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Steuergerechtigkeit

| 30. März 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 131, Fazitthema

Foto: Alto

Die Abgabenlast in Österreich beträgt 43 Prozent. Und die jährlichen Steuereinnahmen wachsen etwa zweieinhalbmal so schnell wie die Wirtschaft. Trotzdem reicht es hinten und vorne nicht. Der Staat braucht so viel Geld, dass es längst unserem Wohlstand schadet. Text von Johannes Tandl

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Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass die Steuerreform 2015 auch für den Finanzminister ein gutes Geschäft war. Die Bürger haben das »Mehr im Börserl« verkonsumiert und der Finanzminister hat inzwischen seine Verluste im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer durch einen deutlichen Einnahmenanstieg bei den Verbrauchssteuern wie der Umsatzsteuer mehr als nur wettgemacht. Allein die Mehrwertsteuer soll im Jahr 2017 bei einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von nur 1,6 Prozent um unglaubliche 6,5 Prozent auf 28,8 Milliarden Euro ansteigen.

Doch während die Lohnsteueraufkommen durch die Tarifreform um 9,6 Prozent auf 24,6 Milliarden Euro im Vorjahr gesunken sind, haben die Einkommensteuerzahler überhaupt nicht profitiert. Ihre Steuerlast ist im Jahr der Reform um acht Prozent auf 3,9 Milliarden Euro angestiegen. Die Frage nach einem gerechten Steuersystem auch für jene, die mit ihren unternehmerischen Erfolgen hauptverantwortlich für den Wohlstand im Land sind, stellt sich daher lauter als je zuvor.

Steuerhinterziehung wird bestraft, Steuerverschwendung ist straffrei!
In Österreich wird zwar die Steuerhinterziehung bestraft, Steuerverschwendung hingegen nicht. Nicht nur die Steuerzahler, sondern auch viele Experten sehen darin den eigentlichen Skandal. Denn ethisch betrachtet beinhaltet Steuerverschwendung einen höheren Unrechtsgehalt als eine – meist umstrittene – Hinterziehung. Schließlich wird bei der Steuerverschwendung fremdes Vermögen unredlich verwendet, während ein Steuerhinterzieher »bloß« einer Zahlungsverpflichtung auszuweichen versucht – auf unredliche Art allerdings.

Auch aus mitunter fragwürdigen behördlichen Auslegungen der Steuergesetze können Steuernachzahlungen erwachsen. Diese können nämlich nicht mit einer Selbstanzeige geregelt werden, die ja den Straftatbestand der Hinterziehung aufheben würde. Daher hat Steuerhinterziehung nichts mit Betrug zu tun. Dass es unter Millionen Steuerzahlern immer auch schwarz Schafe gibt, die einen Teil ihrer Einnahmen am Fiskus vorbeizuschleusen versuchen, ist ohnedies klar.

Der Kampf gegen die Finanzbehörden zur Minimierung der exorbitanten individuellen Steuerlast wird von vielen Steuerzahlern längst als Duell wahrgenommen, bei dem David gegen einen übermächtigen Goliath antreten muss. Ein Goliath, der die Früchte harter Arbeit an sich reißt, um sie an einen Staatsapparat zu verfüttern, der niemals genug kriegt.

Steuerverschwendung und eine als ungerecht empfundene Abgabenhöhe untergraben die Steuermoral
Die Ergebnisse von Steuerhinterziehung und Steuerverschwendung sind ähnlich. In beiden Fällen wird dem Staat Geld entzogen. Doch anders als Steuerhinterziehung wirkt sich Steuerverschwendung nicht nur auf die aktuellen, sondern auch auf die künftigen Staatseinnahmen aus. Denn sie untergräbt die Steuermoral. Aber das tut auch unser Steuersystem. Schließlich bürdet es einem immer kleiner werdenden Anteil der Bevölkerung einen stetig steigenden Anteil der gesamten Steuerlast auf. Ein Fünftel der Bevölkerung leistet inzwischen vier Fünftel des gesamten direkten Steueraufkommens.
Allen verantwortungsvollen Bürgern ist klar, dass der Staat zahlreiche Aufgaben wahrnehmen muss, die er nur über Steuereinnahmen und Sozialabgaben finanzieren kann. Dazu zählen Bereiche wie Sicherheit, Bildung, Infrastruktur oder Gesundheit. Das Geld, das vom Staat dort ausgegeben wird, wo der Markt zu Fehlallokationen führen würde, ist der gesamten Gesellschaft von Nutzen. Entsprechend groß ist daher die Bereitschaft der Bürger, einen solidarischen Beitrag zur Finanzierung dieser Aufgaben zu leisten.

Der Unmut der Bürger wächst jedoch, wenn die öffentliche Hand nicht verantwortungsvoll mit Steuermitteln umgeht. Entsprechend fatal wirken sich die schwarzen Löcher in der Verwaltung auf das Unrechtsempfinden der Bürger bei Steuerdelikten aus. Dennoch bleibt die Steuerverschwendung meist ohne Konsequenzen. In den meisten Fällen ist sie sogar gesetzlich abgesegnet.

Die Schattenwirtschaft geht zurück
Trotzdem sinkt die Schwarzarbeit in Österreich. Der Linzer Ökonom Friedrich Schneider prognostiziert für heuer sogar einen Rückgang um mehr als acht Prozent auf 18,9 Milliarden Euro. Das entspricht »nur mehr« 7,11 Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung und ist der niedrigste Länderwert der gesamten Europäischen Union. Wenn nun tatsächlich endlich auch die kalte Progression abgeschafft wird, könnte das einen weiteren Rückgang der Schwarzarbeit auslösen. Schneider begründet den Rückgang der Schattenwirtschaft mit besseren Beschäftigungsmöglichkeiten in der offiziellen Wirtschaft. Dazu kommt, dass die Politik nichts unversucht lässt, um unser Steuersystem »wasserdicht« zu machen, indem sie möglichst keine Angriffsflächen für Steuerhinterziehungen zulässt.

Vor allem bei bar abgewickelten Endverbrauchergeschäften bestand in der Vergangenheit die Möglichkeit, am Fiskus vorbeizuarbeiten. Daher hat der Gesetzgeber die Registrierkassenpflicht erlassen, die – obwohl sie offiziell bereits seit Anfang des Vorjahres gilt – nun mit 1. April 2017 endgültig in Kraft tritt. Erst jetzt müssen nämlich sämtliche Kassen mit jenem umstrittenen Manipulationsschutz ausgestattet werden, der dem Finanzamt Einblick in sämtliche verrechneten Zahlungsströme gewährt.

Selbstverständlich ist es legitim, dass der Staat sein Einnahmesystem so weit wie möglich absichert. Viele Steuerzahler haben jedoch den Eindruck gewonnen, dass dabei mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Denn selbst bei geringen Verstößen und Rückständen droht die Finanz neuerdings mit drakonischen Konsequenzen wie dem Entzug der wirtschaftlichen Existenzberechtigung.

Drakonische Strafen für Steuerhinterzieher
Und dass Steuerhinterzieher immer schärfer – wie Gewaltverbrecher mit Freiheitsstrafen – bestraft werden, erscheint ebenso unverhältnismäßig. So sind sowohl die Strafrahmen als auch die Höhe der tatsächlich verhängten Strafen in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die Höchststrafe für Steuerhinterziehung – samt angeschlossener Delikte – beträgt mittlerweile unglaubliche 19 Jahre Gefängnis.  Aus der Sicht des Gesetzgebers wird das Unrecht, das ein Steuerhinterzieher begeht, damit beinahe mit jenem eines Totschlägers oder Mörders gleichgesetzt.

Natürlich soll man Steuerhinterziehung nicht straffrei stellen. Denn zur Steuergerechtigkeit gehört es, ehrliche Steuerzahler davor zu schützen, die Steuern der Hinterzieher in Form überhöhter Steuern mitübernehmen zu müssen. Ein »gerechter Staat« muss seine Bevölkerung jedoch auch vor jener überhöhten Steuerlast schützen, die durch Steuerverschwendung und unnötige Staatsausgaben verursacht wird.

Ein Gesetzgeber, der nur die Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgt, die Steuerverschwendung jedoch straffrei stellt, ist für den Verfall der Steuermoral verantwortlich. Er unterstützt damit darüber hinaus das Aufkommen von Parteien, die mehr Gerechtigkeit durch einfache Lösungen – wie etwa einem Zuwanderungsstopp – versprechen. Und da völlig klar ist, dass wir dringend qualifizierte Zuwanderer brauchen, gefährden die Rechtspopulisten unser Wohlstandsniveau in ähnlichem Ausmaß wie jene Linkspopulisten, die uns vorgaukeln, dass sich demografische Probleme über unqualifizierte Massenmigration lösen lassen.

Selbst dem Finanzminister ist die Abgabenlast viel zu hoch
Unserem oberstem Finanzhüter, Finanzminister Hans Jörg Schelling, ist bewusst, dass die Abgabenlast in Österreich viel zu hoch ist. Er will die Quote von aktuell 43 Prozent auf mittelfristig unter 40 Prozent senken, ohne staatliche Aufgaben zu beschränken. Dass auf diesem Weg nicht allzu viel schiefgehen darf, etwa durch eine unerwartete Wachstumsschwäche, einen neuerlichen Ansturm unqualifizierter Migranten oder steigenden Zinsen auf die Staatsschulden, ist klar. Im Jahr 2016 schaffte Österreich ein moderates Budgetdefizit von etwa 1,4 Prozent, was trotz der Bewältigung der Flüchtlingskrise in etwa dem Wirtschaftswachstum entspricht. Damit verfehlt Österreich allerdings klar das Ziel eines »strukturellen Nulldefizits«, das Schellings Vorgänger Michael Spindelegger – wenige Monate vor seiner Ablöse – im Jahr 2014 ausgegeben hatte. Von einem »strukturellen Nulldefizit« sprechen Finanzexperten übrigens dann, wenn die Neuverschuldung nicht mehr als 0,5 Prozent beträgt. Das letzte Jahr mit einem echten Budgetüberschuss liegt hingegen schon lange zurück. Unter dem sonst glücklosen ÖVP-Bundeskanzler Alfons Gorbach gelang das Unglaubliche; und zwar 1962, das Jahr, in dem Marilyn Monroe verstarb. Finanzminister war damals übrigens Josef Klaus. 1962 lag die Abgabenquote mit 33 Prozent um etwa 10 Prozent niedriger als heute. Die Staatseinnahmen lagen bei 41 Prozent des BIP, heute bei 51 Prozent. Im Wesentlichen unterscheidet sich die damalige Budgetstruktur vor allem bei den Sozialtransfers. Die Sozialquote lag 1970, dem Beginn des Modernisierungsschubs durch die Kreisky-Regierung, bei 21 Prozent und ist bis heute auf 30 Prozent angewachsen.

Ideologischer Streit um Vermögenssteuern
Wenn in Österreich von Steuergerechtigkeit die Rede ist, fällt auf, dass Vermögenssteuern nur eine untergeordnete Rolle in der Einnahmestruktur spielen. Das ist inzwischen vor allem den Linken ein Dorn im Auge. Dass die Vermögenssteuer als Substanzsteuer von SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina im Jahr 1983 gegen eine wesentlich gerechtere Kapitalertragssteuer (KEST) eingetauscht wurde, geht jedoch im klassenkämpferischen Lärm, den der Gewerkschaftsflügel der SPÖ oder die Grünen machen, unter. Und so wundert es nicht, dass die Befürworter der Wiedereinführung gar keinen Gedanken darauf verschwenden, im Gegenzug einen einfacheren Vermögenszuwachs in Form einer KEST-Abschaffung oder deutlich niedrigerer Lohn- und Einkommensteuern zu ermöglichen.

Abgesehen davon, dass Österreich mit 50 Prozent schon heute einen der weltweit höchsten Spitzensteuersätze auf Einkommen hat, werden bei uns auch Erträge aus Vermögen voll besteuert: Die Erträge aus Sparbüchern und Wertpapieren unterliegen der 25-prozentigen KEST-Pflicht, während die Miet- und Pachterträge aus Immobilienvermögen der vollen Einkommensteuerpflicht unterliegen. Darin sehen viele Experten übrigens eine Hauptursache für die teuren, von sozial Schwächeren nur mit Beihilfen bewältigbaren Mieten in den Ballungsräumen. Dazu kommen die Grunderwerbsteuer von 3,5 Prozent und die jährliche Grundsteuer. Beide wirken sich ebenfalls negativ auf die Wohnkosten aus.

Die internationalen Maßnahmen gegen grenzüberschreitende Steuervermeidung
Als kleinster gemeinsamer Nenner im Kampf um die Steuergerechtigkeit bleibt die Bekämpfung von Steueroasen, in die professionelle Steuervermeider ihre Erträge – am heimischen Fiskus – vorbeileiten. Dazu wurde das BEPS-Projekt initiiert: BEPS steht für »Base Erosion and Profit Shifting« was auf Deutsch etwa »Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung« bedeutet.

Dabei haben sich alle Staaten der OECD und der G20 sowie die Entwicklungs- und Schwellenländer mit dem Ziel zusammengeschlossen, gegen einen schädlichen staatlichen Steuerwettbewerb sowie gegen aggressive Steuervermeidungsstrategien internationaler Konzerne vorzugehen.

Die Grundidee, mit der für mehr Steuergerechtigkeit gesorgt werden soll, ist einfach: Gewinne sollen dort versteuert werden, wo sie entstehen. Bisher wurden Konzerne wie Apple oder Starbucks bei ihrem Kampf gegen die Finanzämter jedoch gegen eine geringe Gebühr von Staaten wie Luxemburg, Irland, Zypern oder Malta höchst erfolgreich unterstützt. Kleine Länder, in denen sich diese Konzerne sonst niemals niedergelassen hätten, wollten so zumindest ein kleines Stück vom großen Kuchen, den diese Unternehmen erwirtschaften, ergattern. Da sich an der Grundhaltung dieser Staaten nichts geändert hat, bleibt abzuwarten, ob beim Kampf gegen die internationale Steuervermeidung tatsächlich auch große Fische ins Netz gehen. Denn noch ist kaum ein EU-Land dazu bereit, seine eigenen Steueroasen dichtzumachen. Dem österreichischen Finanzminister schwebt daher die vollständige Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen für Unternehmenssteuern vor, damit nicht länger Äpfel mit Birnen verglichen werden müssen, wenn die unterschiedlichen europäischen Steuersätze betrachtet werden.

Fazitthema Fazit 131 (April 2016) – Foto: Alto

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