Stolzer Saubauer
Michael Neumayr | 20. November 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 98, Fazitportrait
Wenn auch auf Sportplätzen oft als Kraftausdruck beliebt, ist es kein Schimpfwort. Franz Habel trägt diesen Titel mit Stolz. Nicht nur weil er mit seinen Tieren respektvoll umgeht und weiß, was er macht, sondern auch, weil sein Produkt, der Vulcano-Schinken, sogar einen eigenen Flagshipstore im ersten Wiener-Gemeindebezirk, zwischen Steffl und Rathaus, hat. Deshalb ist Habel ein stolzer Saubauer.
::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK
Dass Franz Habel kein Büromensch ist, merkt man sofort. »Ich habe leider nicht besonders viel Zeit. Ich muss den Budgetplan für das kommende Jahr fertig machen«, beginnt er das Gespräch beim Interviewtermin am späten Vormittag. Nicht unbedingt eine angenehme Arbeit, aber auch sie muss gemacht werden.
Im modernen Büro stapeln sich die Preise, die seine Schinken im Laufe der Jahre gesammelt haben, und durch eine im Boden eingelassene Glasscheibe blickt man direkt in das Herz des Unternehmens, die Reifekammer, in der die Schinken bis zu 36 Monate heranreifen. Begonnen hat alles zur Jahrtausendwende. »In der Landwirtschaftsschule hat man mir früher beigebracht, dass man als Saubauer nur über den Preis arbeiten kann. Die Qualität, sofern sie ein paar Mindeststandards erfüllt, hat keine große Rolle gespielt. Schon gar nicht für die Preisentwicklung«, erzählt Habel und erklärt, dass seit dem freien Markt in der EU der Preis für Schweinefleisch immer weiter gesunken sei.
Keine Preisschlacht
»Dabei ist der Sinn fürs hochwertige Lebensmittel verloren gegangen«, kritisiert der Landwirt. Damals habe man sich in der Region zusammengesetzt und festgestellt, dass man so nicht konkurrieren könne. Landschaftlich – Außersbach liegt in einer hügeligen Landschaft – wäre es ohnehin unmöglich gewesen, sich mit den großen Schweinefarmen, die es etwa in Spanien oder Deutschland gibt, zu messen. Als kleiner Schweinebauer könne man so ohnehin nicht überleben. Man habe sich aber weniger auf die Schwächen konzentriert, sondern sich der Stärken besonnen. »Ein kleines Boot ist wendiger als ein großer Dampfer«, ist Habel optimistisch und er hat diese Idee aufgenommen und mit einer Handvoll Bauern begonnen, selbst Schinken herzustellen.
Das Risiko war groß und mit der Zeit – zuletzt auch, weil die Produktionsstätte abgebrannt ist – sind seine Partner wieder ausgestiegen. Habel ist geblieben und mit Christian Trierenberg hat er einen neuen finanzstarken Partner gefunden. Vor einem Jahr wurde dann die wieder aufgebaute Manufaktur, mit Museum, eröffnet. »Hätte ich damals im Jahr 2000 gewusst, wie aufwendig das ist, ich hätte es nicht angefangen«, gibt Habel zu. Der Schweinepreis sei damals aber besonders niedrig gewesen und er habe sich selbst mit dem Produkt nicht mehr identifizieren können. Deshalb musste etwas geschehen.
Vom Futter bis zum Schinken
Das Identifikationsproblem hat Habel heute nicht mehr. Auf dem Weg in den Schweinestall treffen wir ein paar Besucher und schnell ist die Frage gestellt: »Bist du der Bauer?« »Ja«, sagt Franz Habel sichtlich stolz, und als sich herausstellt, dass auch die Gäste Bauern aus dem Salzkammergut sind, gibt es einen festen Händedruck und schon wird gefachsimpelt. Einer der Besucher fragt ungläubig: »Verarbeitest du deine Schweine alle selbst? Ja, wie schaffst du denn das?« Später erzählt Habel, dass es viele Kollegen gab, die an seinem Erfolg gezweifelt haben. »Zuerst haben die Bauern gesagt, dass das nicht klappen wird. Dann sind die Fleischhacker gekommen und haben erklärt, dass das nicht gehen wird.« Oft habe es geheißen, was denn der Bauer wolle? Der solle weiter seine Fadeln (Anmerkung: steirisch für Ferkel) füttern. »Ich bin trotzdem meinen Weg gegangen und der Erfolg gibt mir recht«, so Habel. Und wieder kommt der Stolz der Bauern zur Sprache. »Wir Bauern schotten uns viel zu viel ab. Man muss authentisch und ehrlich sagen, was man macht und wofür man steht. Ein Schweinebauer braucht sich nicht für seine Arbeit zu schämen. Hätte der Schweinebauer das Image eines Winzers, wir hätten kein Nachwuchsproblem«, erklärt Habel. Umso stolzer ist Habel, dass seine Töchter zu seiner Arbeit stehen und auch im Betrieb tätig sind. Die Arbeit mit dem Schwein sei außerdem komplexer als die eines Winzers. »Immerhin arbeiten wir mit einem Lebewesen, das fühlt und dem es gut gehen soll. Der Prozess vom Futter bis zum Schinken ist sehr aufwendig«, erzählt der Schweinebauer. Doch der Kunde bestimmt, was er bekommt, und für den Kunden sei der Preis das wichtigste Kriterium. Doch Franz Habel bringt es auf den Punkt: »Es ist nicht möglich, dass gute Produkte billig angeboten werden können, denn gute Arbeit kostet Geld.« Man dürfe sich also kein Schnitzel um 3,50 Euro erwarten und gleichzeitig fordern, dass es den Tieren gut gehe. Wenn der Kunde billiges Fleisch wolle, dann bekomme er billiges Fleisch, so Habel. Deshalb sieht er im Weinbau ein großes Vorbild, dort konnte man diesen Trend nämlich umkehren und einen Markt für hochwertigen Wein aus Österreich schaffen. Beim Schinken sei es sein Ziel, zu den Besten der Welt zu gehören. »Das soll jetzt nicht arrogant klingen, der Weg ist das Ziel«, schmunzelt Habel. Dass er in gewisser Weise schon angekommen ist, zeigt die Fachzeitschrift »Beef«.
Dort wurde der Vulcano-Schinken zu den sieben besten Schinken der Welt gezählt. Sein Markt bleibt jedoch eine Nische. Zwischen 10.000 und 12.000 Schinken produziert er pro Jahr. Verwendet werden ausschließlich Hinterbeine. Das macht 5.000 bis 6.000 Schweine, die jedes Jahr in seiner Manufaktur verarbeitet werden. Geschlachtet wird alle drei Wochen. Österreichweit werden maximal 50.000 Rohschinken produziert. Eine Summe, die den großen Produzenten in Spanien und Italien gerade einmal ein müdes Lächeln kostet.
Der mit den Schweinen spricht
Im Stall angekommen, merkt man, Habels Schweine fühlen sich sichtlich wohl. Nicht nur weil die Besucher der Manufaktur die Schweine mit frischen Eiern füttern können und sie über entsprechenden Auslauf verfügen. Wenn Franz Habel in den Schweinestall kommt, dann spricht er mit den Tieren, als wären sie alte Freunde. Was zuerst wie ein Marketinggag klingt, ist Habel aber wirklich wichtig. »Wenn es zur Schlachtung geht, komme ich noch einmal in den Stall. Die Tiere kennen mich und ich verabschiede mich noch einmal von ihnen und erkläre was jetzt passiert«, erklärt Habel. Außerdem verbringen sechs Schweine ihr Gnadenbrot auf dem Bauernhof. Sie kennt Habel beim Namen und kann sogar kleine Kunststücke mit ihnen vorführen. »Brandy wurde von den Feuerwehrmännern so benannt, weil sie den Brand überlebt hat«, erzählt er und füttert Brandy ein Ei, nicht bevor sie sich zu ihm hingesetzt hat. Auf dem Weg zurück zum hauseigenen Feinkostladen erzählt Franz Habel von seinem Produkt, dem Rohschinken: »Ich habe viel in Italien, Frankreich und Spanien recherchiert.« Von dort kommen die meisten Rohschinken und vieles macht Habel ähnlich, aber nicht gleich wie die großen Vorbilder. »Das Futter ist ausschlaggebend für die Qualität des Schinkens. Mais ist ein gutes Futtermittel, hat aber einen nicht so guten Einfluss auf das Fett wie Getreide, speziell der Roggen. Wir füttern daher viel Roggen und kommen daher auch auf einen höheren Fettgehalt. Wenn es ums Salzen geht, sagen die Italiener, dass der Schinken so lange im Salz liegen muss, wie er schwer ist. Wir ziehen davon ein oder zwei Tage ab. Das macht den Schinken bekömmlicher. Wir verwenden außerdem weniger Gewürze. Es kommen nur Meersalz, Pfeffer, Wacholder und Koriander an den Schinken.« Wichtig sei auch die Reifetemperatur.
Durch die guten Rohprodukte könne der Vulcano-Schinken nämlich bei relativ hohen 24 Grad Celsius reifen. Das würde sehr viel Einfluss auf die Geschmacksentwicklung geben. Beim Verkosten des Schinkens verrät Franz Habel den Gästen aus Oberösterreich noch schnell einen Trick. »Nehmt ein Stück Schinken in den Mund, genießt es kurz und schluckt es dann gemeinsam mit ein bisschen Wein hinunter. Ich weiß, wir haben gelernt, dass man zuerst schluckt und dann trinkt, aber das Geschmackserlebnis ist besonders toll«, versichert er. Inzwischen ist es schon Nachmittag geworden. Das Interview hat dreieinhalb Stunden gedauert. Franz Habel muss jetzt endgültig los, doch nicht das Büro, sondern der Schweinestall wartet. Ob er den ungeliebten Budgetplan an diesem Tag noch einmal angeschaut hat, darf bezweifelt werden, zu wichtig ist ihm der Teil seiner Arbeit, der sein Unternehmen zu dem gemacht hat, was es ist. Und dieser Teil grunzt nun einmal im Schweinestall und piepst nicht wie ein Computer.
Vulcano Fleischmanufaktur
8330 Auersbach, Eggreith 26
Telefon: +43 3114 2151
vulcano.at
Habels Vulcano-Schinken ist in Graz unter anderem bei Frankowitsch in der Stempfergasse erhältlich.
***
Fazitportrait, Fazit 98, (Dezember 2013) – Foto: Michael Neumayr
Kommentare
Antworten