Anzeige
FazitOnline

Politicks April 2014

| 26. März 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 101, Politicks

Verschwörungstheorien rund um Edlingers Rücktritt
Zum Rücktritt der beliebten Ex-Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder gab es zahlreiche Spekulationen, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Da ist einmal die von Edlinger selbst kolportierte Variante, dass sie deshalb zurückgetreten sei, weil sie für sich beschlossen habe, der nächsten Landesregierung nicht mehr angehören zu wollen, und deshalb rechtzeitig das Feld für ihren Nachfolger freimachen wollte, damit dieser das Sparbudget des Jahres 2015 selbst gestalten könne. Parteiinsider vermuteten hingegen, Edlinger hätte deshalb das Handtuch geworfen, weil einige „Forentrolle“ im Internet den tragischen Tod eines Säuglings mit der von Edlinger durchgesetzten Schließung der Voitsberger Gebärklinik in Zusammenhang gebracht hätten und sie daraufhin zu wenig öffentliche Unterstützer seitens der ÖVP gehabt hätte. Diese Version soll Edlinger übrigens im Parteivorstand auch selbst geäußert haben.
Breiten Anklang bei ÖVP-internen Reformgegnern findet hingegen eine Variante, der zufolge VP-Chef Hermann Schützenhöfer Edlinger im Namen seines angeblich designierten Nachfolgers Siegfried Nagl zum Rücktritt gezwungen hätte. Eine Einschätzung, die übrigens auch von der Kronenzeitung geteilt wird. Deren Chefredakteur Christoph Biro bezog sich in einer recht untergriffigen Kolumne auf eine mittlerweile weit verbreitete Verschwörungstheorie. Diese besagt, dass Nagl auf Betreiben einer persönlichen Beraterin Parteichef Hermann Schützenhöfer gebeten habe, Kristina Edlinger-Ploder den Rücktritt nahezulegen, um ihm die undankbare Aufgabe dieser Personalentscheidung abzunehmen. Aus der Sicht der Verschwörungstheoretiker ergäbe ein solches Vorgehen deshalb Sinn, weil mit Edlinger-Ploder Nagls gefährlichste Konkurrentin im ÖVP-Nachfolgespiel aus dem Feld geräumt wurde. Schützenhöfer habe übrigens schon einmal auf Nagls Betreiben in das Ruder der Spitalslandesrätin gegriffen, als er nämlich die Pläne für die Privatisierung des LKH-West gestoppt hatte.

Christopher Drexler wird endlich Landesrat
Obwohl die große Mehrheit der ÖVP-Funktionäre Kristina Edlinger-Ploder gerne weiterhin in der Landesregierung gesehen hätte, hatte ihr Rücktritt für die meisten von ihnen auch etwas Positives. Nur so konnte mit dem langjährigen Klubobmann Christopher Drexler einer der klügsten Köpfe, die die ÖVP in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat, endlich in die Regierung aufrücken. Der mittlerweile 43-jährige Drexler gilt als politischer Ziehsohn von Hermann Schützenhöfer, aber auch von Gerhard Hirschmann und gehört seit seinem 19. Lebensjahr dem Landesparteivorstand der Volkspartei an. In seinen 12 Jahren als Klubobmann durchlebte Drexler alle Höhen und Tiefen des Politikerdaseins. Da war 2005 die Wahlniederlage von Waltraud Klasnic – die Partei hat dieses Trauma bis heute nicht überwunden. Danach fungierte Drexler als Speerspitze im Kampf gegen Landeshauptmann Franz Voves. Legendär sind Drexlers Tiraden gegen den „derzeit amtierenden Landeshauptmann“, die ihm sogar mehrere Klagen eingebracht haben und einmal beinahe zu Neuwahlen geführt hatten. Trotz harter Auseinandersetzungen hatte Drexler auch in diesen Zeiten der Totalopposition immer eine gute Gesprächsbasis zu weiten Kreisen der Sozialdemokratie. Und so entwickelte er sich zum wichtigsten Umsetzungsgehilfen der steirischen Reformpartnerschaft. Mit Franz Voves hat er sich ausgesöhnt und auch zur Opposition hat er trotz zahlreicher Auseinandersetzungen einen überraschend guten Draht. Trotz wachsender Zustimmung schlägt Drexler am meisten Widerstand aus den eigenen Reihen entgegen. Zahlreiche ÖVP-ler sehen sich als Reformverlierer. Drexler ist für sie als Gegenüber, an dem sie ihren Frust auslassen können, hervorragend geeignet. Und Drexler bietet tatsächlich zahlreiche Angriffsflächen. Da ist sein Intellekt, der ihn in den Augen jener, die ihm nicht gewachsen sind, als zynisch erscheinen lässt. Außerdem gilt Drexler als Politiker, der zwar zuhört, sich aber nicht verbiegt. So dürfte ihm klar sein, dass er – was den Pflegeregress angeht – nur die Möglichkeit hat, die steirische Linie und jene des Bundes zu harmonisieren. Also wird der steirische Pflegeregress wohl bis zur Landtagswahl abgeschafft werden – aber nur wenn es ihm nicht gelingt, die anderen Bundesländer von der Notwendigkeit eines solchen zu überzeugen.

AK-Wahl – Nischenstrategie gegen die FSG-Übermacht
Die Sozialdemokratischen Gewerkschafter sind der große Favorit bei der steirischen Arbeiterkammerwahl. Dem neuen AK-Präsidenten Josef Pesserl wird zugetraut, die Verluste, die seine Fraktion im Jahr 2009 hinnehmen musste, wieder wettzumachen. Damals verloren die roten Gewerkschafter etwa 4 Prozent von knapp 70 auf knapp 66 Prozent. Der ÖAAB konnte einen halben Prozentpunkt auf 20,3 Prozent zulegen. Pesserl versucht, das hohe Zustimmungsniveau für seine Fraktion zu halten. Das erscheint möglich, weil die FSG schon in anderen Bundesländern, die bereits gewählt haben, bewiesen hat, dass sie Wähler, die bei Nationalratswahlen längst zur FPÖ abgewandert sind, bei der AK-Wahl immer noch für sich gewinnen kann.
Der Spitzenkandidat der ÖVP-Arbeitnehmer ist der Chef der Steirischen Pendlerinitiative Franz Gosch. Mit seinen Aktivitäten rund um die Pendlerproblematik punktet er weit über die klassischen ÖVP-Schichten hinaus. Ob er damit Zugewinne der Sozialdemokratie verhindern kann, bleibt abzuwarten. AK-Wahlen werden traditionell über die Zielgruppenmotivierung entschieden. Und diesbezüglich waren die FSG den Christgewerkschaftern trotz aller Kompetenz bei der Pendlerproblematik zuletzt deutlich überlegen.

Grünes Halali auf Schönegger
Nachdem die Staatsanwaltschaft via APA ankündigte, die Immunität des steirischen ÖVP-Abgeordneten Bernd Schönegger aufheben zu wollen, starteten die Grünen eine massive Kampagne gegen den designierten Grazer Stadtrat. Schönegger sei untragbar geworden. In einer Pressekonferenz wob der Chef der steirischen Grünen ein Bild von Korruption und Verbrechen, das den Eindruck entstehen lassen konnte, Schönegger sei sowohl für den Untergang der Hypo-Alpe-Adria als auch für zahlreiche andere Skandale persönlich verantwortlich. Doch worum geht es bei der Sache wirklich? Wie Kogler bei seiner Pressekonferenz zugeben musste, gibt es als einzig belastendes Moment gegen Schönegger eine APA-Meldung, die besagt, dass die Staatsanwaltschaft im Besitz eines hochrangigen Mitarbeiters eines Telekom-Tochterunternehmens sei, in dem dieser Schönegger bittet, eine Rechnung mit einem gewissen Inhalt an dieses Unternehmen zu stellen. Um Schönegger in einem solchen Ausmaß öffentlich hinzurichten, sollte zumindest klar sein, dass dieser eine solche Rechnung tatsächlich ausgestellt hat. Schönegger sieht sich von Kogler verfolgt und geht davon aus, dass die Staatsanwaltschaft seine Immunität nur deshalb aufheben lässt, um ihn zu gegenständlichem E-Mail befragen zu können. In diesem Zusammenhang erscheint die Vorgehensweise der Wiener Staatsanwaltschaft tatsächlich ziemlich dubios. Indem sie Schönegger gegenüber der APA als Beschuldigten bezeichnet, gefährdet sie ihre eigenen möglichen Nachforschungserfolge. Wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich im Besitz einer nicht zu rechtfertigende Faktura der Grazer ÖVP an ein Telekom-Unternehmen wäre, ergäbe es doch viel mehr Sinn, mit diesem Nachforschungserfolg an die Öffentlichkeit zu gehen. Sollte die Staatsanwaltschaft – was aufgrund der APA-Meldung anzunehmen ist – jedoch nicht im Besitz dieser Rechnung sein, hat sie mit ihrer seltsamen Pressearbeit wohl dafür gesorgt, dass diese Rechnung nie mehr auftauchen wird. Übrig bleibt dann nur ein angepatzter Grazer VP-Abgeordneter.

Eibinger: „Die Reformen sollen die Regionen stärken!“
Das überraschende Ausscheiden von Kristina Edlinger-Ploder aus der Landesregierung hat innerhalb der steirischen ÖVP ein Personalkarussell ausgelöst. Christopher Drexler rückte in die Landesregierung auf und die VP-Nachwuchshoffnung Barbara Eibinger folgt ihm als Klubobfrau der VP-Landtagsfraktion nach.
Als sie von Parteiobmann Hermann Schützenhöfer gefragt wurde, ob sie bereit wäre, die Klubführung zu übernehmen, war für Eibinger klar, dass die Antwort nur „ja“ heißen kann: „Diese Chance kriegst du als Politikerin nur einmal. Nachdem auch meine Familie und mein Lebensgefährte zugestimmt hatten, sagte ich zu.“
Die 34-jährige Juristin und Betriebswirtin hat ihre politischen Wurzeln im Wirtschaftsbund und in der Frauenbewegung. Als ÖVP-Kommunalpolitikerin in einer Gemeinde mit absoluter SPÖ-Mehrheit, lernte sie auch, die schwierige Rolle einer kommunalpolitische Oppositionspolitikerin kennen und wähnt sich gut gewappnet für die Herausforderungen der Klubführung.
Die Krise ihrer Partei sieht Eibinger als Chance, notwendige Veränderungen in der Partei voranzutreiben. Die Ursachen für den Absturz der Volkspartei will sie jedoch auf die Bundespartei beschränkt wissen. Sie spricht vom „rauen Wind, der uns aus Wien entgegenschlägt“. Auf Nachfrage räumt sie aber ein, dass es aber natürlich auch innerhalb der Steirer-VP Unsicherheiten wegen der Politik der Reformpartnerschaft gebe. Darin erkennt sie aber keine inhaltliche, sondern zuerst eine kommunikative Herausforderung, denn „den meisten Wählerinnen und Wählern ist, wenn man mit ihnen redet, klar, dass die Reformen notwendig sind. Deshalb müssen wir raus zu den Menschen.“ Im weiteren Gespräch legt Barbara Eibinger am Beispiel der Gemeindestrukturreform dar, dass die ländlichen Regionen durch die Reformen gestärkt und auf keinen Fall geschwächt werden sollen. So bietet die Bündelung der Ressourcen auf die regionalen Zentren die Chance, auch im Umland dieser regionalen Zentren attraktive Lebensbedingungen zu schaffen. Konkret nennt sie das Krakautal im Bezirk Murau, wo durch die Zusammenlegung der Gemeinden eine Ganztageskinderbetreuung möglich wird, die jenen Standards entspricht, wie sie derzeit nur die reichen Zuzugsgemeinden bzw. die Städte bieten könnten.
„Wenn wir die Abwanderung eindämmen wollen, müssen wir der Jugend und den Frauen ein Lebensumfeld bieten, dass es ihnen ermöglicht, in ihrer Region zu bleiben“, denn es sei klar, dass, wenn alles so weiterlaufe wie bisher, immer mehr Menschen dazu gezwungen seien, sich von den Regionen in Richtung Großraum Graz oder anderer Ballungsräume aufzumachen.
Angesprochen auf die Probleme der ÖVP in einem urbanen Umfeld, verweist Eibinger auf den Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, der mehrfach bewiesen habe, dass die Volkspartei auch in Großstädten erfolgreich sein könne. Grundsätzlich vertrete die ÖVP Werte, die auch von einem jungen, urbanen Publikum geteilt würden. Sie nennt die „ökosoziale Marktwirtschaft“ und die Themen „Nachhaltigkeit“ und „Familie“ und verweist darauf, dass diese Bereiche in sämtlichen Befragungen von der großen Mehrheit der Jungen als wichtigste Werte genannt werden. Großen Nachholbedarf sieht Eibinger hingegen bei der Zielgruppenansprache ihrer Partei. „Wir erreichen die Leute weder mit unseren Parteistrukturen noch über die traditionellen Kommunikationskanäle“, so Eibinger und erklärt, dass die Volkspartei nicht länger als Summe von Klientel-Interessen wahrgenommen werden dürfe. Barbara Eibinger glaubt an eine ÖVP, die wieder Erfolg haben wird, weil sie viel mehr ist, als die Summe der Interessen der von ihr vertretenen Gruppen.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Politicks, Fazit 101 (März 2014)

Kommentare

Antworten