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Notizen zu dem Phänomen der Alt-Right

| 22. Dezember 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 129, Kunst und Kultur

Manchmal entsteht etwas Neues. Kommt von irgendwoher und überschwemmt die Sinnesorgane professionell geschulter Rezipienten. Und ist nicht mehr weg- und nicht totzukriegen. Die Alt-Right ist so ein Phänomen. Die Alt-Right ist die Summe dessen, was junge Leute, die sich mehr oder weniger affirmativ auf das Schlagwort Alt-Right beziehen, auf Twitter posten. Nicht nur auf Twitter, auch anderswo im Internet. Und nicht nur im Internet, auch anderswo. Aber sagen wir mal so: Die Alt-Right ist eine – großteils anonyme – Onlinejugendbewegung, die ein neuer politischer Faktor und eine andere Rechte sein will.

::: Text von Michael Bärnthaler
::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Sie stellt auch, wie rechte Politik ja meistens, eine Reaktion auf linke Politik, hier insbesondere auf linke Netzpolitik dar. Deren Onlinevorherrschaft im Zeichen der drei Buchstaben SJW (Social justice warrior) zu brechen, ist die Alt-Right angetreten. Um dieses Ziel zu erreichen, meint die neue Rechte sich auch von den als Cuckservatives geschmähten traditionellen Konservativen emanzipieren zu müssen. Diese seien, so fasse ich die Kritik zusammen, Schwächlinge – bzw. eben Cucks. Der geneigte Leser möge die Begriffe, sollten sie nicht bereits bekannt sein, googeln.

Das Phänomen Alt-Right ist für viele professionelle Beobachter schwer zu fassen. Das liegt auch daran, dass die Alt-Right schwer zu fassen sein möchte … Doch im Grunde ist mit der Selbstverortung als – unapologetically – rechts ja schon vieles gesagt, nicht? Die Alt-Right will spielen, aber nicht nur spielen. Verschiedene Alt-Righter wollen Verschiedenes, das ist auch klar. Oft geht es um die – vielleicht nur teilweise – Rehabilitierung gewisser Ismen: Sexismus, Rassismus … Die Nation wird gegen den Globus ausgespielt. Die Alt-Right ist eine rechte Jugendbewegung und ein Hashtag, geschmiedet im postmodernen Stahlbad der Ironie, so wie eine andere Jugend in den Stahlgewittern eines Weltkriegs, rofl lol. In der FAZ schrieb jemand: »Das ist, was einen nach zwei Tagen in den Foren der Alt-Right nicht mehr schlafen lässt: eine nach Männerschweiß stinkende Todessehnsucht, vielleicht tatsächlich die des Faschismus, im Netzwerk neu zusammengesetzt.« Nun ja. Damit ist etwas angesprochen, mit dem wir uns beschäftigen müssen, und ich meine nicht den Faschismus, sondern natürlich den Tod. Denn der Tod ist das Absolute, wenn es das Absolute, also Gott usw. nicht gibt. Das Problem des Nihilismus.

Eine ernsthafte Analyse müsste hier beginnen, wo diese Notizen – sorry! – enden. Ich entlasse den Leser in Beruf oder Freizeit mit der Überlegung, dass, was für den liberalen Kommentator der FAZ nur todessüchtige Negation – des liberalen Systems oder des Lebens – sein kann, für den anonymen Alt-Righter wohl eine Negation der Negation – des liberalen qua nihilistischen Systems – darstellt. Denn jede Todessehnsucht ist ja auch Sehnsucht nach Leben, nach dem wahren Leben, ist zuletzt: pure Sehnsucht … Der Treibstoff jeder Jugendbewegung.

Alles Kultur, Fazit 129 (Jänner 2017)

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