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Tandl macht Schluss (Fazit 123)

| 30. Mai 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 123, Schlusspunkt

Ist die Europäische Union Teil des Problems geworden? Österreich hat wie kaum ein anderes Land vom Beitritt zur Europäischen Union profitiert. Durch die von Brüssel erzwungene Harmonisierung fielen unzählige bürokratische Hindernisse für die Wirtschaft weg. Außerdem stand unserer »kleinen, offenen Volkswirtschaft« auf einmal nicht nur der deutsche und italienische, sondern der gesamte europäische Markt offen. Einen weiteren Riesenimpuls hat die Euroeinführung gebracht. Vor dem Euro hatten Italiener, Griechen und Spanier nämlich das Spiel perfekt gespielt, über Abwertungen die eigenen Exporte zu befeuern und Importe aus Österreich oder Deutschland zu verteuern. In den ersten zehn Jahren nach der Einführung der Gemeinschaftswährung wuchs die Wirtschaft in Österreich dadurch deutlich schneller als im EU-Durchschnitt. Österreich wurde drittreichstes EU-Land mit der – leider nur bis 2012 – niedrigsten Arbeitslosenquote aller EU-Länder.

Den dritten großen Wachstumssprung brachte uns dann die EU-Osterweiterung. Überall in den Reformstaaten entstanden Niederlassungen österreichischer Unternehmen. Lagen die Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa im Jahr 1990 bei 400 Millionen Euro und im Jahr 2000 bei acht Milliarden, stiegen sie bis 2012 auf unglaubliche 67 Milliarden. Die Produktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Mutterunternehmen schossen in die Höhe; mit bis heute über 7.000 neuen Jobs im Jahr. Doch seit der Finanzkrise hat sich das Bild gewandelt. Die Party der Boomjahre ist vorbei und anstatt entgegenzusteuern, ist die EU mit ihrer katastrophalen Wirtschaftspolitik längst zum Teil des Problems, zu einem Treiber der Abwärtsspirale geworden.

So setzt die Europäische Zentralbank ihr unwirksames Konjunkturprogramm unbeirrt fort. Mit Nullz- und Negativzinsen will die EZB die Wirtschaft ankurbeln. Dabei werden die EZB-Maßnahmen durch »Basel III«, eine Bankenrichtlinie, die in das europäische Recht übernommen wurde, völlig unwirksam. EZB-Präsident Draghi weigert sich zu akzeptieren, dass seine Geldschwemme durch »Basel III« vollständig ausgehebelt wird. Statt dessen entwertet er die Ersparnisse und Altersvorsorgen von hunderten Millionen Europäern. Und weil das Wachstum ausbleibt, haben auch die überschuldeten EU-Staaten nichts von den niedrigen Zinsen. Denn was sich diese an Zinsen ersparen, müssen sie mehr in Armutsbekämpfung investieren bzw. nehmen sie weniger an Steuern ein. Damit wachsen die Schulden, während die Wirtschaft stagniert. Dass die EU-Kommission nicht begreift, dass ihre künstlich herbeigeführte Kreditklemme für viele europäische KMU tödlich wirkt, ist ein fataler Fehler.

Anstatt den Investmentbereich der internationalen Großbanken und Finanzjongleure zu reglementieren, macht man lieber den kleinen Regionalbanken das Leben schwer. Selbst Kunden, die in der Vergangenheit niemals Probleme hatten, ihre Kredite zu bedienen, wurden rechtsverbindlich zu so schlechten Zahlern abgewertet, dass sie keine neuen Kredite bekommen dürfen. Mit der Folge, dass viele Unternehmen nicht mehr investieren können und jene, die es könnten, wegen des ausbleibenden Wachstums gar nicht mehr wollen. In Großbritannien wird in wenigen Wochen über den EU-Austritt abgestimmt. In Umfragen liegen Gegner und Befürworter der Union Kopf an Kopf. Allen Anschein nach nehmen immer mehr Briten lieber die Billionenverluste, die ein EU-Austritt die britische Volkswirtschaft kosten würde, in Kauf, als sich den ständigen Brüsseler Besserwissereien und der Bevormundung durch die EU-Kommission noch länger auszusetzen.

Doch mit dem Brexit verlagert sich das politische Gewicht der EU automatisch in den wirtschaftlich halbtoten Süden; in Länder, die auf Dauer auf Transfers angewiesen sein werden. Damit beschleunigt sich die Reise Europas auf dem vorgezeichneten Weg von der Wirtschafts- zur Sozial und Transferunion.

Im Jahr 1994 war das leistungsorientierte Österreich fast zur Gänze für einen EU-Beitritt und die Grünen waren dagegen. 2016 sind die Grünen für den Verbleib in der Union – ja sogar für eine bedingungslose Vertiefung der Integration. Dafür stellen sich immer mehr Leistungsorientierte die Frage, wie hoch der Preis für ein Europa ohne Grenzen sein darf.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 123 (Juni 2016)

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