Geht es linken Moralisten wirklich nur um das Leid der Palästinenser?
Christian Klepej | 19. Februar 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 100
Martin Schulz, bundesdeutscher SPD-Politiker und seit 2012 Präsident des Europäischen Parlamentes, hat dieser Tage eine Rede in der Knesset, dem israelischen Parlament in Jerusalem, gehalten und diese Rede ist nicht ganz unbeachtet geblieben.
Abgeordnete der israelischen Versammlung hätten während seiner Ausführungen in deutscher Sprache für einen Eklat gesorgt, vermeldet Spiegel-Online. Ursache und Wirkung? Ganz unbeteiligt wird Schulz an diesem »Eklat« nicht sein. Er kritisierte die israelische Regierung. Nichts, was ungewöhnlich wäre und man gerade von linken, vor allem bundesdeutschen Politikern durchaus gewohnt ist. Um es gleich vorweg ganz klarzustellen: Israel, die israelische Regierung kann natürlich wie jede andere Regierung (oder Opposition oder Nichtregierungsorganisation) auch immer und immer wieder kritisiert werden. Und soll es natürlich auch. Vor allem übrigens dann, wenn eine Kritik angebracht erscheint. Wer immer das zu entscheiden hat.
Aber natürlich unterliegt Schulz einer besonderen Verantwortung: Er hat die Knesset als Präsident des Europäischen Parlamentes besucht – bleibt aber dabei Bundesdeutscher. Und dann so salopp einige Zahlen zu präsentieren, wonach die Palästinenser im Westjordanland (auch Westbank; Teil der palästinensischen Gebiete) nur einen Bruchteil des Wassers der israelischen Siedler dort zur Verfügung hätten, erscheint nicht ganz so verantwortungsbewusst. Noch dazu, wenn er später anfügte, dass er diese Zahlen nicht überprüft gehabt hätte. Schulz hatte sich also nicht einmal die Mühe gemacht, ordentliche und wenigstens halbwegs glaubwürdige Quellen für diese dreisten Anschuldigen zu liefern.
Weiters forderte Schulz die Israelis zur Versöhnung mit den Palästinensern auf: »Ich glaube fest daran, dass eine Verhandlungslösung realistisch ist«. Diese Forderung sei ihm unbenommen und sie ist – natürlich – zu unterstreichen. Jedes vernunftbegabte Wesen würde gerne eine friedvolle Koexistenz dieser beiden Völker sehen.
Aber warum belässt es Schulz nicht bei dieser Aufforderung und hantiert hingegen mit Halbwahrheiten, zumindest aber mit einseitigen Anschuldigungen? Man kommt einfach nicht umhin zu denken, vielen europäischen Sozialdemokraten (und Linksintellektuellen, wie etwa dem Oberlicht Henning Mankell), die besonders laut und besonders oft und besonders selbstgefällig Israel kritisieren, geht es gar nicht in erster Linie um die Palästinenser. Deren Schals mit aufgedruckten Nahostkarten – ohne Platz für Israel darauf – gerne von deutschen PDS-Bundestagsabgeordneten fotogerecht getragen wurden.
Das Leben im Gazastreifen, in dem es ein Fünfsternhotel gibt und in dem aufkeimende Geschäftstätigkeit durch arabische Sittenwächter und nicht durch marodierende Israelis gestört wird, ist sicher nicht annähernd ideal. Trotzdem tun sich mir auch andere Fragen auf: Wenn es nämlich oft heißt, im Gazastreifen fehle das Geld für Medikamente oder Spitäler, warum gibt es dann Geld für Lenkwaffen und Raketen, die immer wieder in Richtung Israel abgeschossen werden? Israel ist die einzige echte Demokratie in einem Meer von instabilen bis hin zu im Bürgerkrieg befindlichen Pseudorepubliken oder Despotien. In israelischen Gefängnissen sitzen israelische Soldaten, weil sie sich an palästinensischer Zivilbevölkerung vergangen haben. Und in der Knesset sitzen palästinensische Abgeordnete, weil Israel eben eine Demokratie ist.
Kritisieren wir Israel! Fordern wir jeden Tag aufs Neue endlich einen Frieden zwischen den Palästinensern und den Israelis. Aber wenn wir Palästinensern in dringender Not, in Hungersnot, in ständiger Lebensgefahr helfen wollen, dann schauen wir heute auch und vor allem nach Syrien, wo tausende palästinensische Syrier bereits dem schrecklichen Bürgerkrieg zum Opfer gefallen sind. Und wo erst in den letzten Wochen über 50 von ihnen einem qualvollen Hungertod erlegen sind. Die demokratischen Einrichtungen in Israel mögen nur wenig besser sein als jene bei uns. Aber in Israel gibt es sie. Und rund um Israel nicht.
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Editorial, Fazit 100 (März 2014)
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