Politicks November 2015
Johannes Tandl | 23. Oktober 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 117, Politicks
Schelling als Teil des Stillstands?
Wenn Finanzminister Hans-Jörg Schelling eine Rede hält, wird einem zumindest nicht langweilig. Im Normalfall garniert er seine Vorträge mit gut gelungenen Pointen. Er analysiert genau und zeigt Wege auf, wie Probleme gelöst werden können. Wenn er nicht schon Teil der Regierung wäre, könnte er das Gefühl vermitteln, dass alles besser, großartiger und viel einfacher wäre, wenn er endlich auch etwas zu entscheiden hätte, in unserem Land.
Und so kann die Budgetrede, die Schelling vor wenigen Tagen im Parlament hielt, nur als umfassende Entschuldigung dafür interpretiert werden, dass er nun seit über einem Jahr Finanzminister ist und nicht viel mehr als ein »Steuerreförmchen« zusammengebracht hat, das statt über Einsparungen beinahe zur Gänze von der Wirtschaft gegenfinanziert wird.
Dennoch hatte Schelling in seiner Rede die Chuzpe, eine deutliche Entbürokratisierung, Einschnitte in das Pensionssystem und wieder einmal die Abschaffung der »kalten Progression«, ja sogar eine Lohnnebenkosten-Senkung zu fordern. Der Finanzminister sprach davon, dass den Menschen die Wahrheit zumutbar sei und wie die hohe Steuerlast die Wirtschaft schädige. Österreich müsse weg von der Regionalliga Ost zurück in die »Champions League«. Als gelernter Unternehmer habe er sich viel schnellere Reformen gewünscht, in dieser Regierung bewege sich alles aber alles nur recht langsam.
Obwohl die Neuverschuldung 3,2 Milliarden Euro beträgt, spricht Schelling davon, dass das strukturelle Nulldefizit halten werde. Gleichzeitig gebe es Unsicherheiten durch die explodierenden Kosten für die Flüchtlinge und den schwachen Arbeitsmarkt.
Bis Ende 2016, sollen – so Schelling – die Hälfte der Vorschläge des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform umgesetzt sein. Das werde schon im nächsten Jahr Einsparungen von 500 Millionen Euro bringen. Zusätzlich sollen 200 Millionen bei Subventionen gespart werden. Da der Finanzminister weder zu den Verwaltungs- noch zu den Subventionskürzungen irgendwelche Umsetzungsideen bekanntgeben konnte, weiß der gelernte Schelling-Zuhörer, dass diese Aussagen wohl nur als Ankündigungen ohne großen Inhalt zu verstehen sind. Was sollen die Österreicher nur von einem Finanzminister halten, der den Eindruck vermittelt, dass er zwar will, aber gleichzeitig betont, dass er nicht kann? Schelling ist damit Teil jenes Problems geworden, das darin besteht, dass die ideologischen Schnittmengen zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP längst nicht mehr ausreichen, um den Stillstand zu überwinden. Doch inzwischen fällt Österreich bei sämtlichen maßgeblichen Standort- und Wettbewerbsrankings immer weiter zurück.
Und auch die heurigen Landtagswahlergebnisse tragen nichts dazu bei, dass sich die Regierung bald selbst erlöst und in Neuwahlen flüchtet. Sämtliche Umfragen zur Nationalratswahl sehen die FPÖ mit deutlichem Abstand auf dem ersten Platz. Die Regierung wird daher aushalten bis zum letztmöglichen Wahltermin im Jahr 2018 – mit allen negativen Konsequenzen für die österreichische Bevölkerung und die österreichischen Unternehmen.
Registrierkassenpflicht: Leitl scheitert beim Finanzministerium
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl forderte, die Registrierkassenpflicht von 1. Jänner 2016 auf 31. Dezember 2016 zu verschieben. Beim Finanzministerium biss er damit jedoch auf Granit. Der Finanzminister erwartet sich durch die Registrierkassenpflicht nämlich zusätzliche Einnahmen von 900 Millionen Euro jährlich. Daher ist er für eine Terminverschiebung nicht zu haben. Leitls Forderung war das Ergebnis der Herbstklausur des oberösterreichischen Wirtschaftsbundes und wurde mit dem großen organisatorischen Aufwand der Registrierkassenpflicht begründet, der für die Betriebe bis zum Jahreswechsel nicht mehr zu schaffen sei. Obwohl die Umsetzung pressiert, liegt jedoch noch keine Verordnung zur Einführung der Registrierkassen vor.
Wienwahl: FPÖ gewinnt, SPÖ hält sich einigermaßen
Der politische Marketinggag des Jahres war zweifellos die Idee der Wiener SPÖ, die Gemeinderatswahl 2015 zum Duell um den Bürgermeistersessel zwischen Michael Häupl und Heinz-Christian Strache zuzuspitzen. Der FPÖ gefiel diese Strategie ebenfalls. Zum einen sahen die Blauen vor dem Hintergrund des Flüchtlingsthemas tatsächlich die Chance, den ersten Platz zu erobern. Zum anderen vervielfachte die mediale Wirkung dieses vermeintlichen Duells die Wahlkampfmillionen der Freiheitlichen. Und so rief die FPÖ die Wienerinnen und Wiener am 11. Oktober zur Oktoberrevolution auf.
Doch angesagte Revolutionen finden bekanntlich nicht statt. Die SPÖ blieb mit einem Vorsprung von mehr als acht Prozentpunkten deutliche Erster vor der FPÖ. Die FPÖ erzielte mit über 30 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis in der Geschichte und die Grünen verloren leicht. Katastrophal endete die Wahl für die ÖVP, die beinahe jeden dritten Wähler einbüßte. Freuen konnten sich hingegen die NEOS. Sie schafften bei ihrem ersten Antreten gleich den Sprung in den Wiener Gemeinderat. Die grünen Verluste stellten Maria Vassilakou vor ein Problem. War es doch Teil ihrer Mobilisierungsstrategie, bei einer Niederlage mit Rücktritt zu drohen. Doch bereits am Tag nach der Wahl ließ sie verlautbaren, dass sie gar nicht daran denke, ihrer Ankündigung zu folgen.
Flüchtlinge: Auch Österreich denkt über Transitzonen nach
Nachdem die deutsche Regierung an den Grenzübergängen entlang der deutsch-österreichischen Grenze Transitzonen einrichten will, in denen Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten erfasst und bis zur Ablehnung ihres Asylantrages innerhalb von 48 Stunden festgehalten und danach abgeschoben werden, sieht auch Österreich einen diesbezüglichen Handlungsbedarf. In den Transitzonen soll überprüft werden, ob Asylwerber aus Kriegsgebieten oder sicheren Drittstaaten kommen, ob sie gefälschte Papiere mit sich tragen oder ob sie überhaupt Aussicht auf ein Verfahren haben. Dabei seien, so Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Voraussetzungen in Österreich jedoch etwas anders als in Deutschland, denn bei uns gebe es seit der Einführung des zehntägigen Schnellverfahrens für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern nur mehr sehr wenige Asylanträge von solchen Flüchtlingen. Die österreichischen Behörden fürchten aber, dass die Transitzonen in Deutschland den Flüchtlingsstrom deutlich verlangsamen würden und es bei Tausenden Neuankünften täglich zu einem massiven Rückstau in Österreich kommen würde.
Steirisches Landesbudget: Rund 190 Millionen Neuverschuldung
Nachdem die Steiermark für heuer erstmals einen ausgeglichen Landeshaushalt präsentieren konnte, weil Rücklagen in Höhe von 236 Millionen Euro aufgelöst wurden, wird das Land im Jahr 2016 wieder Schulden machen. Die Neuverschuldung wird 192 Millionen Euro betragen. Ohne die Auflösung eines Teils der Finanzierungsreserve läge das Defizit gar bei 389 Millionen.
»Der Landeshaushalt 2016 weist ein moderates, erklärbares Defizit aus, weil für uns die Ankurbelung der Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen Priorität hat”, erklärte Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer mit Verweis auf die geänderten Rahmenbedingungen wie etwa die steigende Arbeitslosigkeit, Einnahmeausfälle durch die Steuerreform oder Mehraufwendungen durch die Flüchtlingskrise. »Mit diesem Budget werden in der Steiermark Arbeitsplätze gesichert und geschaffen, die Wettbewerbsfähigkeit erhöht, die Armut bekämpft und stabile Finanzen gewährleistet«, unterstrich Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer die Richtigkeit der steirischen Haushaltspolitik.
Schützenhöfer und Schickhofer betonten, dass der Stabilitätspakt des Bundes auch mit diesem Budget eingehalten werde. Man hätte auf Biegen und Brechen auch ein Nulldefizit erreichen können, das wäre jedoch eindeutig zu Lasten der Arbeitsplätze und des sozialen Wohlstands gegangen.
Proteste kommen von den Grünen: »Vor der Landtagswahl im heurigen Mai wurde die Bevölkerung getäuscht«, sagte etwa Klubobmann Lambert Schönleitner. Ebenso ablehnend kommentierte FPÖ-Budgetsprecher Gerald Deutschmann das Ergebnis. Die unsägliche Reformpartnerschaft fände als Schuldenpartnerschaft ihre Fortsetzung, so die FPÖ.
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Politicks, Fazit 117 (November 2015)
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