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Tandl macht Schluss (Fazit 122)

| 28. April 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 122, Schlusspunkt

Milton Friedman und das bedingungslose Grundeinkommen. Am 5. Juni stimmen die Schweizer als erste Nation über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Und die Idee beschränkt sich längst nicht mehr nur auf linke Intellektuelle. Inzwischen wächst die Zustimmung zu dieser bisherigen Utopie in ganz Europa. So wird etwa in Deutschland über das Konzept des solidarischen Bürgergeldes des ehemaligen CDU-Politikers Dieter Althaus diskutiert. Und in Finnland startet ausgerechnet die seit dem Vorjahr amtierende Mitte-Rechts-Regierung das Pilotprojekt eines Grundeinkommens von 800 Euro monatlich für jedermann. Die Finnen wollen damit ihren Niedriglohnsektor retten. Denn zahlreichen personenbezogenen Jobs im Sozialbereich droht die Unfinanzierbarkeit, weil der Lohnentwicklung im Dienstleistungssektor, ähnlich wie bei uns, die viel höheren Produktivitätsannahmen der Industrie zugrunde liegen.

Die Befürworter und Gegner des Grundeinkommens verteilen sich längst über das gesamte Politspektrum. Die einen sehen die Bürger durch ein Grundeinkommen endlich von existenziellen Ängsten befreit und Arbeit könnte dadurch erstmals tatsächlich auch von der breiten Masse als Teil der Sinnerfüllung des Lebens wahrgenommen werden. Die ebenso zahlreichen Gegner sehen die Idee jedoch schon an der Finanzierbarkeit scheitern. Zudem würde die Einführung eines Grundeinkommens – ähnlich wie es in Deutschland bei Hartz IV und in Österreich bei der Mindestsicherung schon jetzt zu beobachten ist – zu einer globalen Migration in die Sozialsysteme führen.

In der von linken Gruppierungen getragenen Schweizer Gesetzesinitiative ist von der Höhe des geplanten Grundeinkommens zwar keine Rede. Den Initiatoren schweben jedoch 2.500 Franken im Monat vor, die angeblich notwendig sind, um in der Schweiz im Alter zwischen 16 und 65 Jahren ohne Sozialtransfers über die Runden zu kommen. Für Kinder und Pensionisten ist die Hälfte vorgesehen.
Natürlich kann man das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens immer als Sozialromantik abtun. Doch ausgerechnet der von vielen Linken als Ausgeburt des Neoliberalismus diskreditierte Monetarist Milton Friedman hat die Idee als erster ernstzunehmender Ökonom wissenschaftlich untermauert. Und zwar in Form einer negativen Einkommensteuer. Dass Friedman selbst zehn Jahre nach seinem Tod immer noch zu den am heftigsten angefeindeten Ökonomen der Welt zählt, verdankt er nicht seiner Idee vom bedingungslosen Grundeinkommen, sondern der Überzeugung, dass es außerhalb der freien Marktwirtschaft keine echte Demokratie geben könne.

In den nächsten beiden Jahrzehnten ist damit zu rechnen, dass die meisten sich wiederholenden Tätigkeiten automatisiert und die zugrunde liegenden Jobs wegrationalisiert werden. Das kann zum Verlust von einem Drittel der Arbeitsplätze führen. Und erstmals wird die Rationalisierung nicht nur die unteren Einkommensschichten treffen. Sämtliche nicht kreativen Tätigkeiten vom Disponenten bis zum Steuerberater sind betroffen. In dem für unseren Arbeitsmarkt besonders wichtigen Automobilbereich könnten sogar drei Viertel der Arbeitsplätze wegfallen. Denn zusätzlich zur Digitalisierung steht dort die Elektrifizierung des Verkehrs an. Schon heute ist nachgewiesen, dass E-Autos wesentlich einfacher hergestellt und gewartet werden können. Wenn heute über selbstfahrende Fahrzeuge nachgedacht wird, ist davon auszugehen, dass es den Beruf des Kraftfahrers – ganz egal ob im Personen- oder im Güterverkehr – in absehbarer Zeit nicht mehr geben wird.

Die anstehenden Herausforderungen für die Arbeitswelt und damit für die Existenzsicherung der Mittelschicht sind so groß, dass neue Konzepte, wie jenes des bedingungslosen Grundeinkommens, der Neuverteilung der Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung und von mir aus auch die Illusion der Gemeinwohlökonomie dringend entideologisiert werden müssen. Denn eines ist klar: Durch die Digitalisierung und weitere Produktivitätssteigerungen wird zwar der Gesamtwohlstand weiter steigen. Die Zahl der Arbeitsplätze kann jedoch nur dort wachsen, wo keine weiteren Rationalisierungen absehbar sind. Damit hat sich eigentlich auch das Konzept der Staatsfinanzierung über die Besteuerung der Arbeit überlebt.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 122 (Mai 2016)

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