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Politicks Jänner 2015

| 23. Dezember 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 109, Politicks

Steuern: Selbst Niedrigstverdiener zahlen 50 Prozent Abgabenlast
Die Tageszeitung »Die Presse« hat die Sozialtransfers und Lohnsteuerzahlungen für verschiedene Einkommensgruppen einander gegenübergestellt und kommt dabei zu mehreren verblüffenden Ergebnissen: Einerseits verdient nur ein Viertel der Lohn- und Einkommensbezieher mehr als 30.000 Euro brutto jährlich. Dieses sogenannte »besserverdienende Viertel« zahlt über 80 Prozent der gesamten anfallenden Lohn- und Einkommensteuer. 30.000 Euro brutto im Jahr, umgelegt auf 14 Gehälter, bedeutet übrigens ein Nettoeinkommen von nicht einmal 1.500 Euro monatlich. Fazit hat sich bereits im Juli mit der exorbitant hohen Abgabenlast in Österreich beschäftigt und neben der Lohnsteuer auch die durchschnittlichen indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc.) sowie die von Arbeitnehmer und Arbeitgeber entrichteten Sozialabgaben mit einberechnet. Das erschreckende Ergebnis: Ein Arbeitnehmer (oder Selbstständiger) mit monatlich knapp 1.000 Euro netto bringt dem Staat Abgaben von fast 900 Euro.
Wer 14 Mal monatlich 2.000 Euro netto verdient, kostet seinen Arbeitgeber im Schnitt 4.900 Euro pro Monat. Mit den indirekten Steuern kommt dieser Arbeitnehmer auf die unglaubliche Abgabenlast von über 60 Prozent. Jetzt behauptet Österreich von sich, ein Sozialstaat zu sein, der über einen progressiven Steuertarif und Sozialtransfers umverteilt. Die Realität sieht freilich ganz anders aus: Nicht einmal die Gruppe der Niedrigstverdiener mit weniger als 15.000 Euro brutto im Jahr – das sind netto 900 Euro im Monat – erhält über Sozialtransfers mehr als 10 Prozent dessen aus dem System heraus, was sie an indirekten Steuern und Sozialabgaben in das System einzahlt. Angesichts dieser Zahlen von Steuergerechtigkeit zu reden, ist unabhängig vom Tarif und von der Einkommenshöhe eine Verhöhnung der Steuerzahler. Wenn selbst Niedrigstverdiener die Hälfte an den Staat abliefern müssen und alle anderen über 60 Prozent, darf das Ergebnis nur eine Steuerreform sein, die zu hundert Prozent über Einsparungen in nicht nachfragewirksamen Bereichen gegenfinanziert wird.

TTIP als rotschwarzer Nebenschauplatz
Als Bundeskanzler Werner Faymann kürzlich im Ministerrat einen Vorstoß gegen das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA wagte, war die Überraschung groß. Faymann sprach sich vor allem gegen den Investorenschutz aus, der Unternehmen gegen nachträglich geänderte Rahmenbedingungen, die ihre Investitionen gefährden, ein Klagerecht gegen Staaten einräumt. Dabei geht es nicht etwa um Investitionen, wie jene der österreichischen Wirte um Raucher und Nichtraucherbereiche räumlich zu trennen, die sich im Falle eines generellen Rauchverbots als Totalverlust herausstellen würden, sondern um Sonderklagsrechte bei großen Unternehmensübernahmen gegen nachträgliche staatliche Barrieren. Nach dem Ministerrat sagte Faymann der anwesenden Presse, dass mit der ÖVP kein Beschluss möglich gewesen wäre. Das ärgerte wiederum Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, für den der Freihandel viel zu wichtig ist, um damit politisches Kleingeld zu sammeln. Mitterlehner stellte klar, dass die EU-Kommission mit den TTIP-Verhandlungen beauftragt sei und er das Ergebnis abwarten wolle. Er beklagte zwar ebenfalls die mangelnde Transparenz, mit der TTIP vorangetrieben wird, hielt sich jedoch ansonsten an seinen deutschen Kollegen Sigmar Gabriel von der SPD, der neuerdings voll des Lobes für das Abkommen ist. Außerdem sei der verhandelnden EU-Kommission ohnehin klar, dass das Abkommen keine Chance auf Ratifizierung habe, wenn die Umwelt- und Konsumentenschutzstandards abgeschwächt würden.
Als Vorlage für die TTIP-Verhandlungen dient übrigens CETA – das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Auch darin sind die umstrittenen Sonderklagsrechte enthalten. In einer Analyse hat das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut IFO übrigens ermittelt, dass Österreich besonders stark vom Kanada-Abkommen profitieren würde. Das IFO will herausgefunden haben, dass durch CETA das reale Pro-Kopf-Einkommen in der EU langfristig um 0,22 Prozent oder 50 Euro pro Jahr steigen wird. Aufgrund des besonderen Engagements des kanadischen Magna-Konzerns soll die österreichische Wirtschaft als Folge von CETA sogar um 0,3 Prozent wachsen. Herzstück von CETA ist jedoch nicht der Abbau der Zollschranken, sondern die Angleichung der Standards und Zulassungsverfahren, was Marktteilnehmern auf beiden Seiten des Atlantiks den Marktzugang erheblich erleichtern soll. Das US-Abkommen TTIP soll der EU-Wirtschaft übrigens einen Impuls von 0,5 Prozent und 400.000 zusätzliche Jobs bringen. Angesichts dieser Zahlen hat Wirtschaftsminister Mitterlehner einen Ministerratsbeschluss gegen TTIP und damit die Anbiederung bei der das Abkommen bekämpfenden Kronenzeitung abgelehnt.

Steiermark: Auf Reformpartnerschaft folgt Zukunftspartnerschaft
Unabhängig davon, wer auf ÖVP-Seite gegen Landeshauptmann Franz Voves antreten wird, steht innerhalb der derzeitigen ÖVP-Führungsspitze völlig außer Streit, dass das steirische Reformprojekt noch nicht beendet ist. Sowohl der Landeshauptmann als auch LH-Vize Hermann Schützenhöfer haben sich dafür ausgesprochen, dass auf die Reformpartnerschaft eine Zukunftspartnerschaft folgen soll.
Für die ÖVP-Personalia bedeutet das, dass wohl nur Hermann Schützenhöfer oder jemand, der dessen Reformziele bedingungslos unterstützt, für die Spitzenkandidatur in Frage kommt. Nach Ansicht Schützenhöfers kommt der steirischen Landtagswahl im Herbst des nächsten Jahres eine bundesweite Schlüsselrolle zu. Schließlich geht es darum, herauszufinden, ob notwendige Reformen von der Bevölkerung gebilligt werden. Denn nur dann bestünde die Hoffnung, dass auch andere Bundesländer dem steirischen Beispiel folgen und sich auf schmerzhafte Strukturreformen einlassen.
Landeshauptmann Franz Voves hat die Bekanntgabe seiner Kandidatur übrigens sichtlich gut getan. Obwohl vom Wahlkampfmodus noch keine Rede sein kann, zeigt sich die steirische Sozialdemokratie selbstbewusst und kämpferisch. Auch die Weichenstellung im SPÖ-Landtagsklub, wo Hannes Schwarz auf den verdienten Walter Kröpfl folgte, hat sich erfrischend auf die steirische Sozialdemokratie ausgewirkt.

Verfassungsrichter winken die Gemeindefusionen durch
Einen Erfolg auf ganzer Linie erzielten Franz Voves und Hermann Schützenhöfer bei den Einwendungen einiger unfreiwillig fusionierter Gemeinden beim Verfassungsgericht. Die Höchstrichter schlossen sich der Meinung an, dass es Aufgabe des Landes sei, die Gemeindestrukturen festzulegen, solange das nicht zu besonderen Nachteilen für die betroffene Bevölkerung führt. Damit können die Regierungskommissäre, welche die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden ab 1. Jänner ersetzen werden, landesweit ihre Aufgaben in Angriff nehmen. Einige Bürgermeister haben dennoch angekündigt, ihren Widerstand aufrechtzuerhalten. Sie wollen bei der Gemeinderatswahl mit Namenslisten antreten und überlegen eine eigene Kandidatur auch bei der Landtagswahl.

Brüssel: Junckers Zauberhebel
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat kürzlich ein Wunderding präsentiert, einen EU-Investitionsfonds, der mit 21 Milliarden Euro an EU-Geldern mehr als 300 Milliarden an Investitionsmitteln hebeln will. Hinter dem Projekt, das auf den ersten Blick wie Alchemie oder Zauberei wirkt, steckt ein ambitioniertes Programm des Luxemburgers, um die europäische Wirtschaft wieder auf den Wachstumspfad zu führen. Nein, Juncker kann nicht zaubern, sondern er nutzt das, was gelernte Banker als Kredithebel bezeichnen. Mit der Sicherheit der 21 EU-Milliarden für das erste Risiko will Junckers Fonds private Investoren aus der Reserve locken. Das bedeutet natürlich, dass wieder der Steuerzahler zuerst haftet und die privaten Investoren (in Wahrheit werden es Banken und Institutionen sein, die ohnehin nicht wissen, wohin mit den vielen EZB-Milliarden) besser gestellt sein werden. Das Risiko erscheint im Vergleich zu den für die Euro- und Bankenrettung eingesetzten Mitteln jedoch überschaubar. Junckers Plan könnte also funktionieren.

Juncker hat von der »EU-Kommission der letzten Chance« gesprochen. Ohne Wachstum und neue Jobs können die Sozialstandards nicht gehalten werden. Juncker hat aber auch klar gestellt, dass der Investitionsfonds staatliche Investitionen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen kann. Und ihm ist auch bewusst, dass das Programm etwa von Frankreich oder Italien nicht als Einladung verstanden werden darf, die Reform des Arbeitsmarkt und den Bürokratieabbau weiter zu verschleppen. Und gerade weil Juncker für seine Initiative große Kritik aus Südeuropa einstecken muss, könnte tatsächlich etwas dran sein am Juncker-Plan.

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Politicks, Fazit 109 (Jänner 2015)

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