Politicks Mai 2017
Johannes Tandl | 27. April 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 132, Politicks
Türkenreferendum – Die heimische Politik sucht Antworten
In Österreich ist man sich einig, dass bei der Integration einiges schiefgegangen sein muss, wenn Auslandstürken, die teilweise seit Jahrzehnten bei uns leben, für den Machtausbau von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğans stimmen. Doch, was zum Führerkult der Türken geführt hat, ist unklar. Auch auf die Idee, dass die Türken bloß einen Denkzettel für die von ihnen empfundene Benachteiligung austeilen wollten, der eher an die Österreicher adressiert ist als an die türkische Regierung, ist noch niemand gekommen.
Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz sieht eine andere Mitschuld der Bundesregierung am klaren Ja des türkischen Verfassungsreferendums in Österreich. Der Staat habe stasiartige Institutionen des türkischen Geheimdienstes und türkischer Auslandsorganisationen in Österreich zugelassen, so Pilz. Er sieht einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen unter den Auslandstürken und der Stärke der türkischen Pro-Erdoğan-Netzwerke in den jeweiligen Ländern. Österreich, Belgien oder die Niederlande seien deswegen »Heimspielländer« für Präsident Erdoğan. Dort wo die Netzwerke am dichtesten sind, habe es die meisten Ja-Stimmen gegeben.
Der Integrationsminister Außenminister Sebastian Kurz sieht sich hingegen bestätigt. Es gehe in Zukunft darum, die Zuwanderung aus kulturfernen Regionen stark einzuschränken. Die 73 Prozent an Türken, die in Österreich für den Machtausbau Erdoğans gestimmt haben, führt Kurz auf die falsche Zuwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte zurück. Da habe eine absolut völlig falsche Laissez-faire-Stimmung geherrscht.
Buchmann tritt nach massiver Medienkampagne doch zurück
Natürlich hat die Aberkennung des Doktorgrades von Christian Buchmann dessen Glaubwürdigkeit als Politiker erschüttert. Ob der Rücktritt wegen der Verfehlungen bei seiner vor 17 Jahren eingereichten Dissertation tatsächlich angebracht war, soll dennoch jeder für sich selbst beurteilen. In der Frage, ob Buchmann bleiben soll oder nicht, hat sich besonders die Kleine Zeitung hervorgetan. Das Blatt ließ die Rufe nach einem Rücktritt immer lauter werden. Die mit Abstand größte steirische Tageszeitung erreicht zwischendurch eine Qualität, die in Österreich keinen Vergleich scheuen muss. Das hält die Redaktion jedoch offenbar nicht davon ab, manchmal in einen Kampagnenjournalismus abzugleiten, den man sonst nur aus Großbritannien kennt. Nachdem Buchmann sich für seine Verfehlungen entschuldigt hatte, stellte sich die ÖVP geschlossen hinter ihn. Die Affäre schien bereits überwunden, doch Buchmann spürte den wachsenden Widerstand auch in seiner Partei und kündigte daraufhin den Rücktritt an.
Bürgermeister Siegfried Nagl spricht von »bezahlten Kopfgeldjägern«
Buchmanns Dissertation war ins Gerede gekommen, nachdem »anonyme Zahler« bei einem selbst ernannten Plagiatsjäger ein Gutachten bestellten, in dem dieser – wohl ganz im Sinne seiner Auftraggeber – festgestellt hatte, das Buchmanns in weiten Teilen seiner Dissertation gar nicht zitiert, also abgeschrieben bzw. in anderen Bereichen nur sehr »unsauber« zitiert hat.
Besonders der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl hat sich massiv über das Vorgehen der im Hintergrund agierenden Buchmann-Jäger aufgeregt. Er forderte wörtlich: »Bezahlte Kopfgeldjäger dürfen nicht die Politik bestimmen!« Bei der Jagd nach Buchmann gehe es eindeutig nicht um lautere Interessen. Man müsse sich zur Wehr setzen, bevor Bespitzelung und Vernaderung zum politischen Alltag werden. Sonst werde sich bald kaum noch jemand finden, der vor diesem Hintergrund bereit sei, politische Verantwortung zu tragen.
Tatsächlich hätten die Fehler der Dissertation eigentlich der Universität Graz schon bei der Einreichung der Arbeit auffallen müssen. Solchermaßen angepatzt, entschloss sich die Uni dazu, in einem langwierigen Prozess nach mehreren Gutachten Buchmanns Doktor einzukassieren.
Buchmanns Rücktritt löst ein Personalkarussell aus
Durch den Rücktritt ihres Wirtschaftslandesrates und Wirtschaftsbundobmannes wurde innerhalb der steirischen ÖVP ein Personalkarussell ausgelöst. Buchmanns Nachfolgerin in der Landesregierung wird Barbara Eibinger-Miedl. Dieser folgt der obersteirische Landtagsabgeordnete Karl Lackner als ÖVP-Klubobmann nach. Lackner hatte die Klubführung schon während Eibinger-Miedls Babypause inne. Mit dem Wechsel ändern sich auch die Zuständigkeiten in der Landesregierung.
Christopher Drexler übernimmt neben der Gesundheit und dem Personal nun auch die Kultur. Dafür erhält Eibinger-Miedl die gesamte Wissenschaft. Buchmanns Nachfolger als WB-Chef wird WK-Präsident Josef Herk. Außerdem ist damit zu rechnen, dass Buchmann auch sein Landtagsmandat zurücklegen wird, auf dem ihm wohl der steirische VP-Geschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg nachfolgen wird.
Eibinger-Miedl hat sich bereits im VP-Klub bewährt
Mit Barbara Eibinger-Miedl folgt eine Politikerin in das Wirtschafts- und nun auch Wissenschaftsressort, die schon zuvor bewiesen hat, dass sie mit den extrem großen Schuhen ihrer Amtsvorgänger umzugehen weiß. Die 37-jährige Doppelakademikerin aus Seiersberg ist 2014 auf Christopher Drexler als Klubobfrau der ÖVP-Landtagsfraktion gefolgt. Drexler hatte den VP-Club im Auftrag des damaligen Landeshauptmanns Franz Voves und dessen Vize Hermann Schützenhöfer zum Regieplatz der Reformpartnerschaft ausgebaut. Natürlich war bei Eibingers Antritt als Klubchefin klar, dass sie diese Rolle für die neue Koalition nicht übernehmen kann. Dafür fehlten ihr ganz einfach Drexlers jahrzehntelange Erfahrung und dessen Reputation auf Seiten des Koalitionspartners SPÖ. Dennoch ist es Eibinger-Miedl gelungen, die wichtige Stellung des ÖVP-Klubs innerhalb des schwarzen Machtgefüges zu erhalten.
Eibinger-Miedl war im Familienunternehmen beschäftigt und kommt politisch aus dem Wirtschaftsbund. Zuvor hat sie sich in der JVP sozialisiert. Sie ist eine gewissenhafte Arbeiterin und galt schon vor 2010, als sie in den Landtag einzog, als hervorragend vernetzt. Vor dem Landtag gehörte sie dem Bundesrat an, war Vorsitzende des »Europazentrum Europahaus Graz« und im Landespräsidium der Jungen Wirtschaft. Obwohl Eibinger-Miedl nie ein Unternehmen führte, gilt sie im Wirtschaftsbund als Unternehmerin. Das Unternehmerattribut hängt dort nämlich auch vom Alter des Familienunternehmens ab, dem man entstammt. Damit hat sie es im ÖVP-Wirtschaftsflügel sicher leichter als Buchmann, der sich ohne unternehmerischen Hintergrund vom Wirtschaftskammersekretär bis an die Spitze diente. In die Wirtschaftskammer kann Buchmann übrigens auch wieder zurückkehren. Zuletzt war von einer Tätigkeit in Wien die Rede.
WK-Präsident Josef Herk wird einstimmig geschäftsführender WB-Obmann
Obwohl Buchmann als WB-Chef also nie völlig unumstritten war, hielt ihm die Organisation auch in der aktuellen Krise weitgehend geschlossen die Treue. In einer Aussendung gab der WB bekannt, dass Buchmann auf eigenen Wunsch als Obmann zurückgetreten sei. Zu seinem Nachfolger wurde einstimmig der steirische WK-Präsident Josef Herk als geschäftsführender Landesgruppenobmann bestimmt. Herk bedankte sich in seinem ersten Statement bei Buchmann; und zwar nicht nur dafür, dass er als Landesrat maßgeblich zum Erfolg des Wirtschaftsstandort Steiermark beigetragen hat, sondern auch dafür, dass er den WB als hervorragend aufgestellte und professionell geführte Organisation übergibt.
Am 29. Juni 2017 wurde eine außerordentliche Landesgruppenhauptversammlung des Wirtschaftsbundes angesetzt. Dort wird sich Herk der Wahl durch die Delegierten stellen.
Steirische FPÖ schnürt Sicherheitspaket
Mit acht Anträgen im Landtag will die FPÖ die Steiermark sicherer machen. So fordert der steirische FP-Chef Mario Kunasek kostenlose Selbstverteidigungskurse an Schulen sowie eine Landesförderung beim Kauf von privaten Alarmanlagen. In der Steiermark sollen 300 zusätzliche Exekutivbeamte eingestellt und in den Städten Notrufsäulen installiert werden. Die sind angeblich notwendig, weil ältere Menschen Schwierigkeiten haben, mit dem Handy zu telefonieren. Außerdem treten die Freiheitlichen für ein umfassendes Verbot islamistisch gefärbter Veranstaltungen ein.
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