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Per Fahrrad durch Istrien

| 3. Oktober 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 106, Fazitreise

Foto: Harald Steiner

Als Istrien noch bei Österreich war, da bauten k.u.k.-Ingenieure eine Eisenbahn. Heute verläuft dort ein Radweg mit klingendem Namen: die Parenzana.

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Text & Fotos von Harald Steiner

Es war einmal eine kleine Bahnlinie. Die führte auf Schmalspurgeleisen von Triest die Westküste Istriens entlang nach Poreč, damals wie heute beliebte Urlaubsziele der Österreicher. Als sie 1902 ihren Betrieb aufnahm, war sie sogar noch eine rein österreichische Bahn – Urlaub im eigenen Land sozusagen. Sieben Stunden dauerte die Fahrt, die Konstrukteure hatten mit zahlreichen Tunnels, Viadukten, Spitzkehren sowie Steigungen bis zu 5 Prozent eine schwierige Aufgabe bravourös gelöst. Nach dem Ersten Weltkrieg lag die Bahntrasse plötzlich auf italienischem Gebiet, und weil Poreč auf italienisch Parenzo heißt, nannte man sie »Parenzana«. Leider waren ihre Tage aber gezählt: Mussolini ließ 1935 die Schienen demontieren und ins soeben eroberte Äthiopien verschiffen – dort kamen sie nie an, wegen einer Havarie des Dampfers liegen sie heute auf dem Meeresgrund.

Gleise gab es also keine mehr, aber immer noch den größten Teil der Trasse, als man vor einigen Jahren im Zeichen der EU-Osterweiterung Fördergelder vergab, um die Parenzana als Radweg wiedererstehen zu lassen. Der heutzutage nicht durch eines, sondern drei Länder führt: Italien, Slowenien und Kroatien, alles zusammen 135 km lang. Herbst und Frühjahr sind klimatisch die idealen Jahreszeiten, um ihn zu befahren, und man sollte sich reichlich Zeit nehmen, um die Vielfalt der Landschaft zu genießen, die Mittelmeerküche und den istrischen Wein, die malerischen Städte und Bergdörfer, die kulturellen Sehenswürdigkeiten aus der Zeit der Römer, der Venezianer und der Habsburger. Und natürlich die Überbleibsel aus der Eisenbahnepoche – damit lässt sich die Reise gleich stilgerecht beginnen, nämlich mit einem Besuch des ehemaligen Bahnhofs am Campo Marzio in Triest, einem prächtigen Jugendstilbau, der von einem privaten Verein als Eisenbahnmuseum geführt wird.

Wiener Kafeehäuser
Triest war ja mehr als 400 Jahre lang der wichtigste Hafen der Monarchie, heute ist es eine Stadt in den Dimensionen von Graz, und in puncto Architektur könnte man sich in Österreich wähnen. Auch »Wiener« Kaffeehäuser findet man in Triest, z. B. das Tommaseo, sogar mit leicht grantelnden Kellnern, wie beim Wiener Vorbild!
Was man in Triest nicht (mehr) findet, das ist die Parenzana-Trasse, folglich auch keinen Radweg. Aber es gibt ja das kleine Fährschiff »Delfino Verde«, das auch Fahrräder mitnimmt und das Städtchen Muggia ansteuert, auf dem einzigen Zipfel Istriens gelegen, der Italien noch geblieben ist. Ab Muggia ist der Radweg dann ausgeschildert, und alsbald ist man auch schon in Slowenien. Die Slowenen haben sich mit der Parenzana die meiste Mühe gegeben – die gesamte Strecke ist asphaltiert (in Kroatien oft nur grob geschottert, weswegen als Untersatz ein Mountain-Bike ratsam ist), die Tunnel sind beleuchtet (in Kroatien dagegen sollte man eine Taschenlampe dabeihaben), und in Izola gibt es ein eigenes Parenzana-Museum. Das dokumentiert nicht nur die Geschichte der Bahn, sondern die Museumskuratoren Srečko und Janja Gombač haben auch den Gebrüdern Rusjan, slowenischen Flugpionieren, und der alteingesessenen Spielzeugfabrik »Mehanotehnika« eigene Ausstellungsräume gewidmet.

Perlen der slowenischen Riviera
Unter den Perlen der slowenischen Riviera (Koper, Piran, Portorož) ist die Altstadt von Izola wahrscheinlich am reizvollsten, und einen Badestrand mitten im Ortszentrum gibt es auch. Wer sich im Hotel Marina einquartiert, kann die Kochkunst eines der höchstdekorierten Küchenchefs Sloweniens genießen, und das auch noch ziemlich preiswert: Ivica Evačić-Ivek setzt vorzugsweise Fischgerichte auf die Speisekarte.

An der Schengen-Grenze zu Kroatien werden Radfahrer in der Regel durchgewinkt, und jetzt beginnen die Mühen des Anstiegs, auf Naturpiste – allerdings sind die Steigungen mäßig, eben einer Bahntrasse angemessen. Und auf dem höchsten Punkt wird man mit einer wunderbaren Aussicht belohnt: die Salinen von Sečovlje aus der Vogelperspektive, heute kaum noch genutzt und zum Naturpark erklärt.

Trutzige Bergdörfer
Jetzt geht es ins Halbinselinnere, das Meer wird der Radwegtourist erst in Poreč wieder erblicken. Trutzige Bergdörfer wie Grožnjan, Završje oder Motovun, Eisenbahnbrücken und -tunnel sind indes auch nicht ohne Charme. Die erste Stadt auf kroatischer Seite heißt Buje, ehemals venezianisch und markant auf einem Hügelrücken erbaut. Ein wenig verwahrlost wirkt das historische Zentrum Bujes, ringsum liegen die Weingärten der größten Weinregion Instriens, und mittendrin direkt am Radweg die »Casa Parenzana«, ein Gästehaus (nicht nur) für Radfahrer, das der gebürtige Salzburger Guido Schwengersbauer mit viel Mühe und Herzblut renoviert hat. Über 16 Zimmer verfügt das labyrinthisch verschachtelte, alte Gemäuer, und für das leibliche Wohl sorgt Küchenchef Sergio Razman.

Jetzt im Herbst ist die Trüffel das große Thema, kommt der Edelpilz doch im Mirna-Tal südlich von Buje in beachtlichen Mengen vor. Sogar die größte je ausgebuddelte Trüffel der Welt stammt von hier: 1,3 kg! Giancarlo Zigante war anno 1999 der glückliche Finder. In der »Casa Parenzana« werden Trüffel über alle möglichen Speisen gehobelt: Rinderfilet, Schweinemedaillons, Eiergerichte, Pasta. Wahrlich eine Tour für Genussradler!

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Weitere Informationen
Am Meer und zugleich in der Altstadt liegt das Hotel »Marina« im slowenischen Küstenstädtchen Izola. Die Zimmer geräumig, die Küche auf Fisch spezialisiert und die Preise moderat. hotelmarina.si

Eine empfehlenswerte Anlaufstelle für müde Radfahrer am kroatischen Teil der Strecke ist die »Casa Parenzana« von Guido Schwengersbauer. Der Salzburger hilft gerne mit Rat und Tat aus, und auch mit Rad (nämlich mit ein paar Leih-Mountainbikes). Keineswegs verpassen: die herbstliche Trüffelsaison, die der istrischen Küche ihren köstlichen Stempel aufdrückt! parenzana.com.hr

Und noch ein Literaturtipp: Janko Ferk und Sandra Agnoli sind die Autoren eines wunderbaren Reisebuchs und Radwegführers, das im Vorjahr erschienen ist: »Die Parenzana«, 20 Euro, Styria

Fazitreise, Fazit 106 (Oktober 2014)

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