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Die Gehässigkeit der vereinigten Flachkappen von Österreich

| 29. Oktober 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 107

Ich hätte nicht gedacht, dass es im Zusammenhang mit Claudia Bandion-Ortner etwas geben könnte, dass mich mehr ärgert als die Tatsache, dass sie von der ÖVP zur Justizministerin bestellt wurde. So kann man sich täuschen.

Bandion war ja vor ihrem Gastspiel in der Regierung Richterin und hatte es geschafft, dabei eine Art »Promi-Status« zu erlangen. Das prangerte ich damals schon an, weil ich der Überzeugung bin, dass Richter keine besondere »Öffentlichkeit« haben sollten. Nun haben zahlreiche österreichische Journalisten in Verbindung mit einem Gutteil der Innenpolitikdarsteller aber den Vogel abgeschossen.

Bandion arbeitet für das »König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog« (KAICIID, wohl das Akronym der englischen Bezeichnung), eine internationale Regierungsorganisation mit Sitz in Wien. In dieser Funktion hat sie dem Wochenmagazin »Profil« ein Interview gegeben und damit für heftige Reaktionen gesorgt. Zum Einen war es ihr Sager über »nicht jeden Freitag« betreffend Hinrichtungen in Saudi-Arabien, zum Anderen ihre Auseinandersetzung mit der für Frauen obligaten Ganzkörperverschleierung ebendort.

Bandion wurden in den vergangenen Tagen von in ihrer selbstgerechten Tonalität nicht zu überbietenden Kommentatoren von »reiner Geldgier« (Elfriede Hammerl) über »selbstgewisse Indolenz« (Hans Rauscher) bis hin zur »Schamlosigkeit« (Anneliese Rohrer) alle Niedertrachten dieser Welt vorgeworfen und einhellig erklang der Ruf nach einem Berufsverbot als Richterin. Seitens des Justizministeriums soll ernsthaft der Auftrag an das Oberlandesgericht Graz zur »Prüfung der Causa Bandion« mit der möglichen Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sie ergangen sein. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zeigte sich »schockiert über die Blödheit, die in dem Interview steckt«. Ob er auch darüber schockiert ist, dass er nicht weiß, dass eine internationale Regierungsorganisation mit Sitz in Österreich hier natürlich steuerrechtliche Vorteile in Anspruch nehmen kann – unsere Regierung hat das gemeinsam mit jenen Spaniens und Saudi-Arabiens vertraglich beschlossen –, ist nicht überliefert. Immerhin ließ er sich zu einem »da braucht es Aufklärung« hinreissen. Ähnlich auch der derzeit und zur Vertragsunterzeichnung regierende Bundeskanzler, Werner Faymann, der will sich jetzt »Informationen über den Vertrag mit dem König Abdullah-Zentrum« bestellen. Zur rechten Zeit, möchte man meinen.

Ich habe das Interview gelesen und ich kann diese, wie mir scheint, geheuchelte Aufregung nicht verstehen. Bandion hat nämlich eines aufs Neue bewiesen, dass sie zu jeder Stunde ihrer Ministertätigkeit in dieser Funktion überfordert war. Eine Tatsache, die dem verständigen Beobachter mit der Bekanntgabe ihrer Bestellung klar gewesen ist und damit keinesfalls Rechtfertigung, ihr nun auf so gehässige Art und Weise nachzutreten. Zudem hat sie gezeigt, dass sie zu naiv ist, um von einer Christa Zöchling »fair« interviewt zu werden. Noch dazu, wenn man kein prononciert linker Politiker ist oder war. Sie hat ausreichend klargestellt, dass sie gegen die Todesstrafe ist. Meines Wissens im Übrigen keine Notwendigkeit, rechtschaffener Bürger der Republik Österreich zu sein. Selbstverständlich soll mich niemand in meiner Ablehnung gegenüber der Todesstrafe übertreffen, ein weiteres Anliegen an den Rechtsstaat habe ich schon: das Recht auf freie Meinungsäußerung! Dabei wird die ehemalige Ministerin nur deswegen angegriffen, weil sie nicht den »genehmen Ton« im Umgang mit islamischen Sitten in islamischen Ländern, in Europa nimmt man das von der anderen Seite her strenger, getroffen hat. Und dann noch der lächerliche Vorwurf, sie hätte die Verschleierung der Frauen in Saudi-Arabien nicht ausreichend »kritisiert«. (Was passiert mit Politikern, die die Ganzkörperverschleierung in Europa kritisieren? Rechtspopulist ist wohl die geringste Strafe, die dann ausgesprochen würde.)

Nun gleich das ganze KAICIID in Frage zu stellen, ist hanebüchen. In aller Regel sind islamische Staaten undemokratisch verfasst. Das gilt es immer und immer wieder abzulehnen. Genauso gilt aber auch, dass sich kein Staat in die inneren Angelegenheiten eines anderen einzumischen hat. Der Dialog zwischen den Ländern muss trotzdem stattfinden – Bandion kann ja nicht in Saudi-Arabien einmarschieren – und dieses Zentrum, in dem erstmals islamische, christliche und jüdische (!) Vertreter gleichgestellt miteinander diskutieren, aufgrund lauter Flachkappen wieder zu schließen, erscheint mir nicht als der Weisheit letzter Schluss.

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Editorial, Fazit 107 (November 2014)

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