Wir Menschen in Europa können schon miteinander
Christian Klepej | 3. Oktober 2014 | 1 Kommentar
Kategorie: Editorial, Fazit 106
Der Nordkurier ist eine kleine, regionale Tageszeitung im bundesdeutschen Mecklenburg-Vorpommern. Dieser Tage hat er über eine Reihe von Polizeieinsätzen in einem Asylbewerberheim im verschlafenen Drögeheide berichtet und diese Berichterstattung sieht sich nun mit scharfer Kritik seitens des Bündnisses »Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!« konfrontiert. Statt »Asylbewerber geraten in Streit« hätte die Zeitung besser und weniger verhetzend »Männer geraten in Streit« titeln sollen.
Das ist von diesem Bündnis sicher gut gemeint. Das hilft aber leider nicht darüber hinweg, dass eine sinnvolle Berichterstattung über einen Polizeieinsatz in einem solchen Heim eben nicht ohne den Hinweis auf dieses Heim stattfinden kann. Menschen, die bei uns um politisches Asyl ansuchen, ist zu helfen. Das ist gut so und das wird durch die Gesetze in allen Mitgliedsstaaten der EU auch garantiert. Es sind aber vor allem Menschen, und die können immer in Situationen geraten, die sie in einem nicht so guten Licht dastehen lassen (könnten). Würden wir andere Maßstäbe in der Berichterstattung über Asylbewerber gelten lassen, würden wir sie auch hier bei uns in die Rolle stecken, der sie ja eigentlich entkommen wollen: in die eines Opfers.
Ähnlich verhält es sich mit den Aussagen der Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi. Die hat vor einigen Tagen davor gewarnt, die islamistischen Terroristen des IS (Islamischer Staat) in »die Nähe des Islams zu rücken«. Der IS solle öffentlich nicht als »radikal-islamisch« bezeichnet werden, denn dies würde die Ehre der in der Bundesrepublik lebenden Muslime berühren. Ich kann diese dreiste Anschuldigung der SPD-Politikerin gegenüber den hier lebenden, gegenüber also bundesdeutschen (wie europäischen) Moslems nicht dulden! Denn mit mir wird wohl jeder andere europäische Staatsbürger nicht in der Bennenung einer Terrororganisation in »seiner Ehre berührt sein«, es werden wohl ganz im Gegenteil die Taten des IS sein, die unser aller »Ehre berühren«. Die Ausradierung ganzer Dörfer und die Ermordung oder Vertreibung von Menschen – Männern, Frauen und Kinder – aus ganzen Landstrichen. Oder die bestialischen Köpfungen dort lebender Moslems, Jessiden oder Christen bzw. von internationalen Journalisten, dann sogar vor laufenden Kameras. Diese Taten sind es, die jemanden »in seiner Ehre« berühren könnten! Und nicht, »wie« wir darüber sprechen, »wie« wir die – Muamer Becirovic hat es in seinem Gastkommentar auf Seite 46 gut auf den Punkt gebracht – »religiösen Analphabeten« des IS hierzulande bezeichnen.
Ich darf gleich nocheinmal auf den Kommentar des Wiener Schülers zurückkommen, nicht nur, weil er mir in weiten Teilen sehr gut gefällt und weil es mir wichtig ist, dass in unserem Magazin ein möglichst breites Meinungsspektrum herrscht. Becirovic hat nämlich sehr recht, wenn er meint, er habe nicht vor, den Anwalt von 1,5 Milliarden Muslimen zu spielen. Wenn er also anspricht, er habe genug davon, sich ständig von Greueltaten irgendwelcher Verrückter zu distanzieren. Da bin ich jedenfalls bei ihm. Das ändert aber nichts an einem: Islamischer Terror ist ein Problem des Islams. Das auszusprechen bedeutet nicht, dass alle Muslime, schon gar nicht, dass alle Mitbürger bei uns, die muslimischen Glaubens sind, damit unter Generalverdacht stehen. Selbstverständlich nicht. Aber es bedeutet eine Verantwortung. Und die Tatsache, dass derzeit mindestens 140 Österreicher in Syrien für den IS kämpfen und diese »Kämpfer« (wohl vor allem) in muslimischen Einrichtungen in Österreich indoktriniert wurden, gilt es aus eben dieser Verantwortung heraus, nicht zu leugnen, sondern sich ihr zu stellen. Das schmälert nicht die Ehre dieser unserer Mitbürger, ganz im Gegenteil zeichnet sie das aus.
Ich bin dieser Tage voll froher Hoffnung vor dem Kreißsaal des Grazer LKH gestanden. Und durfte dann, in einem bewegenden Moment, meine neugeborene Tochter meinen Freunden präsentieren. Die muslimische Familie, die ebenfalls voller Freude auf ihren Nachwuchs mit uns gewartet hatte, hat sich mit mir über dieses kleine und zugleich größte Wunder unserer Welt unglaublich gefreut. Wir Menschen in Europa können schon miteinander. Wir brauchen Problemen nicht aus dem Weg gehen, indem wir sie nicht beim Namen nennen. Erst dieses Verdrängen würde sie wirklich gefährlich werden lassen.
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Editorial, Fazit 106 (Oktober 2014)
Kommentare
Eine Antwort zu “Wir Menschen in Europa können schon miteinander”
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3. Oktober 2014 @ 16:31
Gefällt mir sehr gut!