Anzeige
FazitOnline

Zur Lage (79)

| 30. März 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 131, Zur Lage

Über einen mich langweilenden Witz aus meiner letzten Lage, kurz etwas über ein Berliner Onlinemagazin für starke Frauen, einiges über schwangere Männer und viel zu wenig über die neuen Kleider der alten Kaiser.

::: Hier im Printlayout online lesen

In der letzten Lage habe ich von einem meiner Ticks erzählt und ich muss Ihnen sagen, als ich das dann im gedruckten Magazin nochmals gelesen hatte, war ich einigermaßen gelangweilt. Zum wahrscheinlich zupfzigsten Mal hatte ich da nämlich so einen »Gendergag« gemacht (»Sprecherinnen und Sprecherinnen«) und da ich solche Wiederholungen gar nicht leiden kann, hatte ich mir vorgenommen, in dieser Ausgabe meine Wut über diese Ödnis bei Ihnen auszulassen.

Aber dann ist mir die »Edition F«, »das digitale Zuhause für starke Frauen«, ein Onlinemagazin aus Berlin, dazwischengekommen. Da ich mich ja immer noch sehr für Frauen und deren Anliegen interessiere, hab ich da reingestöbert und bin auf einen Artikel aufmerksam geworden, der – interessanterweise schon am 2. Februar dieses Jahres – die »schönsten Geburtsmomente 2017« präsentierte. Vielleicht haben die dort bloß die schönsten Geburtsmomente aus dem Jahr 2016 gemeint oder die Edition F weiß halt, dass sich heuer in dem Bereich nichts mehr tut. Wie auch immer, das war ein recht intensiver Bilder- eindruck und das eine odere andere sehr detaillierte Foto hat mich in meiner Entscheidung, jeweils die letzten Viertelstunden der Geburten meiner zwei Töchter am Gang mitzuerleben, sehr bestätigt.

Besonders eingenommen hat mich ein Beitrag von Annika Spahn, Queer-Aktivistin (wird irgendwas bedeuten) und Studentin von Gender-Studies (wird auch irgendwas bedeuten) zu dieser Geschichte. Um Annika Spahn etwas besser kennenzulernen, möchte ich Ihnen aus ihrer Biografie auf »Speakerinnen.org« ein paar Sätze zitieren: »Momentan studiere ich Gender Studies auf M.A. an der Universität Freiburg und schreibe an meiner Masterarbeit über Trans* und Schwangerschaft. Ich forsche seit einiger Zeit zu Heteronormativität, Intersektionalität und Queer, mit einem großen Fokus auf Körper und die Medikalisierung von queeren Sexualitäten, also beispielsweise, dass A_sexualität als Krankheit behandelt wird. Die große Frage, die sich mir stellt ist, in welchen Prozessen und durch welche Akteur*innen Körper in einer heteronormativen Gesellschaft vergeschlechtlicht und sexualisiert werden.«

Na, das ist was, ist das was? Herrlich im Grunde. Es geht dann noch zwei Absätze weiter so im Text, die getraue ich mir aber nicht wiederzugeben, liefe ich doch dann Gefahr, während des Schreibens plötzlich zu verblöden. Das hat aber noch ein bisschen Zeit. Und dieses nette Fräulein Spahn, hätte ich jetzt fast geschrieben, aber da ich davon ausgehen muss, dass sowas mittlerweile nicht mehr als die Höflichkeit, die es ausdrücken soll, interpretiert würde, sondern wohl eher justiziabel im Sinne einer Beleidigung wäre, distanziere ich mich vom »Fräulein« und beginne den Satz noch einmal.

Annika Spahn hat der Edition-F-Redaktion als Reaktion auf den Geburtenbeitrag eine Onlinenachricht via »Twitter« geschickt: »Hallo Edition-F, es wäre toll, wenn ihr in eurer Sprache trans*inklusiv sein könntet. Auch Männer können schwanger sein.« Freilich, möchte man da meinen, spätestens, wenn die blaue Sonn’ aufgeht. Aber die Redaktion der Editon-F ist dankenswerterweise nicht ganz so borniert, alt und männlich, wie ich es bin und hat mit schonungsloser Offenheit und meinen Wahnsinn entlarvend geantwortet: »Du hast natürlich Recht. Schade auch, dass kein Foto beim Wettbewerb dabei war.« Die Möglichkeit, dass da ein klein wenig Sarkasmus, vor allem was das Foto dieser dann ja am ehesten als Arschgeburt zu beschreibenden Situation betrifft, mitschwingt, muss ich übrigens leider ausschließen; ich denke, dieses Maß an Ironie darf ich mir da nicht erwarten. Gut, die Hoffnung stirbt zuletzt. Es sagt schon viel über eine Zeit und über eine Gesellschaft aus, in der eine Studentin an einer Universität den Satz »Auch Männer können schwanger sein« – offenbar in der Absicht, damit ernst genommen zu werden – aus sich fahren lässt. Dass das aber dann mit einem »Du hast natürlich (!) Recht (!!)« quittiert wird, zeichnet diese Gesellschaft endgültig mit dem Goldenen Siegel des kompletten Wahnsinns am Bande aus und übertrifft alles, was an Satire jemals erdacht, erschrieben oder erspieben wurde.

Natürlich wird es jetzt zweiachtelgebildete Leser geben, die mich darauf hinweisen, dass erst jüngt ein Mann, der sich zur Frau hat umwandeln lassen (oder umgekehrt, keine Ahnung), ein Kind zur Welt gebracht hat. Das mag schon sein, etwa die heutigen Fertigkeiten der Chirurgie vor Augen habend, könnte ich mir sicher den Schwanz eines Geparden ans Rückgrat operieren lassen, trotzdem wäre ich meilenweit davon entfernt, zum schnellsten Landsäugetier der Welt zu werden. Und deswegen, meine Lieben, langweile ich mich jetzt nicht mehr ob öder Genderwitze, nein, ganz im Gegenteil, mache ich mich jetzt jeden Tag schon vor dem Aufstehen über all die Binnen-Is, Gendersternchen oder Unterstriche mit zumindest einem Tweet lustig. Ich bin das meiner Restvernunft schuldig. Und der unserer Gesellschaft.

Mir ist es übrigens herzlich egal, ich begrüße es selbstverständlich sogar, wenn sich die Wissenschaft um noch so abstruse Sachelchen annimmt. (Irgendwas wird schon rauskommen.) Wenn aber immer mehr Studenten von ihren Hochschulen genötigt werden, ihre Abschlussarbeiten in wöchentlich immer irrer werdenden Genderformen zu verfassen, die nichts anderes tun, als die Lesbarkeit zu erschweren und den Intellekt jeder Küchenschabe zu beleidigen, dann muss man dagegen anscherzen! Zumindest so lange, bis endlich ein Mädel kommt und den ganzen »Wissenschaftler*_//Innen(#)« sagt, wie nackt ihre Geistlosigkeiten daherkommen.

Zur Lage #79, Fazit 131 (April 2017)

Kommentare

Antworten