »Neuer« beim APA/OGM-Vertrauensindex alle seine etablierten Regierungskollegen in den Schatten stellt, hat es noch nicht gegeben. Wenige Wochen nach seiner Amtseinführung landet der neue Verteidigungsminister Gerald Klug auf dem dritten Rang hinter Bundespräsident Heinz Fischer und Parlamentspräsidentin Barbara Prammer. Das Schlusslicht unter den Regierungsmitgliedern bildet nach seinem Bienen-Fiasko und dem katastrophalen Rechnungshofbericht über die PR- und Internet-Aufwendungen des Landwirtschaftsministeriums wie erwartet Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich. Im Vertrauensindex stellt sich der Saldo aus »Vertrauen« und »kein Vertrauen« (in Prozentpunkten) dar. Es werden 500 Befragungen durchgeführt. Die Schwankungsbreite liegt bei 4,5 Prozent.
Mit seinen hervorragenden Vertrauenswerten wird Gerald Klug auch zu einem Faktor in der Nachfolgediskussion um den voraussichtlich Mitte nächsten Jahres abtretenden steirischen Landeshauptmann Franz Voves. Obwohl die Heeresreform nach wie vor nur angekündigt ist, hat Gerald Klug etwa durch seinen Umgang mit dem sensiblen 8.-Mai-Gedenken auf dem Heldenplatz bewiesen, dass er zu smarten Lösungen imstande ist. Auf VP-Seite gibt es in der Schützenhöfer-Nachfolge übrigens nichts Neues. Die Bandbreite der Kandidaten ist so groß wie bei der SPÖ, mit Vorteilen für den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, der mit Schwarz-Rot-Blau in Graz gerade beweist, dass mit ihm als VP-Chef auch eine »Reformpartnerschaft Reloaded« möglich wäre.
Reformpartnerschaft startet in die finale Phase
Was die steirische Reformpartnerschaft von einer herkömmlichen Koalition unterscheidet, ist der Wandel der politischen Kultur, der mit ihr einhergeht. Seit 2010 zeigen mit Landeshauptmann Franz Voves und seinem Vize Hermann Schützenhöfer nun dieselben Politiker, die zuvor kein gutes Haar am jeweils anderen gelassen hatten, dass ein Umdenken möglich ist. Mit Mut zum Unpopulären wurden sogenannte »wohl erworbene Rechte« der eigenen Zielgruppen beschnitten, Auswüchse im Sozialbereich eingedämmt und einige ambitionierte Modernisierungsprojekte in die Wege geleitet. Ob der Weg, den die Steiermark beschritten hat, tatsächlich unumkehrbar ist, wird sich noch zeigen. Derzeit geht die Gemeindestrukturreform in ihre Umsetzungsphase und immer noch gibt es zahlreiche Widerstände. Doch für Landeshauptmann Franz Voves steht fest, dass es kein Zurück gibt: »Wie angekündigt werden wir versuchen, in der zweiten Hälfte dieses Jahres alle freiwilligen Vereinigungen unter Dach und Fach zu bekommen.«
Die verordneten Fusionen werden danach, im ersten Halbjahr 2014, umgesetzt: »Wir werden uns dann mit gesetzlichen Bestimmungen auseinandersetzen, um all jene in die Landkarte zu führen, an der wir im Kern bis 2015 festhalten wollen«, so der Landeshauptmann. Sein Vize Hermann Schützenhöfer stößt in dasselbe Horn: »Ich habe den Eindruck, dass die Akzeptanz steigt, aber es gibt einige hartnäckige Gegner dieser Reform. Uns bleibt ein gutes Jahr, um weiterhin viel Überzeugungsarbeit zu leisten, und ich kann nur wiederholen: Der große Wurf steht, im Detail kann man über alles reden.« Ebenfalls im ersten Halbjahr 2014 wird auch das Budget für 2015 beschlossen werden. Finanzlandesrätin Bettina Vollath will dem Landtag einen Haushalt mit weiteren 190 Millionen Euro an Einsparungen vorlegen. Danach werden die Reformpartner in den Wahlkampf-Modus wechseln. Aus heutiger Sicht erscheint die Fortsetzung der rot-schwarzen Partnerschaft in einer Koalition durchaus plausibel.
Stadt Graz präsentiert Zweimilliarden-Budget für 2014 und 2015
In einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentierte die schwarz-rot-blaue Grazer Rathauskoalition das Doppelbudget für 2014 und 2015. Bürgermeister Siegfried Nagl sprach von einer »Autobahn Richtung Zukunft« und will neue Schulden vermeiden. Für Investitionen stehen, so Nagl, 250 Millionen Euro bereit. Finanzstadtrat Gerhard Rüsch sieht das Doppelbudget als eine Bewährungsprobe für den Stabilitätspakt, der ab 2016 das Einfrieren der Verschuldung bei 1,3 Milliarden Euro vorschreibt. Im nächsten Jahr sollen die Ausgaben um ein Prozent, danach um drei Prozent reduziert werden. Die Stadt Graz werde den Weg, die Abgaben und Gebühren jährlich anzupassen, fortsetzen, erklärte Nagl. SPÖ-Vizebürgermeisterin Martina Schröck freute sich über neue Schwerpunkte im Sozialbereich: »Wir haben für den Bereich Arbeit und Beschäftigung jetzt rund 1,3 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung«, und FPÖ-Stadtrat Mario Eustacchio kündigte die Gratis-Nutzung der Straßenbahnen im City-Bereich zur Belebung der innerstädtischen Kerneinkaufszone an.
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Politicks, Fazit 93 (Juni 2013)
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