Tandl macht Schluss (Fazit 100)
Johannes Tandl | 19. Februar 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 100, Schlusspunkt
Die Eidgenossenschaft integriert jährlich tausende Neuankömmlinge Unser westliches Nachbarland hat es geschafft, europaweit ein politisches Erdbeben auszulösen. Aufgrund der mehrheitlich geforderten Begrenzung der Zuwanderung wurde die Schweiz von vielen EU-Politikern, aber auch von zahlreichen internationalen Kommentatoren in ein xenophobes, nationalistisches Eck gerückt.
Wie Befragungen zeigen, haben sich nicht nur die Appenzeller »Landeier«, sondern die Mehrheit der Menschen im immer dichter besiedelten Ballungsraum zwischen St. Gallen und Genf für eine Begrenzung der Migration ausgesprochen. Menschen, die sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen und ein drohendes Lohndumping fürchten. Außerdem spüren die Schweizer, dass 80.000 zusätzliche Menschen jährlich die Mieten und Immobilien verteuern und auch, dass die öffentliche Infrastruktur immer öfter an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Die SVP hat es zudem geschickt verstanden, das Problem der Armutsmigration zu thematisieren. Und so wird die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa, die aufgrund ihres geringen Bildungsgrades kaum Chancen haben, nachhaltig auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen oder sich sozial und kulturell zu integrieren, von Beobachtern als das ausschlaggebende Argument für den Ausgang der Abstimmung gewertet. Denn kaum ein anderes europäisches Land hat es in der Vergangenheit so großartig wie die Schweiz verstanden, jährlich tausende Neuankömmlinge zu integrieren. Früher hatten aber nur solche Menschen eine Chance auf Aufnahme, die sich in die schweizerische Leistungsgesellschaft einfügen konnten.
Um am EU-Binnenmarkt teilnehmen zu können, musste die Schweiz die Niederlassungsfreiheit akzeptieren. Und sie hat bisher auch großartig von ihren Zuwanderern profitiert. Dass, angelockt vom hohen Wohlstand, mit der Zeit immer mehr Menschen kamen, die die hohen Mindest- erfordernisse für den Arbeitsmarkt nicht erfüllten, war kein großes Thema. Bis zur aktuellen Initiative wurde die politische Diskussion in der Schweiz ähnlich geführt wie bei uns, nämlich eingezwängt in ein enges Korsett der »Political Correctness«, das nicht nur das Wording, sondern auch die grundlegende Richtung der Diskussion vorzugeben versuchte. Das Ergebnis dieser »Undiskussion« war eine Stimmungslage, in der sich die Bürger nicht mehr wohl fühlten, weil sie ihnen das Gefühl vermittelte, der Politik hilflos ausgeliefert zu sein.
In Österreich sind wir inzwischen ja so weit, dass sich kaum ein Politiker gegen die Tatsache aufzutreten traut, dass die Fußgängerzonen mit bettelnden osteuropäischen Roma überschwemmt werden. Meinungen, die eine Begrenzung der Zuwanderung als notwendig erachten, verstoßen gegen ein Tabu. Wer in diesem ideologisch aufgeladenen Meinungsklima eine gesteuerte Zuwanderung fordert, gilt als Rassist. Aus Sicht der »Gutmenschen«, aber auch im Sinne der Niederlassungsfreiheit und der Grundrechtscharta hat eine Gesellschaft das Recht verwirkt, sich die Zuwanderer, die sie haben will, auszusuchen.
Die Schweizer Volksabstimmung ist natürlich eine Zäsur für die EU, die sich gerne an dieser überfälligen Diskussion vorbeigeschwindelt hätte. Denn zu diskutieren gibt es viel. Nicht nur, ob wir die bittere Armut in Teilen Südosteuropas dadurch bekämpfen, dass wir den Menschen ermöglichen, in unseren Sozialsystemen unterzuschlüpfen, muss thematisiert werden. Auch dass die reichen Länder die Gesundheitssysteme der ärmeren systematisch zugrunde richten, weil sie dort gezielt medizinisches Personal abwerben, ist nicht hinnehmbar.
Aber zurück zur Schweiz: Niemand soll so tun, als habe sich die Schweizer Bevölkerung für ein Ende der Zuwanderung ausgesprochen. Man muss selbstverständlich darüber diskutieren dürfen, welche Folgen die Migration auf Gesellschaft, Wohnungs- oder Arbeitsmarkt sowie Infrastruktur und Sozialsystem hat. Da reicht es nun nicht mehr, nur die wirtschaftlichen Vorteile der Zuwanderung anzu- preisen und mögliche negative Folgen zu verharmlosen. Sonst folgt in ganz Europa spätestens am 25. Mai das Erwachen. Am Tag der Europawahl.
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Tandl macht Schluss! Fazit 100, (März 2014)
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