Europa wird die Probleme der Welt nicht in Europa lösen können
Christian Klepej | 30. April 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 112
Man wird den Menschen in Nordafrika, die – oft vollkommen bar jeder eigenen Verantwortung übrigens! –, mit Kind und Kegel noch dazu, in Nußschalen nach Lampedusa übersetzen wollen, sagen müssen, dass dies keinen Sinn ergibt. Oder wir müssen damit beginnen, sie bei Ihnen und bei mir daheim einzuquartieren.«
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Genau ein Jahr ist es her, dass ich diesen Satz im Editorial der Ausgabe 102 geschrieben habe. Darf ich an diesen Satz heute noch erinnern? Darf ich ihn überhaupt noch denken?
Eher nicht, wenn es etwa nach dem Journalisten Heribert Prantl (Süddeutsche vom 18. April) oder dem Autor Robert Menasse (Presse vom 22. April) geht, die sich beide geradezu übertrumpfen, wenn es um »Schuldzuweisungen« für die – zweifellos tragischen – Schicksale der Menschen geht, die auf dem Seeweg versuchen, in Europa ein besseres Leben zu haben. Beide haben jedenfalls den vermeintlich perfekten Schuldigen gefunden: Europa, also wir alle. Das fragwürdige Detail, das Menasse besonders erregt, nämlich nicht »die Europäische Union«, sondern »die europäischen Nationalstaaten« seien schuld – er versteigt sich sogar dahin, man sollte jeden einzelnen europäischen Innenminister als Mörder denunzieren! – illustriert dabei lediglich das eher holprige Demokratieverständnis Menasses, der meint, dass wesentliche Gesetzgebungskompetenzen den »Nationalstaaten entzogen werden müssten«.
Europa als Schuldigen in der (weltweiten) Flüchtlings- und Wanderungsthematik zu benennen ist kontraproduktiv und entspricht vor allem nicht den Tatsachen! Es befriedigt nur die allgegenwärtige Lust aller Linksliberalen, immer und überall einen Schuldigen zu suchen und jedes Opfer für ihr persönliches reines Gewissen zu instrumentalisieren. (Ganz abgesehen davon, dass, wenn es schon um »Schuld« geht, nicht auf alle afrikanischen wie nahöstlichen Regierungen und Gesellschaften vergessen werden kann!)
Europa hat aber als starker und wohlhabender Kontinent natürlich besondere Verantwortung zu tragen. Und so gilt es, so schnell als möglich – also kurzfristig – die furchtbaren Zustände im Mittelmeer zu beenden und Mittel und Wege bereitzustellen, die Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren!
Mittelfristig ist eine gemeinsame, aber eben von allen Mitgliedsstaaten der EU getragene, Asyl- und Migrationspolitik auf die Beine zu bringen, die Einwanderung in Europa zulässt, ohne dabei darauf zu vergessen, dass der am dichtesten besiedelte Kontinent der Welt schlicht und einfach nicht die Kapazitäten hat, alle Menschen aufzunehmen! Wer denkt, die Konflikte, das Leid, den Schrecken und die Probleme der Welt in Europa zu lösen, der wird in einem Europa aufwachen, das sich diese Probleme der Welt importiert hat. Und das dann diese Konflikte vor Ort auszutragen haben wird. Das Beispiel Australiens – das im Übrigen deutlich mehr an Platz für deutlich mehr an Zuwanderern hätte (diesen Hinweis kann ich mir nicht ersparen, er gilt auch noch immer für die USA und jedenfalls für Kanada) – erscheint mir dabei für Europa zumindest nachdenkenswert.
Am wichtigsten aber wird es sein, eine langfristige Lösung anzustreben. Und die muss eben darin begründet sein, dass es widersinnig ist, dass Menschen zu Aberhunderttausenden ihre Heimat verlassen und nach Europa wollen. Der Braindrain, also die Abwanderung von Intellektuellen, Künstlern und Facharbeitern, aus vielen (vor allem afrikanischen) Staaten ist ungeheuerlich. Und zerstört die Zukunft aller von ihnen verlassenen Mitbürger. (Etwa praktizieren im Vereinigten Königreich in absoluten Zahlen mehr Ärzte ghanesischer Herkunft als in Ghana selbst. Das ist gewiss kein wünschenswerter, sondern ein anzuprangernder Zustand!) Also wird man die Entwicklungshilfe (gerne auch Entwicklungszusammenarbeit, wie es neuerdings heißen soll) vollkommen überdenken und neu aufstellen müssen. In den letzten Jahrzehnten floss das Zigfache etwa der Mittel des Marshallplans (Europäisches Wiederaufbauprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg) nach Afrika. Und es gibt bis heute – wohl bis auf Südafrika, das dafür gerade von schwerem innerafrikanischen Rassismuss gebeutelt wird – kaum eine funktionierende Demokratie dort.
Unsere Menschlichkeit gebietet es uns, Menschen zu helfen! Die beste und im Grunde einzige wirksame Hilfe wird es dabei sein, sie darin zu unterstützen, sich selbst zu helfen.
Editorial, Fazit 112 (Mai 2015)
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