Tandl macht Schluss (Fazit 110)
Johannes Tandl | 19. Februar 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 110, Schlusspunkt
Der real existierende Populismus und die Schuld der anderen Das Jahr 2015 ist ein wichtiges Wahljahr. Es ist daher Zeit, sich wieder einmal mit den Gesetzen des »real existierenden Populismus« auseinanderzusetzen. Das wichtigste lautet: »Wo es nicht juckt, soll man sich nicht kratzen!« Ein Politiker, der wiedergewählt werden will, darf demnach nichts tun, was der eigenen Popularität schadet.
Ein Meister dieses Dogmas ist zweifellos unser Bundeskanzler. Werner Faymann überlebt nun bereits fast sieben Jahre an der Regierungsspitze, ohne politisch nachhaltige Akzente gesetzt zu haben – vom Abarbeiten des allfällig Anfallenden einmal abgesehen. Stattdessen gefällt sich Faymann darin, die österreichische Innenpolitik zu moderieren und einen guten Kontakt zu den Medien und ganz besonders zur »Kronen Zeitung« zu halten.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel soll einmal über Werner Faymann gesagt haben: »Er geht ohne eigene Meinung in eine EU-Ratssitzung hinein und kommt mit meiner Meinung wieder heraus.« Daher kam es völlig überraschend, dass unser Kanzler seine deutsche Kollegin kürzlich frontal angriff. Ihre Politik des Abwartens sei schuld an der hohen Arbeitslosigkeit, behauptete Faymann im »Kurier«. Anstatt eigene, den Wirtschaftsstandort gefährdende Versäumnisse einzugestehen, ging er auf die wichtigste Partnerin Österreichs auf europäischer Ebene los. Um Werner Faymann verstehen zu können, muss man sich jedoch einen anderen populistischen Grundsatz vergegenwärtigen: »Schuld sind immer die anderen.« Es muss daher immer ein Sündenbock greifbar sein.
Im selben Interview, in dem er Merkel attackierte, hat Faymann übrigens ausgerechnet für die Ideen des linksradikalen griechischen Premiers Alexis Tsipras Verständnis gezeigt. Dass dessen Politik wahrscheinlich mit einem großen Knall und dem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone enden wird, scheint Faymann egal zu sein – und auch dass ein »Grexit« zu einem dramatischen Vertrauensverlust in den Euro und zu noch mehr Arbeitslosen führen wird. Der SPÖ-Chef biedert sich auf diese Weise beim linken SPÖ-Flügel an. Um den Kampf um die Parteispitze gewinnen zu können, der seit dem letzten SP-Parteitag ausgebrochen ist, braucht Faymann nämlich die Stimmen der innerparteilich überrepräsentierten SP-Linken, denn auf Politiker wie den steirischen Landehauptmann Franz Voves kann er schon lange nicht mehr zählen.
Ganz anders ist da der Weg, der mit der Reformpartnerschaft in der Steiermark beschritten wurde. Seit der letzten Landtagswahl haben sich SPÖ und ÖVP von einer Politik, die hauptsächlich die Interessen der eigenen Klientel berücksichtigt, verabschiedet. Wir erinnern uns noch gut an den Aufschrei des »sozialindustriellen Komplexes«, weil die gedämpften Kostensteigerungen im Sozialbereich dessen Profitchancen verringerten – oder an die Widerstände tausender Gegner der Spitals- und der Gemeindestrukturreform.
Hermann Schützenhöfer nennt es »enkeltaugliche Politik«, die da bei der Landtagswahl im Herbst auf dem Prüfstand steht. Und während sich Franz Voves längst dazu bekannt hat, wieder antreten zu wollen, ringt Schützenhöfer zu Redaktionsschluss dieser Fazitausgabe nach wie vor mit sich selbst, ob er sich eine weitere Kandidatur antun soll, oder ob nicht doch der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl bessere Chancen auf einen Wahlerfolg für die Volkspartei hätte.
Franz Voves darf mit seinem Landeshauptmannbonus zumindest darauf hoffen, auch bei Reformbefürwortern außerhalb seiner Partei zu punkten. Gerade weil der Großteil der Maßnahmen erst nach den nächsten Wahlen wirksam wird, die Belastungen aber bereits jetzt zu Buche schlagen, waren die steirischen Reformen besonders mutig. Weder die SPÖ und schon gar nicht die ÖVP können bei der Landtagswahl daher bei realistischer Betrachtung etwas dazugewinnen.
Dass beide Parteien jenen Preis so gering wie möglich halten wollen, den sie für den Verzicht auf eine populistische Politik, die nur auf den nächsten Wahltag schielt, in Kauf nehmen müssen, ist legitim und nachvollziehbar. Wahltag ist Zahltag. Und der Wähler hat selbst dann Recht, wenn er sich für kurzfristigen Populismus und nicht für nachhaltige Reformen entscheidet. Solange sich die Mehrheit der Steirerinnen und Steirer für Parteien ausspricht, die eine »enkeltaugliche Politik« ermöglichen, müssen die Reformen daher fortgesetzt werden – selbst wenn die Reformpartner abgestraft werden.
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Tandl macht Schluss! Fazit 110 (März 2015)
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