Politicks Juli 2015
Johannes Tandl | 2. Juli 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 114, Politicks
So wurde Hermann Schützenhöfer Landeshauptmann
Warum Hermann Schützenhöfer für die gesamte Legislaturperiode Landeshauptmann sein wird, obwohl die ÖVP bei der Wahl knapp hinter der SPÖ lag, bleibt ein Mysterium. Wir haben die uns zur Verfügung stehenden Informationen zusammengetragen und kommen zum Schluss, dass die Einigung folgendermaßen zustande gekommen ist.
Im VP-Landesvorstand am 30. Mai, dem Tag nach der Wahl, hat Hermann Schützenhöfer seine Position zur Diskussion gestellt. Er hat sogar die Sitzung verlassen, um dem Gremium eine möglichst offene Diskussion zu ermöglichen. Der Vorstand hat sich daraufhin – wie erwartet – einstimmig für den Verbleib Schützenhöfers ausgesprochen. Aber er hat auch beschlossen, sämtliche Optionen einer künftigen Regierungskoalition in Erwägung zu ziehen – also nicht nur Rot-Schwarz, sondern auch Schwarz-Blau. Es wurden jedoch gewisse Einschränkungen gemacht.
So solle die bisherige Reformpartnerschaft unter einem SPÖ-Landeshauptmann fortgesetzt werden. In der zweiten Hälfte der Periode müsse die ÖVP auf jeden Fall den LH-Sessel besetzen. Hermann Schützenhöfer hatte nach der Wahl ausgeschlossen, für eine schwarzblaue Landesregierung zur Verfügung zu stehen und auch ÖVP-Chefverhandler Christopher Drexler stellte in der ZIB 2 klar, dass für ihn trotz des Ergebnisses eigentlich nur eine Zusammenarbeit mit der SPÖ in Frage komme. Für schwarzblau kämpfte hingegen Reinhold Lopatka. Der Chef des ÖVP-Nationalratsklubs hatte nach der rotblauen Einigung im Burgendland eine Rechnung mit der SPÖ offen. Und als Bezirksobmann von Hartberg-Fürstenfeld ist er in der steirischen ÖVP nach wie vor gut verankert und einigermaßen einflussreich. Lopatka hat die Tage nach der Wahl jedenfalls intensiv genutzt, um andere VP-Bezirkschefs für die blaue Option empfänglich zu machen.
Und tatsächlich wurde auf Initiative von Lopatka auch bereits ein Termin für ein Gespräch zwischen Heinz-Christian Strache und Mario Kunasek von der FPÖ und ihm selbst und Hermann Schützenhöfer von der ÖVP vereinbart, zu dem es jedoch nicht mehr gekommen ist. Da weder Hermann Schützenhöfer noch Christopher Drexler für diese Variante zur Verfügung gestanden wären, hätte bei einem Zustandekommen von Schwarz-Blau wohl ein Dritter – entweder der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl oder eben Reinhold Lopatka – das Amt des Landeshauptmannes übernommen. Mit der SPÖ wurde sehr offen verhandelt. Franz Voves wusste bereits nach dem ersten Gespräch, dass es VP-Kräfte gibt, die eine Fortsetzung von Rot-Schwarz verhindern wollen. Voves’ Glaubwürdigkeit war zu diesem Zeitpunkt wegen seines gebrochenen Versprechens, bei weniger als 30 Prozent zurückzutreten, außerdem massiv erschüttert. Wer Voves kennt, weiß jedoch, dass ein Weitermachen trotz der Niederlage für ihn nur eine Verhandlungsoption war und nie ernsthaft in Erwägung gezogen worden war. Voves wollte jedoch sein Vermächtnis retten. Eine finanziell und strukturell sanierte Steiermark. Dazu musste jedoch auf die Reformpartnerschaft unbedingt eine Sanierungskoalition zwischen SPÖ und ÖVP folgen.
Da er seinem Wunschnachfolger Michael Schickhofer dieses schwierige Amt noch nicht zutraute und er Siegfried Schrittwieser als seinen Nachfolger verhindern wollte, sah er dieses Vermächtnis bei Hermann Schützenhöfer in guten Händen.
Nachdem ihn die ÖVP daher mit der Forderung nach dem LH-Sessel für den zweiten Teil der Periode konfrontiert hatte, hat Voves daher von sich aus dem ÖVP-Chef den Landeshauptmann für fünf Jahre angeboten. Alles, was danach passierte, ist bekannt. Die ÖVP stimmte im Vorstand einstimmig für Rot-Schwarz und auch in der SPÖ wurde der Pakt trotz vier Gegenstimmen aus dem Gewerkschaftsflügel mit großer Mehrheit abgesegnet.
Unverändertes VP-Team
Auf ÖVP-Ebene blieb das Regierungsteam unverändert. Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ist nun zuständig für die Landesamtsdirektion sowie für die ÖVP-Gemeinden. Christopher Drexler erhält zusätzlich zu Gesundheit, Pflege und Wissenschaft das Personalressort. Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann behält die Wirtschaft, die Kultur und Europa und erhält zusätzlich das Tourismusressort. Hans Seitinger bekommt zusätzlich zur Landwirtschaft das landwirtschaftliche Schulwesen und das gesamte Wohnbauressort. Zur zweiten Landtagspräsidentin wurde die Murauer Abgeordnete und Chefin der ÖVP-Frauenbewegung Manuela Khom gewählt. Die Position der Fraktionschefin bleibt bei Barbara Eibinger.
Totalerneuerung bei der SPÖ
Völlig überraschend hat sich das SPÖ-Regierungsteam total erneuert. Erster Landeshauptmannstellvertreter und zuständig für Finanzen, die Regionen und die SPÖ Gemeinden ist Michael Schickhofer. Die neue Soziallandesrätin heißt Doris Kampus. Sie war auf Beamtenebene für die Umsetzung der Gemeindestrukturreform verantwortlich und übernimmt auch das Integrationsressort sowie den Bereich Arbeit und Beschäftigung.
Ebenfalls neu im SP-Regierungsteam sind die bisherige zweite Landtagspräsidentin Ursula Lackner als Landesrätin für Jugend, Bildung, Familie und Frauen sowie der bisherige EU-Abgeordnete Jörg Leichtfried, der das Verkehrsressort sowie die Bereiche Sport, Umwelt, Tierschutz und Erneuerbare Energien übernimmt. Die bisherige Finanzlandesrätin Bettina Vollath rückt als erste Präsidentin an die Spitze des Landtags. SPÖ-Klubobmann bleibt Johannes Schwarz.
Nach Amokfahrt stand Graz unter Schock
Die Amokfahrt eines 26-jährigen bosnisch-stämmigen Österreichers, die drei Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert hatte, hat die steirische Landeshauptstadt tagelang in einen Schockzustand versetzt. Das Verbrechen brachte trotz all seiner Unmenschlichkeit aber auch etwas Gutes zutage. Die Solidarität mit den Opfern führte zu einem beeindruckenden Zusammenrücken der Grazer Bevölkerung. Dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, der dem Amokfahrer selbst nur knapp entkommen ist, schaffte es, mit bewegenden Worten, die Bevölkerung zusammenzuhalten. Für einen bundesweiten »Shitstorm« in den sozialen Medien sorgte hingegen FPÖ-Bundesobmann Strache, nachdem er auf Facebook eine Zeitungsmeldung wiedergegeben hatte, die von einem religiös motivierten Attentat ausgegangen war. Der steirische Landespolizeidirektor Josef Klamminger schloss einen islamistischen Hintergrund der Tat jedoch von Anfang an aus. Strache wurde daraufhin unterstellt, die Gesellschaft mit falschen Mutmaßungen bewusst spalten zu wollen. Inzwischen sind jedoch tatsächlich einige Aspekte aufgetaucht, die auch einen terroristischen Tathintergrund möglich erscheinen lassen. Bis Redaktionsschluss dieser Fazitausgabe ist die Polizei jedenfalls nicht von ihrer ursprünglichen Haltung abgerückt.
Asyl- und Integration machen Herbstwahlen zur Zitterpartie für SPÖ und ÖVP
In Wien und Oberösterreich geraten SPÖ und ÖVP angesichts der FPÖ-Erfolge in der Steiermark und im Burgenland schön langsam in Panik. In Oberösterreich hat die FPÖ die SPÖ in den Umfragen bereits überholt. In Wien sah Gallup die FPÖ am 19. Juni – am Tag vor der Grazer Amokfahrt – mit 29 Prozent noch sieben Punkte hinter der SPÖ mit 36 Prozent. Der ungebrochene Zustrom von Asylwerbern sowie der gescheiterte Asylgipfel, bei dem Bundeskanzler Werner Faymann mit seiner Idee, Flüchtlingsquoten für die einzelnen Bezirke einzuführen, kläglich scheiterte, führen dazu, dass es sowohl in Wien als auch in Oberösterreich kein Landesthema mehr unter die Wahlmotive schafft.
Bis Oktober ist zwar noch etwas Zeit, es ist jedoch nicht anzunehmen, dass der Flüchtlingsstrom über den Sommer abreißen wird. Sollte die FPÖ in Wien über 30 Prozent kommen und die SPÖ unter 35 Prozent fallen, könnte es nicht nur für die Neuauflage von Rot-Grün knapp werden. Es wären wohl auch die Tage von Bürgermeister Michael Häupl und Kanzler Werner Faymann gezählt. Dass es zu Neuwahlen auf Bundesebene kommt, ist dennoch auszuschließen. SPÖ und ÖVP werden sich, obwohl sie eigentlich schon lange nicht mehr miteinander können, noch enger aneinanderklammern, um die nun fünfjährige Legislaturperiode bis 2018 unbedingt durchzuhalten.
Umweltlandesrat Leichtfried verlängert Umweltanwältin
Obwohl der ÖVP-Wirtschaftsflügel in der steirischen Umweltanwaltschaft eine Institution sieht, die in erster Linie die Verfahren verteuert und in die Länge zieht, wurde die steirische Umweltanwältin Ute Pöllinger auf Vorschlag von Umweltlandesrat Jörg Leichtfried von der Landesregierung einstimmig wiederbestellt. Im Koalitionsabkommen der beiden Regierungsparteien heißt es übrigens: »Die Anwaltschaften, Ombudsstellen und Beiräte sind zu evaluieren und allenfalls abzuschaffen oder zusammenzulegen.« Da eine solche Evaluierung noch nicht stattfinden konnte, wurde Pöllingers Verlängerung anstandslos durchgewinkt. Und sogar Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann stimmte mit. Anders als in der Proporzregierung gilt in der Koalitionsregierung nämlich das Einstimmigkeitsprinzip.
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Politicks, Fazit 114 (Juli 2015)
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