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Twitter und das Diskussionsklima im Netz

| 22. Dezember 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 119, Kunst und Kultur

0119_twittervogel_webTwitter, Leitmedium der Gegenwart, zieht einen besonderen Menschenschlag an. Die Lauten, die Besserwisser, die Selbstdarsteller. Viele psychisch Gestörte. Und natürlich die Tages- und Wochenzeitungen, die es noch gibt. Text von Michael Bärnthaler

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Auf Twitter tummeln sich professionelle und Freizeitschreihälse, so etwa auch meine Wenigkeit unter dem Namen @b_thaler. Es sind nicht viele, die auf Twitter diskutieren, aber sie sind oder nehmen sich sehr wichtig. Da Menschen sich stets in konkurrierenden Gruppen organisieren, stehen auch auf Twitter zwei große Lager einander gegenüber. Nennen wir sie, der Einfachheit halber, das linke und das rechte Lager. Ja, es geht um Politik. Und das linke oder linksliberale Lager verteidigt seine Lufthoheit über den Online-Stammtischen mit einer gewissen Verbissenheit. Das Diskussionsklima ist ziemlich vergiftet. Das hat viele Ursachen, über die sich naturgemäß nicht alle einig sind. Oft wird das Medium selbst dafür verantwortlich gemacht, was nicht unplausibel ist. Denn Twitter fördert, wie gesagt, das Schrille, das Laute, das Schnelle. 140 Zeichen sind gut geeignet, um der eigenen Eitelkeit zu frönen, um apodiktisch zu behaupten und zu trollen … Für ausführliche sachliche Diskussionen ist das Medium weniger geeignet.

Oft hört man von Hasspostings, von Hass und Hetze, die online von rechten, von rassistischen oder sexistischen Trollen verbreitet würden. Nun findet man zweifellos Ekelhaftes, Bösartiges und auch strafrechtlich Relevantes im Netz, das von Linken oder Rechten in Umlauf gebracht wird. Aber inwiefern ist die Figur des »rechten Hassposters« ein spezifisches Problem? Können die wenigen, die, oft anonym, tatsächlich nur »Hass« verbreiten, das Diskussionsklima so vergiften, dass ein Dialog zwischen Linken und Rechten unmöglich wird? Ich denke, das Problem besteht eher darin, dass der »rechte Hassposter« – eine teils real existierende, teils aber mythologisch überhöhte Figur – von linken Journalisten zum Sündenbock gemacht wird für all das, was in der öffentlichen Diskussion schiefläuft.

Man gibt die Schuld für das tatsächlich vergiftete Diskussionsklima ausschließlich »rechten Hasspostern«. Mit deren Meinungen habe man sich gar nicht auseinanderzusetzen, die seien letztlich nur ein Fall für den Staatsanwalt. Diese böswillig-ignorante Verquickung von rechter politischer Einstellung mit »Hass« trägt das Ihre dazu bei, das Diskussionsklima zu vergiften. Es ist der Versuch, einen Teil des politischen Spektrums systematisch zu delegitimieren und zum Schweigen zu bringen. Diverse Skandalisierungen, Kampagnen und Shitstorms sollen diesem Zweck dienen. Der etwas voreilige Vorwurf der »Zensur« jenen Meinungsmachern gegenüber, die diesen »Kampf gegen Rechts« führen, kann dabei von diesen stets mit Verweis darauf zurückgewiesen werden, dass ja tatsächlich keine Zensur durch staatliche Behörden stattfindet.

Man sollte daher einfach lapidar festhalten, dass sie, die linksliberal-mainstreamigen Meinungsmacher, natürlich, mangels Möglichkeit dazu, keine Zensur ausüben, dass sie aber sehr wohl dazu beitragen, dass das Diskussionsklima ist, wie es ist: nämlich vergiftet.

Alles Kultur, Fazit 119 (Jänner 2016, 10/2015) – Illustration: Twitter

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