Leitner tankt durch
Volker Schögler | 19. Februar 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 110, Fazitportrait
In 60 Jahren hat sich der Grazer Familienbetrieb F. Leitner vom einfachen Kohlenhändler zu einem mittelständischen Unternehmen mit den drei Standbeinen Heizöl, Treibstoffe und Tankstellen entwickelt. Gewappnet mit mehr als 30 Tankstellen, rückt das Unternehmen mit dem gelben Logo und dem roten Namenszug näher zum Endkunden.
::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK
Wer in den letzten Jahren offenen Auges durch die grüne Mark gefahren ist, konnte zur Meinung gelangen, immer mehr Gelb zu sehen. An wucherndem Löwenzahn konnte es nicht liegen, hielt der Eindruck in den letzten fünf, sechs Jahren doch den ganzen Jahresbogen über an und verstärkte sich immer mehr. Die gelben Zustellgefährte der Post sind auch schon fast Geschichte, so wie auch die gleichfarbigen Postkästen zu einer aussterbenden Spezies zählen. Farbtechnisch trifft die Post also keine Schuld. Apropos Schuld – haben sich etwa die gelben Engel des ADAC vermehrt in das Weichbild des Straßennetzes gedrängt? In Deutschland musste der Autofahrerclub immerhin Farbe bekennen, zumindest was getürkte Reifentests anbelangt. Im Gegensatz zu seinem österreichischen Epigonen, der als ÖAMTC nicht nur die gleiche Wagenfarbe benutzt, sondern auch dieselben Reifentests. Doch die Spur der schwarzen Reifen und Schweigemäntel ist heiß, was das gelbe Rätsel betrifft. Tatsächlich hat es etwas mit gelben Hochbauten entlang steirischer und auch kärntnerischer Straßen zu tun. Es sind Stellen, die man mit Kraftfahrzeugen gezwungenermaßen gern anfährt, Stellen für Ross und Reiter, zum Futtern und Tanken, und sie sind gelb, diese Tankstellen. Da auch ein bisschen Rot und Blau mitschwingt, heißt die Lösung nicht Avanti oder Jet, sondern Leitner. Genauer F. Leitner, in roter, nostalgisch vertrauter Schreibschrift auf sonnengelbem Grund. Vertraut seit rund drei Generationen, seit über 60 Jahren, zumindest für Grazer inklusive Umland – aus einer Zeit, als man noch mit Kohle geheizt hat.
Vom Kohlenhändler zum Umsatzmillionär
1953 gründete Franz Leitner mit 28 Jahren seinen Betrieb, nachdem er zuvor in einer Bank gearbeitet hatte. Aus Voitsberg kommend, dem damals prosperierenden weststeirischen Kohlenbergbaugebiet, lernte er als Kohlenhändler in Graz seine Frau Christiana Fritsche kennen, die in der Josef-Huber-Gasse ebenfalls eine Kohlenhandlung betrieb. Hier entwickelte sich auch der erste Betriebsstandort, bevor das kleine Unternehmen in den 1970er Jahren an die heutige Adresse in die Kärntnerstraße bei der Gürtelkreuzung übersiedelte und zu einem mittelständischen Betrieb wuchs. Bis zum Vorjahr erschien Franz Leitner, der im 90. Lebensjahr steht, hier noch regelmäßig im Büro, was die Gesundheit mittlerweile aber nicht mehr zulässt. Heute erwirtschaftet die ehemalige Kohlenhandlung einen Nettoumsatz von rund 270 Millionen Euro, hat 63 Mitarbeiter, eine Exportquote von 15 Prozent, 17 Tankwagen, mehr als 100 Kesselwaggons auf der Schiene und neben dem Umschlags-Tanklager in Graz (1 Million Liter) ein Tanklager im slowenischen Koper für 30 Millionen Liter Diesel. Und dann eben noch diese gelben Tankstellen mit dem roten Schriftzug, die sich rasend zu vermehren scheinen. Neben Seniorchef Franz Leitner selbst haben dafür seine Söhne und Betriebswirte Gerhard und Harald gesorgt – bis Gerhard Leitner 2008 mit 51 Jahren überraschend verstarb. So trat sein Sohn Markus (30) unmittelbar nach Studium-Ende als Gesellschafter in das Unternehmen ein und ist für Einkauf, Beschaffungslogistik und den Großhandel zuständig.
Breitere Aufstellung
Da die Wirtschaftskrise unmittelbare Auswirkungen auf Leitners Kerngeschäft, den Heizöl- und Treibstoffhandel, hat, musste sich Geschäftsführer Harald Leitner (50) etwas einfallen lassen. Eine der Folgen davon ist die Verbreiterung im Tankstellengeschäft: Aus vier Tankstellen in Graz und einer in Kärnten hat sich seit 2008 ein Netz von zur Zeit 31 Tankstellen entwickelt, mit dem Ziel, zumindest auf 40 zu erweitern. Harald Leitner: »Wir bewegen uns damit näher zum Endkunden hin. Außerdem ist das ein weiterer Schritt dazu, dass wir uns breiter aufstellen. Eine andere Maßnahme ist etwa der Einstieg in den Handel mit Pellets vor drei Jahren und die Beteiligung an einer Pelletshandelsfirma in Slowenien.« Die Energiebranche durchlebt gerade wieder bewegte Zeiten. Sprit- und Heizölpreise sind stark gesunken, Ende Jänner könnte aber die Talsohle erreicht worden sein. Seitdem geht es wieder langsam nach oben. Im Großhandel, bei Industrie oder Frächtern wird wegen der Wirtschaftskrise weniger Treibstoff verbraucht, in den Haushalten ist der Heizölverbrauch merklich zurückgegangen, was auch mit technischer Entwicklung wie Wärmedämmung und verbesserter Ölkessel-Brenntechnik zu tun hat. Bei den Pellets wird gerätselt, ob sie vom Ölpreis entkoppelt sind oder nicht, da sie die Ölpreiserhöhungen sehr wohl mitgemacht haben, die Senkung aber nicht. Leitner traut sich keine Prognose abzugeben. »Als Händler wünsche ich mir einen Heizölpreis von 20 Cent. Dann würden alle einkaufen!«
F. Leitner, Sprint und M3
Als Großhändler hat Leitner Kunden in der Industrie (Sappi, Norske Skog), freie Tankstellen, Frächter, Bauunternehmen (Schuster, Schönberger) oder gewerbliche Betriebe (Brolli) mit Haustankstellen. »Mit zusätzlichen Tankstellen kommen wir nicht nur den Einzelkunden, sondern auch diesen großen entgegen. Auch das ist eine Ergänzung und Dienstleistung, wie die Waschstraßen oder die Einkaufsmöglichkeit im Tankstellen-Shop ,Adeg am Weg’.« Von Vorteil für beide Seiten – Kunden wie Anbieter – ist die bei Leitner unter anderem in der Kärntnerstraße seit Jahrzehnten erprobte bargeldlose Bezahlung mit dem Proxi, einem elektronischen Schlüssel, zugleich eine Kundenkarte, über den die Tankrechnung monatlich automatisch abgerechnet und vom Konto abgebucht wird. Alle Tankstellen sind damit ausgerüstet. Neben den F.-Leitner-Tankstellen wurden noch zwei weiter Marken, Sprint und M3, von Leitner kreiert. M3 geht auf eine alte Kooperation mit der Station in Reichenfels bei Bad Sankt Leonhard in Kärnten zurück und Sprint entstand zunächst als eigene Betriebsgesellschaft im Zuge eines Anbots, als die ungarische Mol (die einige österreichische Unternehmen gekauft hat) vor einigen Jahren vorübergehend zum Verkauf stand.
Kleines Husarenstück
Sprint kam schließlich für eine Kooperation mit Landforst in Knittelfeld (eigentlich eine Molkerei) zum Einsatz und seitdem gibt es sechs Stationen in der Obersteiermark (Knittelfeld, Weißkirchen, Möderbrugg, St. Peter am Kammersberg, Murau, Kapfenberg), aber auch weitere in Brückl bei Klagenfurt und Wiener Neustadt sowie in Feldkirchen und Graz. Ein kleines Husarenstück ist der Testbetrieb einer Tankstelle (nur Diesel) in Spielfeld als Pächter der Spedition Jöbstl, die mit einem Dauertiefstpreis sowohl Private als auch Gewerbebetriebe und Frächter anlocken soll. Leitner schielt dabei aber auch über die Grenze, was bedeuten wird, dass der ehemalige Tanktourismus nach Slowenien sich quasi umkehrt. »Die Multis ziehen sich zurück, ähnlich wie die Kaufhäuser«, registriert Harald Leitner. »So gibt es etwa in Salla oder in Graden keine Tankstellen mehr.« Daher ist zum Beispiel Semriach froh, dass Leitner die vormalige Markentankstelle ersetzt hat und noch dazu – eine entscheidende Stärke der Marke F. Leitner – immer zu den günstigsten Sprit-Anbietern gehört. Das macht sich ferner bemerkbar in Hart bei Graz, St. Oswald bei Plankenwarth, Zwarig, Hartberg, Passail, St. Georgen an der Stiefing, Unterpremstätten, Raaba oder Frohnleiten, aber auch in Villach und Spittal an der Drau.
Große Piratenstation
In Feldkirchen ist Harald Leitner ein regelrechtes Piratenstück gelungen: eine sogenannte »Piratenstation«. Auf 12.000 Quadratmeter konnte er eine der neuesten Tankstellen mit Shop und Lanzenwaschplätzen und einer »eigenen« McDonald’s-Filiale als Synergiebringer in unmittelbarer Autobahnnähe, knapp vor dem Flughafen, realisieren. Da er hier über die ohnehin bereits vorhandene Flughafenautobahnabfahrt erreichbar ist, muss er keine Prozente an die Asfinag abgeben und hat es daher nicht notwendig, erhöhte »Autobahn-Treibstoffpreise« zu verlangen. Um von den Autofahrern auch gesehen zu werden, sind sein riesiges Tankstellenpiktogramm und das Logo von McDonald’s auf einer 27 Meter hohen Säule angebracht. »Höher durften wir nicht wegen des Flugverkehrs«, schmunzelt Harald Leitner. Nachdenklicher wird er, wenn er auf das neue Bundes-Energieeffizienzgesetz angesprochen wird. Es verpflichtet Energielieferanten ab einer gewissen Größe zu Energieeinsparungsmaßnahmen in Höhe von 0,6 Prozent ihres jährlichen Energieabsatzes. Diese Maßnahmen kann der Unternehmer bei sich selbst im Betrieb, den Endkunden oder anderen Endenergieverbrauchern setzen. Davon müssen aber 40 Prozent den Haushaltsbereich (bei Kunden oder Dienstnehmern) betreffen. Nun geht es »nur« mehr um das Wie. Bei Nichtbeachtung dieser Verpflichtung erfolgen eine Verwaltungsstrafe bis zu 100.000 Euro beziehungsweise Ausgleichszahlungen in der Höhe von 20 Cent pro Kilowattstunde. Markus Leitner rechnet hoch: »Das wäre ein siebenstelliger Betrag.« Für das Unternehmen F. Leitner war der Weg der Diversifizierung auch im Nachhinein gesehen der richtige. Denn Krisenresistenz ist heute zu einem Hauptziel von Unternehmen geworden. Harald Leitner: »Wir haben mit Heizöl und Treibstoffen zwei Säulen gehabt, mit den Tankstellen inklusive den Dienstleistungen wie Shops oder Waschanlagen haben wir eine dritte dazugewonnen.«
F. Leitner Mineralöle GmbH
8020 Graz, Kärntner Straße 4
Telefon: 0316 777
leitner-mineraloele.at
Fazitportrait, Fazit 110 (März 2015) – Foto: Marija Kanizaj
Kommentare
Antworten