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Es ist nicht unsozial, die hohe Steuerbelastung zu kritisieren

| 2. Juli 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 104

Erinnern Sie sich noch an Eugen Freund? Das war der »Spitzen«-Kandidat der Sozialdemokraten bei der heurigen Europaparlamentswahl im Mai. Zuvor war er Moderator beim ORF und danach wurde er dem Vergessen preisgegeben, jedenfalls dem der SPÖ, denn die hat Jörg Leichtfried zum Delegationsleiter in Brüssel gemacht. (Was, nebenbei bemerkt, eine beinahe exzellente Wahl darstellt!)

Inhaltlich hat Eugen Freund in seiner kurzen Politkarriere im Großen und Ganzen Unwesentliches beigetragen. Eine Sache verdient Erwähnung und die möchte ich uns allen in Erinnerung rufen. Auf die Interviewfrage eines Wiener Wochenmagazins, wie viel denn ein heimischer Arbeiter durchschnittlich verdiene, meinte er nämlich, er wisse es nicht, und fügte dem die ungefähre Schätzung von »rund 3.000 Euro« hinzu.
Der »Aufschrei« daraufhin war groß. Freund hätte keine Ahnung, war noch eine der höflichsten Reaktionen »im Netz«. Tags darauf geißelten ihn dann auch noch quasi alle Printmedien und veröffentlichen mit wenig verhohlener Schadenfreude, dass laut Statistik Austria ein österreichischer Arbeiter durchschnittlich etwas über 1.600 Euro netto verdienen würde. Kaum ein Medium fügte die wesentliche Information hinzu, dass dies in etwa einem Bruttobezug von 2.500 Euro entspricht und inklusive Dienstgeberbeiträgen dann eben beinahe 3.000 Euro ausmacht. Eugen Freund hatte also recht gehabt. Aus diesem einen Fettnapf, in den er nicht gesprungen ist, wollte man ihn aber auf gar keinen Fall rauslassen. Weil man wahrscheinlich nicht wahrhaben wollte, dass der jedem Bürger weggenommene Prozentsatz seines Einkommens jede anständige Dimension längst gesprengt hat.

Wir leben in einem Land, in dem die Steuerlast – auch für Gering- und Geringstverdiener – ungeheuer hoch ist. So ungeheuer hoch, dass man selbst bei einem Diebstahl mehr als gute Chancen hat, mit deutlich weniger finanziellem Schaden davonzukommen. Und wir leben in einem Land, in dem der überwiegende Teil der öffentlichkeitsarbeitenden »Intellektualität« mit Händen und Füßen an der Chimäre festhält, dass »der Staat« besser wisse, was mit dem Geld fremder Leute anzustellen sei, als diese Leute selbst; als Sie und ich eben. Kein Fürst, kein Tyrann hätte es bis ins 19. Jahrhundert hinein gewagt, seinen Bürgern kontinuierlich so viel wegzunehmen.

Und noch ein Trugbild gibt es, das diese augenscheinliche Massensedierung möglich macht: das Gute. Jeder nämlich, der, wie ich hier, zu hohe Steuern und Abgaben kritisiert, der (fürs Erste) gegen jede Art weiterer Steuern ist, dem wird das neuerdings schwerstmögliche Verbrechen zur Last gelegt. Er sei gegen die Armen. Er sei dagegen, den Armen, Schwachen und Hilfsbedürftigen zu helfen, sie zu unterstützen. Weil ja eben nach dieser kruden Logik pseudosolidarischer Zwangsumverteilung nur und alleine der Staat in der Lage ist, »Gerechtigkeit« auch im letzten Winkel herzustellen. Womit ich schon einen Kardinalfehler dieser »Denke« angesprochen habe, denn »Gerechtigkeit«, »totale Gerechtigkeit« wird es unter Menschen nie geben. Das bleibt bei allem Zeitgeist dem Paradiese vorbehalten. Und nur um Sie nicht zu schockieren, nicht weil es so »böse« Menschen wie mich gibt, sondern weil »Gerechtigkeit« jeder einzelne Mensch anders sehen kann. In einer freien Welt zumindest. Und in einer solchen, da sollten wir uns zumindest alle einig sein, möchten wir ja leben. Ich bin es niemandem zu Neide, wenn er Unterstützung aus unserer aus allen Rudern gelaufenen Umverteilung erfährt. Ganz im Gegenteil, ich bin stolz darauf, in einem Land zu leben, in dem niemand Hunger leiden muss. In dem niemand auf der Straße leben muss. Und selbst die Tatsache, dass zur Mindestsicherung auch der Flachbildschirm, der Internetzugang und die Teilhabe an kulturellem Leben gehört, halte ich für eine Errungenschaft. Ich will nur nicht, dass dieses System kollabiert. Und das wird es tun, wenn so weitergemacht wird. Armut und Sparen sind die Schlagwörter der Gegenwart, da könnte man meinen, »der Staat« habe »so wenig Geld«. Weit gefehlt, denn nie waren die Einnahmen Österreichs (oder der Bundesrepublik) so hoch. Es wird nur nie reichen, denn wer das Geld anderer Leute ausgibt, wird nie genug haben.

Und um nicht destruktiv zu enden, darf ich auf die Titelgeschichte dieser Ausgabe hinweisen, in der Peter Wagner und Johannes Tandl einen (ersten – wir werden uns von nun an verstärkt der Thematik widmen) Aufriss der steuerlichen Situation in Österreich versuchen. Und vor allem auf unseren Essay, in dem Wirtschaftsprüferin Silvia Krieger-Einem und der ehemalige Minister Caspar Einem sich mit »gerechten Steuern« befassen. In für mich mehr als lesenswerter Art und Weise. Die beiden belassen es nämlich nicht bloß bei einer trefflichen Analyse, sondern sie zeigen konkrete Änderungsmöglichkeiten (Stichwort Vermögenssteuer) auf. Die Regierungsparteien haben das bis dato nicht geschafft.

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Editorial, Fazit 104 (Juli 2014)
Leider ist in der Printausgabe ein nicht redigierter Text erschienen.
Es gilt diese Fassung.

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