Wir machen Schluss
Redaktion | 26. September 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 96, Schlusspunkt
Allmonatliche Finalbetrachtungen diesmal von Christian Klepej und Johannes Tandl Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Doch wie viel davon lassen wir tatsächlich zu? Als Herausgeber von Fazit sehen wir uns fast täglich mit Gefahren, Verführungen und Zensurversuchen konfrontiert, die damit im Zusammenhang stehen.
Da ist einmal das Thema der »politischen Korrektheit«. Für jeden Fazit-Redakteur ist ein Sprachgebrauch, der sich durch eine besondere Sensibilisierung gegenüber Minderheiten kennzeichnet und sich einem Antidiskriminierungsgebot verpflichtet fühlt, eine Selbstverständlichkeit. Doch die gelebte „politische Korrektheit“ kann leicht auch zu Selbstzensur, Denkverboten und damit zu Tabu-Themen führen, über die wir nicht gerne schreiben, weil es uns inhaltlich punzieren könnte. Und so gibt es immer wieder Inhalte, mit denen wir uns lieber nicht im Klartext auseinandersetzen. So werden Sie etwa im Fazit-Investor keinen Artikel finden, der ihnen davon abrät, in Gegenden mit überproportionalem Migrantenanteil eine Immobilie zu erwerben. Stattdessen werden Sie in einer abgeschwächten Variante lesen, dass sie beim Immobilienkauf besonders auf die Lage achtgeben müssen, weil diese wie ein Turbo oder wie eine Bremse auf die künftige Wertentwicklung wirken kann. Natürlich rufen uns immer wieder Werbekunden an, um sich über den einen oder anderen Artikel oder Kommentar aufzuregen. Auch das kann unsere Unabhängigkeit in Bedrängnis bringen, doch meist sind wir stark genug, um uns solchen Argumenten zu widersetzen. Die Anrufer lassen sich ohnehin meist mit dem Hinweis beruhigen, dass sie froh darüber sein sollen, dass ihre Werbung in einem polarisierenden Umfeld erscheint, weil das eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sie wahrgenommen wird. Denn für uns gibt es nur Leser und Nichtleser. Sogenannte Querleser gibt es nicht. Die sind eine reine Marketing-Erfindung.
Auch die Tatsache, dass wir in Zeiten eines schrumpfenden Printmarktes ständig auf der Suche nach neuen Erlösquellen sind, macht die Sache mit der Pressefreiheit und der Unabhängigkeit nicht einfacher. Zu welchen Grenzüberschreitungen dürfen wir uns in Zusammenhang mit Advertorials unserer Schaltkunden gerade noch hinreißen lassen? Und was ist mit unserer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit tatsächlich nicht mehr vereinbar?
So verzichten wir regelmäßig auf gutes Geld, weil wir uns weigern, die Titelseite zu verkaufen. Und selbstverständlich sind auch alle anderen nicht als Werbung gekennzeichneten Inhalte von der Redaktion und nicht vom Verkauf bestimmt.
Guter Journalismus muss wahrhaftig sein. Wer regelmäßig publiziert, kennt das Dilemma. Wie undramatisch darf das, worüber wir berichten, sein? Und so sind wir alle in gewissem Maße durch einen »Alarmismus« geprägt, der zumindest Leser verspricht. Den Euro gibt es trotz zahlreicher Warnungen immer noch und auch der Klimawandel hat es doch nicht ganz so eilig, wie wir mitunter behaupten. Und dann gibt es noch einen ganz anderen Bereich, der unsere Unabhängigkeit und damit die Pressefreiheit gefährdet. Alles, was von den Banken- oder Industrielobbys kommt, ist automatisch des Teufels und damit besonders hinterfragbar. Wir begrüßen diese kritische Distanz, sind jedoch stolz darauf, im Gegenzug zu den meisten Kollegen auch jene Dinge kritisch zu analysieren, die von den Lobbys und Nichtregierungsorganisationen aus dem Sozial- und Umweltbereich an uns herangetragen werden. Als Wirtschaftsmagazin haben wir es Gott sei Dank etwas einfacher, uns gegen die Indoktrinierungen von Gewerkschaften, Armutskonferenzen, Umwelt- und Sozialverbänden etc. zur Wehr zu setzen. Aber grundsätzlich machen wir uns schon sehr verdächtig mit unserer Meinung, dass die Einkommen doch nicht so ungleich verteilt sind, wie alle sagen, oder dass faire Bildung noch lange nichts mit guter Bildung zu tun haben muss.
Die redaktionelle Unabhängigkeit ist ein hohes Gut, das täglich verteidigt werden muss. Sie hängt untrennbar mit Pressefreiheit, Wahrhaftigkeit und Auflehnung gegen jegliche Art von Konformismus zusammen. Und weil wir uns nicht nur der politischen Korrektheit, sondern auch unserer eigenen Unabhängigkeit verpflichtet fühlen, wird etwa das »Binnen-I« im Fazit auch in Zukunft nur in bezahlten Advertorials vorkommen. Und auch auf das Recht gegen jeglichen Gesinnungsdruck anzuschreiben, werden wir nicht verzichten.
::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK
Wir machen Schluss! Fazit 96, (Oktober 2013)
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