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Politicks Oktober 2014

| 3. Oktober 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 106, Politicks

Vorarlberg: Wahltag ist Zahltag –  aber wofür eigentlich?
Die Wählerstromanalyse der Vorarlberger Landtagswahl hat gerade für die Volkspartei seltsame Ergebnisse zutage gefördert. Die Vorarlberger ÖVP wurde nämlich trotz hervorragender Budgetzahlen und bester Wirtschaftsdaten heftig abgestraft. Es gab keine Skandale, und Landeshauptmann Markus Wallner half auch die niedrige Prokopfverschuldung von gerade einmal 457 Euro nicht weiter. Auch mit einer Politik ohne heftige Einschnitte für die Bevölkerung vermochte er nicht zu punkten. Dennoch hat die Vorarlberger ÖVP mehr als ein Drittel ihrer Wähler von 2009 eingebüßt. Jeweils ein Zehntel der VP-Wähler von 2009 wechselte zu den Grünen und zu den Freiheitlichen und überraschenderweise nur etwa jeder Dreißigste zu den NEOS, die sich ja bereits als selbst ernannte VP-Nachfolgepartei gesehen hatten.

Den Vorarlberger Wählern wird nachgesagt, dass sie sich in ihren Entscheidungen kaum von bundespolitischen Stimmungen beeinflussen lassen. Das mag vielleicht eine Erklärung dafür liefern, dass so etwas wie ein „Mitterlehner-Effekt“ ausgeblieben ist. Doch irgendwie korreliert das Landtagswahlergebnis dennoch mit jenem bei der Nationalratswahl 2013 und bei der EU-Wahl 2014. Denn auch dort musste die Vorarlberger ÖVP Verluste hinnehmen, die deutlich über dem Bundesschnitt lagen.

Steiermark: Steht die Abrechnung mit den Reformpartnern bevor?
Bei den Ergebnissen dieser letzten beiden Bundeswahlgänge gibt es übrigens Ähnlichkeiten zwischen Vorarlberg und der Steiermark. Auch in der grünen Mark lagen die VP- und SP-Verluste deutlich über dem Bundesschnitt. Doch anders als den Vorarlbergern wurde den Steirern von ihren Landespolitikern ein massives Sparpaket umgehängt. Und trotz Reformpartnerschaft sind die steirischen Landesschulden pro Kopf immer noch fünfmal so hoch wie die vorarlbergischen.
Da nützt es wenig, dass es Landeshauptmann Franz Voves und LH-Vize Hermann Schützenhöfer mit ihrer Sanierungspolitik gelungen ist, die Landesfinanzen so weit zu ordnen, dass es 2015 erstmals ein ausgeglichenes Landesbudget – ohne neue Schulden – geben wird. Denn nur sechs Monate vor der nächsten Landtagswahl finden in der Steiermark Gemeinderatswahlen statt. Der Ausgang der beim Verfassungsgericht anhängigen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der vom Landtag beschlossenen Gemeindefusionen ist kaum abzuschätzen. Und obwohl die Gemeindereform von der Mehrzahl der Bürgermeister – selbst von den meisten unmittelbar betroffenen – mitgetragen wird, kann schon eine einzige gerichtliche Aufhebung einer „Zwangsfusion“ das Meinungsklima nachhaltig vergiften. Die Sieger der Gemeinderatswahlen sind daher schon heute mit großer Wahrscheinlichkeit eher bei den Namenslisten, Freiheitlichen und Grünen auszumachen als bei SPÖ und ÖVP.

In der Volkspartei rechnet man außerdem damit, dass die Sanierungserfolge eher dem Ersten – also der Voves-SPÖ – zugerechnet werden als dem Zweiten – der Schützenhöfer-ÖVP. Man geht also davon aus, dass, falls Franz Voves noch einmal kandidieren sollte, die eigenen Verluste stärker wären als jene der SPÖ, denn dass der Wähler Mut nicht belohnt, ist inzwischen allen klar. Was das Antreten von Schützenhöfer anlangt, ist man in der ÖVP überzeugt, dass niemand besser als er gegen Voves bestehen kann. Und auch die steirischen Sozialdemokraten glauben, dass sie bei den Landtagswahlen nur mit einem Spitzenkandidaten Franz Voves reüssieren werden.

Reformpartner – Wer tritt an?
Die Voraussetzungen für SPÖ und ÖVP sind also nicht optimal. Sowohl Landeshauptmann Franz Voves als auch LH-Vize Hermann Schützenhöfer wird nachgesagt, das Feld lieber heute als morgen räumen zu wollen.
Ein Abtreten nach der Präsentation eines ausgeglichenen Landeshaushalts würde beide zu lebenden Legenden machen. Mit den zu erwartenden Verlusten, die beide bei einer nochmaligen Kandidatur hinnehmen müssten, wäre diese Mythenbildung nachhaltig gestört. Daher ist es nachvollziehbar, dass sowohl Voves als auch Schützenhöfer zwischen ihren Optionen – der Lust an einer mutigen Politik und dem Übergang in eine ruhigere Lebensphase – hin- und hergerissen sind.
Bei der ÖVP würde mit großer Wahrscheinlichkeit der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl auf Hermann Schützenhöfer folgen. Außenseiterchancen werden auch Agrarlandesrat Hans Seitinger eingeräumt. Bei der SPÖ tritt wenig über etwaige Alternativen zu Franz Voves nach außen. Aus Parteikreisen hört man zwar, dass die Bereitschaft von Voves, noch einmal anzutreten, mit der Wahrscheinlichkeit, mit der er die Partei auf einen Wunschnachfolger einzuschwören vermag, sinkt. Aber ob dieser Wunschnachfolger unter den derzeitigen Landesräten zu finden ist oder ob Voves Verteidigungsminister Gerald Klug oder gar einen Quereinsteiger präferiert, ist offen. Sollte Voves seine Nachfolge jedoch dem freien Spiel der innerparteilichen Kräfte überlassen, führt vermutlich kein Weg an Siegfried Schrittwieser vorbei. Denn keiner kennt die Partei besser und niemand ist so gut vernetzt wie der stellvertretende Landeshauptmann aus Thörl. Lesen Sie dazu: Politicks Oktober Spezial

Steiermark 2015: Beste Chancen für FPÖ und Grüne
Selbst wenn sich sowohl Franz Voves als auch Hermann Schützenhöfer breit schlagen lassen und sich eine neuerliche Kandidatur antun, liegen sämtliche Trümpfe auf einen Wahlsieg bei der Landtagswahl bei den Freiheitlichen und bei den Grünen. Beide Parteien haben sich bezüglich der Spitzenkandidaten bereits festgelegt.

Bei den Freiheitlichen wird der 38-jährige Gössendorfer Nationalratsabgeordnete Mario Kunasek das Erbe von Gerhard Kurzmann antreten. Die FPÖ hat bei der letzten Landtagswahl mit nur 10 Prozent ein miserables Ergebnis erreicht. Das Delta zu den 24 Prozent bei der Nationalratswahl sollte für Kunasek ausreichen, um der FPÖ einen Wahlsieg zu garantieren. Kunasek gilt ähnlich wie Kurzmann als paktfähig und verlässlich. Sollte die FPÖ über 20 Prozent kommen, könnte sich eine Zweierkoalition mit ihr ausgehen.

Die Grünen haben sich mit überraschend großer Mehrheit auf den 44-jährigen Admonter Lambert Schönleitner als Spitzenkandidaten geeinigt. Schönleitner gilt als bürgerlicher Grüner. Und wie Vorarlberg soeben gezeigt hat, ist das eine gute Voraussetzung, um auf Kosten der Volkspartei dazuzugewinnen. Auch für die Grünen liegt die Verdoppelung ihres Ergebnisses von 2010 im Bereich des Möglichen. Bei der Nationalratswahl 2013 ist ihnen das ja schon gelungen.
Dass ein grüner Wahlerfolg für eine Zweierkoalition mit SPÖ oder ÖVP ausreicht, erscheint aus heutiger Sicht dennoch unrealistisch. Mit 38 bzw. 37 Prozent halten Rot und Schwarz gemeinsam 75 Prozent der Stimmen. Ganz egal, wer die Reformpartner in die Wahl führen wird. Selbst bei deutlichen Verlusten wäre eine SP-VP-Reformkoalition wohl die plausibelste.

Den NEOS wurde nach den EU-Wahlen nun in Vorarlberg bereits zum zweiten Mal aufgezeigt, dass die pinken Bäume nicht in den Himmel wachsen. Je stärker sie ihre ursprünglich prägnanten und polarisierenden wirtschaftsliberalen Ansichten verwässern und durch linksliberale gesellschaftspolitische Positionen ersetzen, desto weniger werden sie vom Wähler gebraucht, denn dieses Feld wird ohnehin von den Grünen besetzt.

Regierungsumbildung bei SPÖ und ÖVP
Ausgelöst durch den Tod von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und den Rücktritt des glücklosen Volkspartei-Chefs Michael Spindelegger gab es auf Bundesebene zuletzt zahlreiche Personalrochaden. Die Zahnarzthelferin Doris Bures wechselt vom Infrastrukturministerium in das Nationalratspräsidium. Alois Stöger, der das dadurch vakante Infrastrukturministerium übernahm, folgte die Gewerkschafterin Sabine Oberhauser im Gesundheitsministerium nach. Bundeskanzler Werner Faymann hat dadurch den ÖGB weiter gestärkt. Und indem er nun auch dessen Steuerreformpläne als SPÖ-Parteibeschlüsse zulässt, hofft er, die Interessenvertretung über einen längeren Zeitraum ruhiggestellt zu haben. Spektakulär war die Abschiedsaktion von Michael Spindelegger. Unter dem Motto „Hinter mir die Sintflut“ hat er ohne Absprache mit der Partei das Handtuch geworfen. Der logische Nachfolger war Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und der hat schon bei seinen ersten Personalentscheidungen gezeigt, dass ihm sowohl das Ländergefüge als auch die bündische Struktur ziemlich egal sind. Der eigenwillige Wirtschaftsbündler Hans-Jörg Schelling und der ebenfalls im WB verankerte Paradeliberale Harald Mahrer sind jedenfalls ein Signal in Richtung „mehr Freiheit“ statt „mehr Gleichmacherei“.

Mit Schelling hat übrigens ein potenzieller Nachfolgekandidat für Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl das Feld geräumt. Dem 65-jährigen Leitl wird nachgesagt, bei der WK-Wahl noch einmal antreten zu wollen, um sich danach als Kandidat für das Bundespräsidentenamt zu versuchen. Der niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll hat ja bereits angekündigt – aus, wie VP-Insider vermuten, privaten Gründen – nicht dafür zur Verfügung zu stehen.

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Politicks, Fazit 106 (Oktober 2014)

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