Einzigartige russische Positionen im Grazer Kunsthaus
Katharina Kocher-Lichem | 19. Februar 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 100, Kunst und Kultur
Ausstellung: Utopie und Realität Die aktuelle Ausstellung im Space 01 des Grazer Kunsthauses »El Lissitzky – Ilya & Emilia Kabakov« verlangt dem Besucher viel ab. Das liegt an der Fülle der Objekte, die man kaum fassen kann und an der Komplexität der Geschichte, die ihr zugrunde liegt.
Das Van Abbemuseum in Eindhoven ist im Besitz einer der größten Sammlungen von Werken von El Lissitzky, einem 1890 geborenen russischen Architekten und Maler, der in der Oktoberrevolution 1917 den künstlerischen und sozialen Neubeginn der Menschheit sah. Die Revolution fand auch in der Malerei ihren Niederschlag, Kasimir Malewitsch begründete den Suprematismus, die absolute Abstraktion, das konsequent Ungegenständliche. El Lissitzky arbeitete am gleichen Institut wie Malewitsch, er übertrug den Suprematismus auf seine Bilder und malte streng geometrisch.
2010 lud das Van Abbemuseum das Künstlerehepaar Emilia und Ilya Kabakov ein, sich als Gastkuratoren von der Lissitzky-Sammlung inspirieren zu lassen. Das russische Paar hat in der Folge zarte Grafiken, großformatige Gemälde und raumfüllende Installationen Kabakovs den Werken Lissitzkys gegenübergestellt.
Ilya Kabakov wiederum verbindet mit Peter Pakesch und Graz eine Geschichte, Pakesch hatte ihm 1988 den ersten Aufenthalt im Westen ermöglicht und das Ehepaar im Vorjahr motivieren können, die erfolgreiche Ausstellung von Eindhoven, die auch schon in St. Petersburg und Moskau zu sehen war, für den speziellen Raum des Grazer Kunsthauses zu adaptieren.
So kommunizieren nun im Kunsthaus über 40 geometrische Werke Lissitzkys, die die neue Ordnung der Gesellschaft zum Ausdruck bringen sollten, mit den melancholischen und auch humorvollen Werken Kabakovs, der die bittere Realität in Russland von 1933 bis 1988 erlebt hat. Zu sehen sind zudem die wichtigsten Installationen des Künstlerpaares Kabakov über den tristen Alltag in russischen Gemeinschaftshaushalten oder die Leihgabe aus dem Centre Pompidou »Der Mann, der aus seinem Zimmer in den Kosmos flog«. Diese Rauminstallation stellt Kabakov dem berühmten »Prounenraum« von Lissitzky gegenüber. Proun ist ein Akronym für »Projekt für die Behauptung des Neuen«. Das »Monument für einen Tyrannen« von Kabakov zeigt Stalin, der vom Sockel gestiegen ist und vor dem die Passanten davonlaufen. Kabakov reflektiert hier Lissitzkys Modell einer Rednertribüne für Lenin, der sich damit hoch über die Straßen und das Volk erheben können sollte.
Im Kunsthaus taucht man ganz in diese beiden russischen Welten ein – dabei das sehr gute Begleitheftchen zur Hand zu nehmen, erleichtert das Verständnis in jedem Fall dort, wo man durch kyrillische Buchstaben an seine Grenzen stößt. Diese Ausstellung ist exzeptionell und eine der wichtigsten, die das Kunsthaus heuer zu bieten hat. Muss man gesehen haben.
El Lissitzky – Ilya und Emilia
Kabakov, Utopie und Realität
Kunsthaus Graz, Space 01
noch bis 11. Mai 2014
.
Alles Kultur, Fazit 100 (März 2014) – Onlinelayout
Kommentare
Antworten