Solo für Solar
Katharina Kocher-Lichem | 26. März 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 101, Kunst und Kultur
Eine Erzählung von Jack London ist die Basis des Theaterstücks »Ich und meine Sabberer – P‘tit Albert« auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses. Franz Solar glänzt als Tom in der Inszenierung von Lina Hölscher.
Das Publikum wartet im Stiegenhaus, Tom, gespielt vom langjährigen Ensemblemitglied des Grazer Schauspielhauses Franz Solar, öffnet die Türen, gebietet Einlass und stellt damit von Anfang an klar, wer die nächsten eineinhalb Stunden den Ton angibt. Der gesamte Bühnenraum ist Bühne, das Publikum sitzt an langen Biertischen, auch der Zuschauerraum ist vom Arbeitslicht hell erleuchtet.
Das Licht geht nie aus – es wird kein gemütlicher Theaterabend, wo man im dunklen Zuschauerraum seinen Gedanken nachhängen kann.
Tom, der »Deb ersten Ranges«, wie er sich selbst nennt und in der »Instinktion« genannt wird, deckt die Tische, fordert unwirsch vom Publikum Mithilfe ein. Während des Tischdeckens erzählt er seine Lebensgeschichte, er, der als Dreijähriger in diese psychiatrische Klinik gekommen ist und sich zum »Vernährungsexperten« hochgearbeitet hat, ein »verdankter« Glückspilz ist und die »Gabel der Sprache« beherrscht.
Diese Erzählung von Jack London basiert auf einer wahren Begebenheit: London ist angeblich während eines Spazierganges auf drei Insassen einer in der Nähe gelegenen Anstalt gestoßen – Tom und seine zwei Gefährten –, die gerade versuchten auszureißen. Die Dramatisierung stammt von Jean-Marie Frin, einem französischen Schauspieler, der 1984 aus der Erzählung für sich einen Monolog gemacht hat und in der Rolle des Tom 700 Mal auf der Bühne gestanden ist. Die Grazer Inszenierung von Lina Hölscher, 1986 in Berlin geboren und aktuell in Graz Regieassistentin, setzt auf die Unmittelbarkeit des Spiels im und mit dem Publikum und auf die Aura des Schauers und der Unberechenbarkeit, die »Narrischen« so in der landläufigen Meinung ja anhaftet.
Franz Solar weiß diese Rolle auszufüllen, bezieht das – überraschend junge – Publikum mit ein, inszeniert es phasenweise sogar und bringt den Großteil dazu, die Anstaltskost, einen grauenhaften Brei, zu essen. Am Ende zeigen Stück und Inszenierung Schwäche, Tom überlässt »seine Heiminsassen« ratlos ihrem Schicksal, aber er weiß ja: »wenn man sie versteht, ist es nicht schwer, sie in Frieden zu stellen, die Sabberer«.
Ich und meine Sabberer – P‘tit Albert
von Jean-Marie Frin nach einer Novelle von Jack London.
Regie von Lina Hölscher
Schauspielhaus Graz,
Probebühne
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Alles Kultur, Fazit 101 (April 2014) – Onlinelayout
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