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Tandl macht Schluss (Fazit 125)

| 1. August 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 125, Schlusspunkt

Einkaufszentren vernichten mehr Jobs, als sie schaffen Der Verfassungsgerichtshof will, dass die Shoppingcity Seiersberg bis Mitte Jänner 2017 geschlossen wird; und zwar weil die Übergänge zwischen den fünf Bauteilen in der derzeitigen Form nicht genehmigungsfähig sind. Die »Megamall« wurde im Jahr 2002 eröffnet. Obwohl es seit Jahrzehnten Gesetze gibt, die solche Center auf der grünen Wiese verhindern sollen, ist es den Betreibern sogar gelungen, die Einkaufsflächen im Jahr 2008 auf 85.000 Quadratmeter zu erweitern. Und bisher konnten sie alle Behörden- und Gerichtsverfahren für sich entscheiden.

Möglich wurde das riesige Einkaufszentrum, weil die fünf Bauteile so miteinander verbunden wurden, dass ein zusammenhängendes Bauwerk entstehen konnte. Und immer noch argumentieren die Betreiber mit fünf Gebäuden, die durch »Interessentenwege« miteinander verbundenen sind. Das wäre aus Sicht des VfGH auch in Ordnung. Bei diesen »Interessentenwegen« handelt es sich jedoch um mehrgeschossige Gebäude, die nicht nur von Interessenten, sondern auch von Kunden genutzt werden. Und auch auf der eigenen Webpage oder in den Inseraten wollen die Betreiber nichts von fünf kleinen Einkaufszentren wissen. Dort wird »Steiermarks größte Einkaufsstadt« mit »800 Marken in 200 Shops« beworben.

Schon Monate bevor das Verfassungsgericht die Bewilligung aufhob, hat die Gemeinde Seiersberg-Pirka geahnt, was auf sie zukommt und beim Land Steiermark eine Einzelstandortsgenehmigung zur Sanierung der inzwischen judizierten Rechtsmängel beantragt.

Der für die Raumordnung zuständige Landesrat Anton Lang sollte allem Anschein nach mit einer Klagsdrohung und dem Arbeitsplatzargument überzeugt werden. So schrieb etwa »Der Standard«, die Eigentümer würden das Land bei der Verweigerung der Einzelstandortgenehmigung wegen der Wertminderung des Einkaufszentrums klagen. Der Verkehrswert vor dem VfGH-Erkenntnis soll übrigens 450 Millionen Euro betragen haben. Dass eine solche Klage Chancen hätte, darf bezweifelt werden. Für eine dringliche Anfrage der Grünen an Lang und die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss hat der entstandene Wirbel dennoch gereicht.

Nun ist davon auszugehen, dass die Landesregierung das Einkaufszentrum retten will und eine entsprechende Verordnung erlässt. Doch dass diese gerichtlich standhält, ist mehr als fraglich. Denn dazu müsste die Shoppingcity eine Reihe von Kriterien erfüllen, an denen schon bisher selbst viel kleinere Einkaufszentrenprojekte gescheitert sind.
Natürlich müssen auch die umstrittenen »Interessentenwege«, die Übergänge zwischen den fünf Gebäuden so hergestellt werden, dass sie gerichtlich standhalten. Es stellt sich daher die Frage, ob Seiersberg auch noch funktioniert, wenn man auf Erdgeschoßniveau, im Freien, zwischen den Gebäuden wechseln muss. Und dass diese Wege dann tatsächlich nur mehr von »Interessenten«, das sind die »Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften entlang des Weges«, benutzt werden dürfen, ist ein weiteres Kriterium. Dazu kommt, dass der VfGH in der Vergangenheit Raumordnungsverordnungen, die ausschließlich eine Sanierung rechtswidriger Zustände beabsichtigen, immer abgelehnt hat.

In der Vergangenheit haben vor allem die Innenstädte unter dem Boom der Einkaufzentren auf der grünen Wiese gelitten. Während im Grazer Umland immer noch neue Einkaufsflächen entstehen, werden jene Bereiche der Innenstadt, in denen der Einzelhandel funktioniert, von Jahr zu Jahr kleiner. Das führt inzwischen zu extremen Leerständen, weil die Hausbesitzer mangels Frequenz ihre Mietvorstellungen nicht mehr durchsetzen können. Deshalb fehlt auch das Geld für Sanierungen und Investitionen und ein Straßenzug nach dem anderen droht zu veröden.

Daher darf auch der Umstand, dass in der Shoppingcity Seiersberg mehr als 2.100 Menschen beschäftigt sind, keine Rolle bei den Behördenentscheidungen spielen. Denn es ist davon auszugehen, dass solche Einkaufszentren in den Innenstädten benachbarter Zentralorte wesentlich mehr Arbeitsplätze vernichten, als durch sie geschaffen werden. Das Land Steiermark hat außerdem spätestens mit der Gemeindestrukturreform klar gemacht, dass es die Zentralorte schützen will. Mit einer Verordnung zu Gunsten der Gemeinde Seiersberg-Pirka stellt man daher die eigene Glaubwürdigkeit in Frage.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 125 (August 2016)

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